Bewertungsfragen

Börsenwerte von Immobilien sind Handelswerte

Auf Grundlage des Börsenprospektes vom 6. Oktober 2006, des Geschäftsberichtes 2006, des Halbjahresberichtes 2007 sowie der Börsennotierungen der Gagfah-Aktie werden im Folgenden die Wertansätze der bilanzierten Immobilien untersucht. Gagfah S. A. ist eine Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht. Ihr Unternehmensziel ist das Eigentum, die Bewirtschaftung und der Kauf von deutschen Wohnimmobilien.

Bewertung durch CB Richard Ellis

Im Börsenprospekt bewertet die CB Richard Ellis GmbH (CBRE) die Immobilien unter der Annahme, dass sie insgesamt als Paket gehandelt werden. Gemäß Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin bilden Paketverkäufe keine Marktwerte ab, da keine gewöhnlichen Marktverhältnisse vorliegen.1) Ob sich durch die Paketbewertung ein höherer Ansatz als bei einer Einzelbewertung ergibt, legen die beauftragten Sachverständigen nicht dar.

Wenn CBRE Vergleichspreise von Paketverkäufen verwendet, sollten diese neben den Preisen, die bei Einzelverkäufen erzielbar sind, ausgewiesen werden. Zusätzlich erscheint eine Aussage zur Nachhaltigkeit des Angebotes und der Nachfrage (Liquidität) bei Immobilienpaketen erforderlich.2) Es ist zu prüfen, ob hohe Paketpreise dauerhaft sind oder ob das Risiko einer Liquiditätsklemme mit Preisverfall besteht.

Bei Mieteinnahmen von 501,7 Millionen Euro leiten die Gutachter einen Marktwert der Wohnimmobilien von 7,17 Milliarden Euro ab. Aufgrund der hohen und einschätzbar dauerhaften Nachfrage nach Immobilienpaketen erscheint die Bewertung zum 19. Oktober 2006 für angemessen. Zuzüglich der übrigen Aktiva in Höhe von 893,3 Millionen Euro ergibt sich ein Portfoliowert von 8,07 Milliarden Euro.

Die nachhaltigen Bewirtschaftungskosten per annum legt CBRE nicht dar. Es ist anzunehmen, dass sie 28 Prozent der jährlichen Mieteinnahmen betragen. Durch Abzug der Bewirtschaftungskosten von den Mieteinnahmen errechnet sich der Reinertrag.

Das Verhältnis Reinertrag per annum zu Marktwert zeigt mit 5,0 Prozent an, in welcher Höhe der Marktwert des Immobilienportfolios sich verzinst. Aufgrund der langen Restnutzungsdauer der Wohnimmobilien sollte diese Verzinsung dauerhaft vorliegen. Das Verhältnis Marktwert zu jährlichen Mieteinnahmen bildet mit 14,3 eine weitere Kennzahl ab: den Rohertragsfaktor beziehungsweise Vervielfältiger.

Der Finanzinvestor Fortress verkaufte zum Börsengang am 19. Oktober 2006 rund 20 Prozent oder 45 von 225 Millionen Aktien der Gagfah zu 19,00 Euro je Aktie. Fortress hält noch 80 Prozent am Unternehmen.

Bewertung durch die Gagfah

Unter Berücksichtigung der Gagfah-Schulden errechnet sich ein Unternehmenswert von 9,82 Milliarden Euro. Die Einnahmen des Börsengangs in Höhe von rund 853 Millionen Euro verbleiben bei Fortress und nicht im Unternehmen Gagfah. Die Kosten des Börsengangs (Vertrieb, Abwicklung, Beratung) von rund 30 Millionen Euro trägt Fortress.

Im Bewertungsbericht von CBRE, der Teil des Börsenprospektes ist, wird ein Unternehmenswert von 8,07 Milliarden Euro festgehalten. Bei einem Preis von 19,00 Euro je Aktie ergibt sich jedoch wie oben dargelegt ein Unternehmenswert von 9,82 Milliarden Euro oder ein Bewertungsaufschlag in Höhe von 21,67 Prozent. Dieser Aufschlag wird im Börsenprospekt weder genannt noch beziffert. Stattdessen werden in einem sehr umfassenden Risikobericht alle Risiken und Eventualitäten des Börsenganges beschrieben, die deutlich werden lassen, dass Fortress oder Gagfah für den Erfolg des Börsengangs und die positive Entwicklung der Aktie nicht haften.

Durch den Bewertungsaufschlag von 21,67 Prozent verändern sich die immobilienwirtschaftlichen Kennzahlen zum Börsengang. Der Rohertragsfaktor beträgt 17,4 und das Portfolio verzinst sich mit 4,1 Prozent, was der durchschnittlichen Verzinsung von Bundesanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit in den letzten zwölf Monaten entspricht. Fortress erzielt ein hervorragendes Verkaufsergebnis, denn vergleichbare Immobilien werden in Berlin im Einzelverkauf durchschnittlich mit einem Rohertragsfaktor von 12,5 gehandelt.3)

Im Konzern-Geschäftsbericht zum 31. Dezember 2006 hält Gagfah fest, dass der Bilanzwert der nach IAS 40 bewerteten Immobilien mit einem DCF-Verfahren ermittelt und durchschnittlich ein Abzinsungssatz von 5,69 Prozent verwendet wird. Der Marktwert des Immobilienvermögens wird mit rund 7,66 Milliarden Euro ausgewiesen, was in etwa der CBRE-Bewertung zum Börsengang entspricht. Der Bewertungsaufschlag von 21,67 Prozent zum Börsengang wird folglich nicht in der Bilanz abgebildet. Werden vom Marktwert des Immobilienvermögens die Schulden der Gagfah abgezogen, so ergibt sich der Nettovermögenswert (Net Asset Value - NAV). Bei 225 515 377 Aktien beträgt zum Jahresende 2006 der Nettovermögenswert je Aktie 10,63 Euro (zuzüglich latenter Steuern: 10,73 Euro).

