Leitartikel

Alles in Ordnung

Sie rentieren nicht mehr wie geplant und gerechnet. Sie drohen mit erheblicher oder völliger Auflösung ihrer Werte. Sie gefallen der Aufsicht "so" nicht. Sie sind manchmal sogar ganz unschuldig und passen nur nicht mehr in die große Strategie. Non-Performing Loans oder angesichts der Grenzenlosigkeit der aktuellen Inhalte vielleicht besser einfach Non-Performing Assets sind zwar für die einen immer noch scheußliche Unglücks- und Schadensfälle. Für zunehmend viele andere aber sind NPL/NPA zu spannenden und oft zweifellos gewinnorientierten Unternehmungen geworden.

Die Schwerpunktthemen dieser I&F-Ausgabe demonstrieren zudem, dass die "Finanzkrise" in dieser Hinsicht ein beinahe schönes Ergebnis hatte und hat: Der einst so holprige und verlegene Umgang "Problemfälle" ist vor allem durch Auslagerung aus dem ursprünglichen Geschäftsbetrieb einem faszinierenden professionellen Problemmanagement gewichen. Fast schon wie bei den vollen Insolvenzen: Es gibt heute eine kluge Menge Leute, die sich über jede Pleite freuen - der Chancen wegen.

In den Arbeitsbeschreibungen dieser Schwerpunktausgabe fallen zwei stets fast gleichlautende Ansätze auf. Der erste betrifft das mehr oder minder akquirierende Selbstverständnis der problembewussten Asset Manager: Sie sehen sich selbst als Sanierungsbeauftragte in einer Rolle, die Eigentümer oder Finanzierer einer Immobilie aus eigener Kraft nicht leicht ausfüllen können. Es sei eben sehr spezielles Knowhow nötig, über das ein laufender Verwaltungs- oder Bankbetrieb nur selten verfügt. Dem kann man folgen, obwohl die risikoorientierten Unternehmensabteilungen vor allem in den Banken von ihrer Branchenaufsicht in den letzten Jahren gewaltig aufgemischt wurden.

Der zweite Arbeitsansatz der Sanierer ist offenbar auch bei Immobilien-Portfolios der gleiche wie im ganz alltäglichen Leben - erst einmal aufräumen! Im Beitrag von Drastik unter anderem wird einprägsam angemerkt, woran es den notleidenden Portfolios fast immer am meisten mangelt: Sie sind nicht räumlich konzentriert und nicht homogen. Wie bei einer ordentlichen Insolvenz ist als allererstes die EDV so in Ordnung zu bringen, dass sie endlich alle Daten liefert und damit das Sortieren der Bestände nach verschiedenen relevanten Merkmalen erlaubt. Die Potenzialanalyse, das Bepreisungsmodell, die zentrale Vermietungssteuerung, die Mieterpflege, die Bestandskonzentration sind daher be legbare Fort-Schritte. Und weil dies alles einen erheblichen Einsatz und Aufwand verlangt, ist das eingangs angesagte Outsourcing wohl wirklich mehr als eine Werbung im Spezialisteninteresse.

Als ausgesprochen gut organisiert stellen Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Folgenden den Ablauf der gruppeninternen Abwicklung ihrer Problemfälle dar. Im Mittelpunkt bei den Genos steht die BAG Bankaktiengesellschaft Hamm, bei den Sparkassen die Inkasso-Tochter der Deutschen Leasing. Wie durchaus noch schmerzlich erinnernswert gründet die BAG auf dem Unglücksfall mit einer dem Größenwahn erlegenen Primärbanken, die der Genoverband möglichst schonend abzuwickeln hatte. Was daraus seit 1987(!) entstand, ist ein Spezialist für fast alle bösen Fälle, also nicht allein für Kredite, sondern "die Übernahme und den Betrieb von Spezialimmobilien wie Pflegeheimen, Kliniken, Spaßbädern, Hotels." "Komplexe Sanierungsengagements" seien deshalb inzwischen Schwerpunkt der an die BAG ausgelagerten Bearbeitung. Dabei zeige sich als aktuelle Tendenz, dass die Banken die eigentlichen Risiken nicht ungern im eigenen Hause behielten - schon der Reputation wegen - die professionelle BAG-Begleitung des Problemfalls aber sehr wohl dazukauften. Dies erscheint recht vernünftig: Die Bank konzentriert sich auf den Kredit als Kerngeschäft und befreit sich von Sanierungsdetails.

Was die Leistungen von Bad Banks wie der BAG, den "Folgeinstituten" von Landesbanken und Realkreditinstituten et cetera insgesamt anbelangt, ist Respekt inzwischen angesagt. Sie schälen den Staat und damit "den Steuerzahler" allem aktuellen Eindruck erstaunlich rasch aus den Engagements heraus. Diese Fähigkeit zur Selbsthilfe im Kreditgewerbe verdiente deutlich mehr Würdigung in der so emotionalen politischen Diskussion.

Denn dieser Selbsthilfe ist allem aktuellen Eindruck der Vorzug vor Notverstaatlichungen wie bei der unglücklichen HRE zu geben. Und sogar Teil-Einstiege der gütigen öffentlichen Hand wie bei der Commerzbank enthalten stets keine grundsätzlichen Missverständnisse zwischen Politik und Wirtschaft. Wie soeben der Rücktritt der Vorstandsvorsitzenden der Hypo Real Estate respektive ihrer Nachfolger neuerlich zeigt, sind Staatsdiener schlechte Unternehmer. Allein schon aus ihren Erfahrungen in und mit ministeriellen Hierarchien neigen sie zu einer immer wieder spürbaren Bewegungsunsicherheit.

Vielleicht würde das besser, wenn man - welche Illusion - gemäß dem früheren BaFin-Chef Jochen Sanio - auch in der Bundesrepublik einmal eine überzeugende Bankpleite erlaubte.

Wenn Marcel Köchling im Interview dieser Ausgabe sagt, dass "Politik und Medien immer noch alles, was aus der Finanzbranche kommt, pauschal als negativ ansehen" - dann würde eine dicke Insolvenz wenigstens die von ihm gewünschte "Differenzierung" erleichtern.

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