Schwerpunkt: Hypothekenprocessing

Droht ein Ausverkauf von Performing Mortgages?

Nach einer ersten An- und Verkaufswelle von Non-Performing-Darlehensportfolios entwickelt sich der Trend zunehmend auch im nicht leistungsgestörten Bereich hin zu True-Buy-Transaktionen. Eine Beleuchtung der verschiedenen Motive von Ver- und Ankäufern zeigt, dass der Bestandshandel für beide Seiten attraktiv ist. Neben der Frage, über welche Eigenschaften und Fähigkeiten Investoren verfügen müssen, um im umkämpften Markt bestehen zu können, stehen die Chancen und Risiken des Portfoliohandels im Mittelpunkt des Interesses. Fraglich ist, inwieweit Verkäufer von Portfolios die Herauslösung von Portfolios aus dem eigenen Bestand auch langfristig zum eigenen Vorteil einsetzen können.

Eine Bestandsaufnahme der Portfoliotransaktionen Die Beantwortung der zentralen Frage, ob die Angst der deutschen Finanzwelt vor einem Ausverkauf der deutschen Hypothekenportfolios berechtigt ist oder nicht, setzt zunächst die Auseinandersetzung mit Investorenappetit und Verkaufswillen der deutschen Bankhäuser voraus. Eine erste Portfoliover- und -ankaufswelle traf die deutsche Hypothekenlandschaft mit der Veräußerung ausfallgefährdeter oder uneinbringlicher Engagements. In den Jahren 2003 bis 2006 haben notleidende Immobilienkredite mit einem Volumen von rund 35 Milliarden Euro mit zum Teil erheblichen Preisabschlägen ihren Eigentümer gewechselt.

Zu den veräußernden Häusern zählten beispielsweise die Hypovereinsbank, die Aareal Bank und die Eurohypo, die - getriggert durch ganz unterschiedliche Motive - zum einen das Vorhandensein von ausfallgefährdeten Engagements im eigenen Buch eingestanden haben und zum anderen in den zumeist ausländischen Investoren wie Goldman Sachs, Lone Star, Citigroup und Cerberus interessierte Abnehmer fanden.

Diese Milliardendeals können allerdings heute kaum noch beobachtet werden. Im Gegenteil: Im Markt hat vor allem aufgrund von Schwierigkeiten bei der geplanten Erlöserzielung eine Ernüchterung eingesetzt. Nach wie vor interessierte Investoren entscheiden sich überwiegend für einen selektiven Erwerb von Forderungsportfolios. In der Summe sind die Deals deutlich kleiner und spielen sich meist vor der Öffentlichkeit verborgen ab.

Die zweite Welle von Portfoliover- und -ankäufen begann im Jahre 2006 und ist im Kern Ergebnis von Umstrukturierungsmaßnahmen. Hier rückte der Bestandshandel mit nicht leistungsgestörten Darlehen, sogenannten Per-forming-Loan-Portfolios, in den Vordergrund: Neue Eigentümer von angeschlagenen deutschen Banken setzen die Konzentration auf bestimmte Kernbereiche der Häuser konsequent um. Folglich zählen auch Portfolios von hypothekarisch gesicherten Darlehen zu den Bereichen, in denen Desinvestionen getätigt werden. Auch im weiteren Verlauf des Jahres 2007 hielt und hält der Markt eine Reihe von weiteren Deals in der Pipeline bereit. Zum Beispiel zählen die ehemalige Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden (heute Corealcredit Bank), die Hypo Real Estate sowie die Argenta Spaarbank zu den Häusern mit gesunden Portfolios, die sich von ihrem Bestand getrennt haben. Erwerber waren unter anderem die DKB, die ING-Diba, die NIBC Bank, die Münchener Hyp sowie die DG Hyp. Allerdings zeigen sich auch hier aufgrund der aktuellen Marktgegebenheiten wie der USamerikanischen Hypothekenkrise trotz eines nachweislich recht risikoarmen deutschen Marktes verbunden mit großem Potential ihre Auswirkungen. Die Investitions- und Desinvestitionsfreude wurde merklich gebremst.

