MIPIM Special

Anforderungen an die Projektfinanzierung von Kraftwerken

Die Projektfinanzierung als Fremdfinanzierungsinstrument zum Beispiel von Großkraftwerken spielt in Deutschland eine zunehmend wichtige Rolle. Als eine der Ursachen für den jüngsten Boom kann die europäische Energiemarktliberalisierung gesehen werden. Sie hat einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Verlagerung der Wertschöpfung von der Stromübertragung hin zur Stromerzeugung geleistet. Hierdurch ist die eigene Elektrizitätserzeugung zur Deckung des Strombedarfs der Stadtwerkekunden wieder in das Blickfeld der kommunalen Stromversorger gerückt.

Die Projektfinanzierung stellt für die Fremdfinanzierung von Großkraftwerken, die auf Basis eines Joint Ventures von zahlreichen Stadtwerken gemeinsam entwickelt und betrieben werden, eine ideale Finanzierungsform dar. Denn im Gegensatz zu den großen Versorgungsunternehmen können Stadtwerke in der Regel nicht auf Konzernrefinanzierungen wie zum Beispiel die Begebung einer Unternehmensanleihe zurückgreifen, um etwa den Finanzierungsbedarf für ein 800-Megawatt-Kohlekraftwerk von über einer Milliarde Euro zu decken.

Leasing - keine Alternative

Gerade für Gemeinschaftsprojekte stellt die Projektfinanzierung, sowohl in Bezug auf organisatorische als auch gesellschaftsrechtliche Fragestellungen, ein geeignetes Instrument dar. Zudem dient es einer transparenten Risikoverteilung des Projektes einmal unter den Joint-Venture-Partnern, aber auch gegenüber den übrigen Projektbeteiligten wie Generalunternehmern oder Brennstofflieferanten.

Es gibt zwei Gründe, warum zur Finanzierung eines Gemeinschaftskraftwerkes (Scheibenmodell) bisher nicht auf Leasing zurückgegriffen wurde. Zum einen bieten Leasingstrukturen keinen Bilanzierungsvorteil, da bei einer Minderheitsbeteiligung eines Stadtwerkes an der Kraftwerksgesellschaft der zu übernehmende Anteil (Kraftwerksscheibe) beziehungsweise deren Projektfinanzierung beim Stadtwerk ohnehin nicht bilanziell konsolidiert wird. Zum anderen stellen übliche Leasingstrukturen eher eine gesellschaftsrechtliche Gestaltungsform zur steuerlichen und/oder bilanziellen Optimierung einer Finanzierung dar und sind keine Finanzierung im engeren Sinne.

Leasingstrukturen benötigen immer eine eigene Refinanzierung. Diese Leasing-Refinanzierungen können wiederum auf die gesamte Bandbreite der zur Verfügung stehenden Fremdmittelfinanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen, von einer garantierten bis hin zu einer Non-Recourse-Struktur. Da für die weit überwiegende Zahl der Stadtwerke Garantien im vollen Umfang ihres Finanzierungsanteils jedoch keine Option darstellen, würden Leasing-Refinanzierungen ohnehin auf Non-Recourse-Strukturen, das heißt auf Projektfinanzierungen hinauslaufen.

Um das Finanzierungsinstrument Projektfinanzierung besser zu verstehen, ist es erforderlich, sich mit der grundsätzlichen Rollenverteilung zwischen Eigen- und Fremdkapital, sowie mit dem "Wesen von Risiko" auseinanderzusetzen. Im Rahmen einer Projektfinanzierung verstehen sich Banken nicht als Joint-Venture-Partner, die sich die Risiken mit den Gesellschaftern "partnerschaftlich fair" im Sinne von 50:50 aufteilen.

Banken sind als Fremdkapitalgeber bezüglich ihrer Erträge im Wesentlichen auf die Zinsmarge beschränkt und haben kein Ertrags-Upside. Daher sind Banken üblicherweise auch nicht an der Optimierung vonProjektchancen interessiert, an denen sie ohnehin nicht partizipieren, sondern daran, Projektrisiken - soweit es der Markt zulässt - zu minimieren.

Voraussetzungen, Merkmale und Risikoanalyse

Bei der Strukturierung eines Projektes sollten die Projektrisiken zum einen der Projektpartei zugeordnet werden, die in der Lage ist, das Risiko am ehesten zu beeinflussen (Verursachungsprinzip) und zum anderen der Projektpartei, die am besten in der Lage ist das Risiko zu tragen. Das wäre zum Beispiel die Partei, die im Fall einer Materialisierung des Risikos hieraus die geringsten Konsequenzen trüge. Damit gehört bei der Strukturierung einer Projektfinanzierung die Risikoidentifikation und die anschließende Allokation auf die am Projekt beteiligten Parteien zu den wichtigsten Aufgaben.