Im Halbjahresbericht 2007 werden folgende Werte festgehalten:

Der Marktwert der nach IAS 40 bewerteten Immobilien steigt im ersten Halbjahr 2007 von 7,66 auf 9,15 Milliarden Euro an. Der Wertanstieg ergibt sich aus Zukäufen (plus 866 Millionen Euro) sowie einer Höherbewertung des Bestandes (plus 644 Millionen Euro) um rund acht Prozent. Im gleichen Zeitraum konnte die Gagfah die Nettomieteinnahmen um rund ein Prozent erhöhen. Höhere Mieteinnahmen rechtfertigen somit nicht die um 644 Millionen Euro erhöhten Ansätze in der Bilanz. Im Halbjahresbericht 2007 findet sich der Hinweis, dass Berechnungen von CBRE und Innova AG/Deloitte & Touche GmbH die höheren Bilanzwerte bestätigen. Innova/Deloitte & Touche beziehen sich dabei auf Rohertragsfaktoren. Woher diese Kennzahlen stammen, wie hoch sie ausfallen, ob

Paketpreise oder Einzelverkäufe als Maßstab dienen oder wie die Liquidität der Märkte einzuschätzen ist, wird nicht dargelegt.

Wird der NAV mit 13,97 Euro je Aktie als Maßstab für eine faire Bewertung genommen, so ist die Aktie mit 13,36 Euro, ihr Kurs zum 28. September 2007, nicht unterbewertet. Gagfah verweist jedoch darauf, dass der Börsenkurs durch die Equity Story der Aktie bestimmt wird. Neben NAV seien Eigenkapitalrendite, Dividendenzahlungen und künftige Cash-Flow-Potenziale bei der Aktienbewertung einzupreisen.4)

Bewertung durch die Börse

Der bisherige Höchstkurs der Aktie lag im elektronischen Handel der Frankfurter Börse (Xetra) im November 2006 bei 25,95 Euro, der Tiefstkurs bis Ende September 2007 bei 13,36 Euro. Der Höchstkurs lag 36,6 Prozent über und der Tiefstkurs 29,7 Prozent unter dem Ausgabepreis.

Bei 7,11 Milliarden Euro Schulden und 225 515 377 Aktien zum 30. Juni 2007 können 31,55 Euro Schulden einer Aktie zugeordnet werden. Wird dieser hohe Fremdkapitalanteil berücksichtigt, fallen die prozentualen Abweichungen zum Ausgabepreis bedeutsam niedriger aus. Ein höherer Fremdkapitalanteil führt dazu, dass Wertänderungen des Immobilienportfolios stärker auf den Aktienkurs wirken als bei Unternehmen, die geringer fremdfinanziert sind.

Der Wert börsennotierter Immobilienunternehmen hängt von zahlreichen Einflussgrößen ab: NAV auf Grundlage von Mieteinnahmen und Abzinsungssatz mit Risiko- und Inflationserwartung, frei verfügbare Cash-Flows, Dividendenzahlungen, Fremdkapitalanteil, Zu- und Verkäufen sowie Kapitalmarktbedingungen und steuerlichen Anreizen. Je nach Markt- und Informationslage kann der Wert der Immobilien stark schwanken. Der Aktienkurs bildet nicht den Marktwert der Immobilien ab, sondern einen Handelswert zu einem bestimmten Börsenstichtag.

Eine maßgebliche Orientierungsgröße für den Aktienkurs ist der Marktwert der Immobilien nach IAS 40 und NAV. Börsennotierte Immobiliengesellschaften richten zunehmend ihre Berichterstattung danach aus.5) Sie haben einen Anreiz, einen hohen NAV auszuweisen, denn damit steigt die Chance, höhere Kurse zu erzielen. Daher dient es dem Anlegerschutz, wenn die Grundlagen der Bewertung offen liegen. Eine größere Transparenz der Bewertungsvorgänge kann Kursausschläge abmildern, zumal wenn Bewertungsspielräume in der Bilanz nach oben ausgereizt werden.

Folgende vier Größen sollten veröffentlicht werden: Nettomieteinnahmen per annum, nachhaltige Bewirtschaftungskosten per annum, Marktwert der Immobilien und der durchschnittlich im Ertragswert- oder DCF-Verfahren verwendete Abzinsungssatz. Jeder Anleger kann dann mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren (Reinertrag per annum durch Abzinsungssatz gleich Marktwert) die Werthaltigkeit der Bilanzierung und wesentliche immobilienwirtschaftliche Kennzahlen nachvollziehen.

Fußnoten

1) Amtsblatt von Berlin Nr. 29, 6. Juli 2007, S. 1752

2) Plantin, Sapra, Shin; "Marking-to-market: Panacea or Pandora's Box?", Journal of Accounting Research, zur Erscheinung vorgesehen.

3) Bericht über den Berliner Grundstücksmarkt 2006/2007, Gutachterausschuss für Grundstückswerte, S. 35.

4) FAZ vom 10. August 2007, S. 41.

5) Zwischenbericht zum 1. Halbjahr 2007, IVG Immobilien AG, S. 9 und 19.

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