Motive für Bestandshandel mit Performing Loans

Häufig sind die bereits erwähnten strategischen Erwägungen für einen Portfolioinhaber ausschlaggebend für den Einstieg im Bestandshandel. So ist die Konzentration auf das Kerngeschäft und die Trennung von den sogenannten Nonconforming Loans, also Darlehen, die sich nicht mehr nahtlos in die Strategie des Hauses einfügen, oder gar eines gesamten Geschäftsfeldes einer der Hauptgründe. Der Rückzug aus einem ehemals besetzten geografischen Markt zählt hier ebenso wie das Fehlen von profitablen Größenordnungen und ein enorm hoher Margendruck im Neugeschäft zu den eher strategisch einzuordnenden Beweggründen.

Blickt man mehr auf die Vertriebsseite und nimmt die operative Sicht der Dinge an, so machen seinerzeit mit Vertriebspartnern eingegangene Kundenschutzklauseln heute ein etwaiges Cross-Sel-ling-Potenzial im Portfolio zunichte. Das schlichte Halten des Assets erscheint hier häufig wenig lukrativ. Geringe Stückzahlen und veraltete IT-Systeme sowie eine suboptimale Prozessorganisation machen einen Bestand in der eigenen Kostenrechnung vielfach unwirtschaftlich. Man könnte eine kosten- und zeitintensive Bearbeitung durch Produktinnovationen kompensieren. Jedoch steht dem ein Mangel an Produktexpertise und -Know-how im eigenen Haus entgegen.

Da verwundert es kaum, wenn Banken mit Blick auf die finanzielle Situation den Charme einer vollständigen Bilanzentlastung mittels True-Sale-Transaktion erkennen und die möglichen Ertragspotenziale heben. Steht die vorhandene IT-Systemlandschaft bei der Argumentation pro Bestandsverkauf im Vordergrund, so zählen ein zu hoher Investitionsbedarf in die eigenen IT-Systeme zur Erreichung einer geforderten Effizienzsteigerung sowie die gestiegenen - und mit den eigenen Systemen mehr schlecht als recht darstellbaren - Anforderungen an Datenqualität und Reporting wichtige Motive für den Verkauf von Darlehensforderungen dar. Letztlich greifen hier Motive aus verschiedenen Kategorien zusammen und bilden das für den jeweiligen Verkäufer individuelle Motivset, welches seine Interessenlage widerspiegelt. Mit Wechsel der Blickrichtung auf den potenziellen Erwerber bietet ein Port-foliokauf eine ideale Möglichkeit zum Markteintritt oder den Auf- und Ausbau eines bestimmten Geschäftsfeldes. Jüngere Marktteilnehmer erhalten durch die zugekauften Bestände die Möglichkeit, Kredithistorie zur strategischen und taktischen Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle zu erwerben. Aber auch etablierte Unternehmen können für einen Ausgleich von aktuell fehlendem Neugeschäft im margenumkämpften Markt sorgen.

Aus der Vertriebssicht des Käufers liegen die Motive schon mehr auf der Hand: Neukunden und Prolongationsgeschäfte werden erschlossen und der häufig vorhandene Zugang zum Kapitalmarkt kann für eine günstige Refinanzierung eingesetzt werden. Im Geschäftsmodell sind die Interessenten im Gegensatz zu den Portfolioanbietern aufgrund von Spezialisierungen für eine effiziente Bearbeitung aufgestellt, sodass die für den Alteigentümer offensichtlichen Nachteile in der Bearbeitung weit weniger ins Gewicht fallen.