Dass bei der Projektfinanzierung "Projekte finanziert" werden, liegt auf der Hand. Allerdings erfüllen die wenigsten Projekte auch die Voraussetzungen für eine Projektfinanzierung, und daher müssen folgende Kriterien geprüft werden: Handelt es sich um ein ausreichend großes Finanzierungsvolumen, sodass spezifische Finanzierungsfixkosten minimiert werden können? Handelt es sich um eine erprobte Technologie (Mature Industry)? Technische Referenzanlagen beispielsweise eignen sich nicht für eine Projektfinanzierung. Sind akzeptable Bonitäten des Landes, der Gesellschafter und aller Projektbeteiligten gegeben? Ist ein industri-ell-strategisches Interesse der Gesellschafter an dem Projekt gegeben? Die Geschäftsrationale darf sich nicht in der Sicherung von Fördergeldern und Subventionen erschöpfen.

Zu den wesentlichen Merkmalen einer Projektfinanzierung gehören:

1) SPV - rechtlich eigenständige Gesellschaft als Kreditnehmer.

2) Ringfencing - vertraglich exakt festgelegte Abgrenzung aller Rechte, Pflichten und Assets des Kreditnehmers im Verhältnis zu Dritten.

3) Non-Recourse - Finanzierung mit Haftungsbeschränkung, das heißt ohne Rückgriff auf die Sponsoren. Hierunter wird verstanden, dass die Gesellschafter den Kreditnehmer zwar mit Eigenkapital ausstatten, darüber hinaus aber nicht für Verbindlichkeiten der Projektgesellschaft haften. Die Fremdmittelgeber müssen daher ihre Kreditentscheidung ausschließlich auf die Wirtschaftlichkeit der Projektgesellschaft abstellen. Sollte diese einmal nicht mehr gegeben sein, so können die Banken zwar die Projektsicherheiten verwerten, nicht jedoch Ansprüche jeglicher Art gegenüber den Gesellschaftern geltend machen (Non-Recourse).

4) Cash-Flow-basierte - Kreditentscheidungen von Banken stellen in erster Linie auf künftige Zahlungsströme, das heißt auf den Cash-Flow der Projektgesellschaft, ab.

5) Sicherheiten - Abtretung aller Assets (inklusive Projektkonten) sowie der Geschäftsanteile.

6) High Recovery Value - aufgrund risikoarmer Projektstrukturen sowie in der Regel werthaltigerer Kreditsicherheiten hohe Wiedergewinnungsfaktoren im Vergleich zu unbesicherten Unternehmenskrediten.

Prüfung der Schuldendienstüberdeckung

Die Wirtschaftlichkeit, das heißt die Schuldendienstfähigkeit eines Projektes, prüfen Banken insbesondere durch Sensitivitätsanalysen des Cash-Flows auf Basis komplexer Finanzierungsmodelle. Zentrale Messgröße zur Bestimmung der Schuldendienstfähigkeit ist die Schuldendienstüberdeckungsrelation ADSCR (Annual Debt Service Cover Ratio). Sie vergleicht den operativen Cash-Flow des Projektes (nach Steuern) mit dem Schuldendienst, das heißt mit der Summe aus Zins und Tilgung in einem jeweiligen Jahr. Sie zeigt an, um wie viel der für den Schuldendienst verfügbare Cash, den für Zins und Tilgung benötigten Cash in einem Jahr übersteigt.

Dies soll anhand eines Rechenbeispiels veranschaulicht werden: In einem bestimmten Jahr beträgt der Zinsaufwand eines Projektes 75 000 Euro und die Tilgung 25 000 Euro, woraus sich ein Schuldendienst von 100 000 Euro ergibt. Der zur Deckung des Schuldendienstes in demselben Jahr zur Verfügung stehende operative Cash-Flow nach Steuern beträgt 135 000 Euro. Damit überdeckt der verfügbare Cash-Flow den Schuldendienst um 35 000 Euro beziehungsweise 35 Prozent. Die ADSCR beträgt 1:1, 35.