Für die Erwerber ergeben sich Möglichkeiten, höhere fixe Margen zu erwirtschaften als in der sukzessiven Generierung von Neugeschäft. Ein schnelleres Erreichen der kritischen Masse ist ebenfalls ein bedeutendes Motiv. Ein Erwerber verfügt üblicherweise über eine moderne und flexible Systemlandschaft oder agiert alternativ über Outsourcingmodelle, sodass auch hier etwaige technisch motivierte Veräußerungen keine Unsicherheit auf Seiten des Käufers erzeugen. In der Summe ergänzen sich Interessenlage von Verkäufer und Erwerber gut, sodass klar wird, wieso der Bestandshandel auch bei Performing-Loan-Portfolios für beide Parteien so an Attraktivität gewonnen hat.

Erfolgsfaktoren

Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten muss nun ein potenzieller Erwerber besitzen, um im harten Bieterwettstreit bestehen zu können? Zum einen sind Expertise und Professionalität im Bieterprozess erforderlich; dies kommt zum einen in der Due-Diligence-Phase zum Tragen und zum anderen bei der allgemeinen Einschätzung von Chancen und Risiken. Erfahrung in der indikativen sowie bindenden Preisfindung und Professionalität bei den häufig komplexen Vertragsverhandlungen sind weitere wichtige Punkte.

Mit dem Abschluss eines Kaufvertrages für ein Bestandsportfolio verschiebt sich das Augenmerk auf sowohl juristisches als auch prozessuales Know-how bei der Portfolioübertragung. Insbesondere Fragestellungen des Datenschutzes und das Bankgeheimnis sowie die Information und Einbindung der individuellen Darlehensnehmer sind hier wichtige Punkte. Wenngleich Veräußerer aus den beschriebenen Motiven am weiteren Halten eines Darlehensportfolios kein Interesse zeigen, so wird viel Wert auf die Weiterführung der Kundenbeziehung in gewohnter Servicequalität nach dem Portfolioübergang auf den neuen Eigentümer gelegt.

In technischer Hinsicht erfordert eine Migration in erster Linie entsprechende Projektmanagementfähigkeiten und die Sicherstellung einer reibungslosen Abwicklung einer Transaktion. Daten und Dokumente werden in das bevorzugte System übertragen, um eine Bearbeitung im Bestandsgeschäft sicherzustellen. Voraussetzung ist ein belastbares Processing- und Servicingsystem des Erwerbers.

Neben monetären und technischen Argumenten im Bieterprozess zählen auch die organisatorischen Voraussetzungen des Erwerbers im Back-Office und damit seine Fähigkeit, die Bestandsbearbeitung professionell zu übernehmen. Besonders die Frage der Verfügbarkeit und Skalierbarkeit der Ressourcen in Mid- und Back-Office sind bei einer sprungfixen Erhöhung der Darlehensstückzahl im Portfolio des neuen Eigentümers wichtig.

Durch die Belebung des Bestandshandels mit gesunden Darlehen erhalten kleinere Marktteilnehmer und neue Anbieter die Möglichkeit, kurzfristig eine kritische Masse und damit verbundene Effizienzsteigerungen sowie Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Allerdings bedeutet dies für die Veräußererbanken auch den Wegfall der eigenen Expertise und möglicherweise das Risiko von Fehleinschätzungen der Kreditrisiken, da man isoliert auf das Wissen von Dritten (zum Beispiel Ratingagenturen) vertrauen muss.

Risiken und Chancen

Darüber hinaus verschieben sich recht zügig die Marktanteile mit langfristiger Wirkung. Bezieht man dies auf die Segmente, in denen deutsche Finanzdienstleister tätig sind, so fällt beispielsweise die Verringerung des Hypothekenbankmarktanteils auf und die Zunahme der Anteile im Universal- und Geschäftsbankenbereich. Damit geht auch eine Verschiebung der (Bestandsgeschäfts-)Volumina je Marktteilnehmer einher. Dramatischer erscheint jedoch die Veränderung der bevorzugten und gelebten Geschäftsmodelle. War vor einigen Jahren noch das Filialgeschäft im Vordergrund, so erleben wir heute eine Abkehr von diesem Geschäftsmodell und die Zuwendung hin zum Vermittlergeschäft.