Aus Bankensicht stellt diese 35-prozentige Überdeckung einen Risikopuffer für Unvorhergesehenes dar. Je volatiler der erwartete Cash-Flow eines Projektes ist, desto größer ist der von den Banken geforderte Risikopuffer. Bei extrem geringen Cash-Flow-Volatilitäten können Überdeckungen von lediglich 20 Prozent gegebenenfalls als ausreichend erachtet werden. Bei extrem hohen Volatilitäten (zum Beispiel Merchant-Kraftwerken) hat es Projekte gegeben, bei denen selbst eine planmäßige Überdeckung von 100 Prozent temporär nicht ausreichte, den Schuldendienst zu decken. Banken konzentrieren sich in ihrer Risikoanalyse immer auf das schwächste Glied einer Kette. Somit messen sie dem Jahr mit der geringsten Überdeckungsrelation die größte Bedeutung bei und schenken dem Durchschnittswert über die Projektlaufzeit nur geringe Beachtung.

In der Praxis wird überraschenderweise immer wieder kontrovers darüber diskutiert, wie sich der Cash-Flow berechnet und aus welchen GuV-Positionen er sich ableitet. Dabei ist die Definition von Cash-Flow (in Anlehnung an Brealey & Myers) denkbar einfach: "Cash-Flow ist nichts anderes als die Differenz zwischen eingezahlten und ausgezahlten Euros". Da zum Beispiel Abschreibungen weder Einzahlungen noch Auszahlungen darstellen, haben sie von indirekten steuerlichen Effekten einmal abgesehen, absolut keinen Einfluss auf den Cash-Flow. Richtig ist, dass man sehr überschlägig den Cash-Flow als Summe von Gewinn plus Abschreibungen abschätzen kann. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass der Cash-Flow umso höher ist, je mehr Abschreibungen man zum Gewinn addiert. Ohne Berücksichtigung steuerlicher Effekte reduziert jeder zusätzliche Euro Abschreibungen in gleichem Maße den Gewinn, sodass Abschreibungen Cash-Flow-neutral sind.

Der übliche Ablauf einer Projektfinanzierung dauert bis zu einem Jahr und umfasst in der Regel die drei Phasen: Finanzberatung, Bietungsverfahren und Arrangierung. Der Finanzberater unterstützt die Gesellschafter in der Entwicklung einer optimalen Projektvertragsstruktur, die den Anforderungen des Bankenmarktes Rechnung trägt. Durch seine Erfahrung kann er auch viele nicht unmittelbar finanzierungsrelevante Anregungen zu den Projektverträgen geben. Durch eine Beratungsmandatsvereinbarung kann ein möglicher Interessenkonflikt eines Beraters ausgeschlossen beziehungsweise minimiert werden, wenn sie sicherstellt, dass alle wesentlichen Ziele der Gesellschafter zu den Zielen des Beraters gemacht werden.

Maximaler Wettbewerb

Am Ende einer Finanzberatung steht ein Finanzierungsmodell, auf dessen Basis umfangreiche Wirtschaftlichkeitsanalysen durchgeführt wurden sowie ein Term Sheet, das heißt eine Zusammenfassung aller wesentlichen Kreditvertragsinhalte und ein Informationsmemorandum mit umfassender Projekt- und Finanzierungsbeschreibung. Sie bilden die Grundlage für das Bietungsverfahren zur Auswahl einer arrangierenden Bank. Ein solches Auswahlverfahren maximiert den Wettbewerb unter den Banken und optimiert damit die Interessen der Gesellschafter. Die Arrangierung der Projektfinanzierung umfasst eine intensive Sorgfältigkeitsprüfung, den Due-Dili-gence-Prozess sowie die Umsetzung des Term Sheets in die Kredit- und Sicherheitenverträge.

Banken basieren ihre Kreditentscheidung im Vorfeld der Mandatierung als Arrangeur und Underwriter einer Projektfinanzierung auf die Angaben des Informationspakets zum Projekt und seiner Wirtschaftlichkeit, wie es in Zusammenarbeit mit den Projektgesellschaftern (Sponsoren) und ihren Beratern erstellt wurde. Sollte die Due Diligence risikorelevante neue Informationen ans Licht bringen oder sich zwischenzeitlich rechtliche

Rahmenbedingungen ändern, so ist nicht auszuschließen, dass Banken sich mit den neuen Gegebenheiten außerhalb ihrer Kreditgenehmigung bewegen. In einem solchen Fall sind dann Anpassungen bestimmter Projektverträge noch während der Arrangierungsphase erforderlich. Erst mit Unterzeichnung der Kredit- und Sicherheitenverträge (Financial Close) und der Erfüllung aller Ziehungsvoraussetzungen (Conditions Precedent) findet der Risikoübergang zwischen Gesellschafter und Banken statt, erst ab diesem Zeitpunkt beginnt die Non-Recourse Phase.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X