Insgesamt erfährt der Wettbewerb aufgrund der unter den Motiven beschriebenen Interessenlagen, der großen Komplementarität der Geschäftsmodelle verbunden mit geringeren Margen eine nicht unerhebliche Stärkung. Der Bestandshandel bringt jedoch auch Chancen für die veräußernden Banken mit sich: Mit dem Verkauf der Darlehensportfolios verfügen die Anbieter über eine Ad-hoc-Lösung und ein Instrument zur Umsetzung der geänderten strategischen Stoßrichtung (beispielsweise geplante Restrukturierungsmaßnahmen). Über die True-Sale-Transaktionen kann außerdem eine aktive Portfoliostrukturierung und ein aktives Risikomanagement betrieben werden. Für das Funding bieten sich zudem neue und bessere Alternativen. Insgesamt ergibt sich im Markt eine größere Vielfalt von unabhängigen Partnern.

Modell der Zukunft Das Modell der Zukunft bedeutet eine Konzentration der Geschäftstätigkeit auf einen der folgenden Bereiche:

- Endkunde (zum Beispiel Vertriebe wie Vermittler und Finanzdienstleister),

- als Produktpartner (zum Beispiel Banken als Produktinnovator) oder als Angebotspooler (zum Beispiel Plattformen, Packager),

- Bearbeitung und Verwaltung (zum Beispiel Servicing),

- Exit (zum Beispiel Funder).

Wichtig ist in diesem gesamten Modell ein einheitlicher Datenhaushalt und eine durchgängige Abwicklung in der IT.

Marktteilnehmer - Veräußerer wie Erwerber von Darlehensportfolios - tun gut daran, ihren Fokus auf die Möglichkeit zur Erwirtschaftung von Erträgen zu legen und sich vom isolierten Voluminadenken abzuwenden. Die Lösung liegt zum einem im Angebot aller gängigen und nachgefragten Produkte, jedoch nicht ausschließlich aus dem eigenem Produkt- und Leistungsportfolio des jeweiligen Finanzdienstleisters, sondern in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Produktgebern oder anderen Dienstleistern. Zum anderen liegt sie in einer klaren Definition von Exitstrategien beispielsweise in der Verfügbarkeit einer großen Bandbreite an Refinanzierungsmöglichkeiten (Kapitalmarkt, eigene Bilanz, Pfandbrief, Derivate).

Angst oder Interesse?

In einer kurzfristigen Perspektive rechtfertigen die identifizierten Risiken ein gewisses Angstlevel trotz der skizzierten Nutzbarmachung der Portfoliotransaktionen für die konkrete Problemlösung der Veräußerer. Allerdings muss ein Teil der jetzigen Problemlösung auch die Verfolgung einer der identifizierten Konzentrationsrichtungen der Geschäftstätigkeit sein. Denn nur durch das Erkennen und Umsetzen der identifizierten Chancen kann der steigende Einfluss neuer Anbieter der deutschen Finanzwelt insgesamt und dem einzelnen Marktteilnehmer gleichzeitig und mit einer Langfristperspektive zu einer Neupositionierung verhelfen, und zwar durch:

- Annektieren von neuen Geschäftsmodellen,

- Hinterfragen der eigenen Strategie,

- Anpassen der eigenen Prozesse,

- Bevorzugung und Eingehen von Partnerschaftsmodellen.

Zusammenfassend führt also vielmehr eine Öffnungsstrategie anstatt einer Abschottungsstrategie zum Erfolg.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag von Hans-Joachim Michel während der Tagung "Hypotheken- und Kreditprocessing 2007" in Frankfurt am Main.

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