Frage an Jens Tolckmitt

Gefährdet die Emission von Pfandbriefen die Einlagen der Sparer?

Angesichts weithin geschlossener Kapitalmärkte in der Krise, jedoch auch im Hinblick auf die absehbare Regulierung, welche die unbesicherte Refinanzierung mutmaßlich deutlich erschwert und verteuert, haben Banken den Anteil besicherter Refinanzierung ihres Geschäfts in den letzten Jahren erheblich ausgebaut. Die augenfälligste, weil einzig transparente Form dieser besicherten Refinanzierung ist die Emission von Covered Bonds, in Deutschland von Pfandbriefen, die seit Beginn der Krise eine wahre Renaissance erlebt haben. Daneben treten aber eine Vielzahl anderer Besicherungsformen, etwa bei der Beschaffung von Liquidität bei der Zentralbank, Repogeschäften mit anderen Banken oder bei der Stellung von Sicherheiten im Derivategeschäft.

Renaissance der besicherten Refinanzierungen

All diese Geschäfte haben zwangsläufig zur Folge, dass Teile der Vermögenswerte einer Bank konkreten Vertragsparteien zugeordnet werden und im Insolvenzfall nicht mehr zur Befriedigung anderer, unbesicherter Gläubiger zur Verfügung stehen.

Die Befürchtung der Kritiker dieser sogenannten Asset Encumbrance lautet, im Insolvenzfall wären deshalb nicht ausreichend freie Vermögenswerte zur Bedienung ungedeckter Gläubiger und vor allem (privater) Einleger vorhanden - weshalb hierfür sodann die Einlagensicherung und in letzter Konsequenz der Steuerzahler einspringen müsste.

Interessenausgleich zwischen den Gläubigern

Als Konsequenz wird sodann gefordert, die Emission von Pfandbriefen durch eine Bank auf einen bestimmten Prozentsatz der Bilanz zu beschränken oder gar pfandbriefemittierende Institute aus der Einlagensicherung auszuschließen, um eine Konkurrenz zwischen Pfandbriefgläubigern und Einlegern zulasten Letzterer zu vermeiden und die Einlagensicherung zu schützen.

Die Frage allerdings ist: Sind Pfandbriefe tatsächlich Hauptgrund für die Asset Encumbrance einer Bank und taugt ihre Limitierung wirklich als Ansatzpunkt für eine Lösung des wahrgenommenen Problems? Bereits das 2005 geschaffene Pfandbriefgesetz (PfandBG) regelt - ebenso wie die Rechtsgrundlagen, aus denen es 2005 hervorgegangen ist - einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern.

So ziehen die zahlreichen Bestimmungen des PfandBG sehr enge Grenzen für deckungsfähige Vermögenswerte. Diese sind grundsätzlich auf wenige hochqualitative Aktiva beschränkt und mit einer Fülle weiterer detaillierter Regelungen ausgestattet. Primäres Ziel dieser Bestimmungen ist, die Qualität des Pfandbriefes zu sichern - zugleich beschränken sie aber auch den Kreis der Bilanzaktiva einer Bank, die für eine Refinanzierung über Pfandbriefe überhaupt in Betracht kommt, so stark, dass sich bereits hieraus eine strikte Limitierung des möglichen Pfandbriefvolumens gemessen an der Gesamtbilanz ergibt.

Dies gilt naturgemäß in besonderer Weise für Universalbanken, bei denen der Anteil des Pfandbriefvolumens an der Gesamtbilanz zehn bis 15 Prozent kaum überschreiten dürfte, weil geeignete, pfandbrieffähige Aktiva bei breit diversifiziertem Geschäft nicht in höheren Volumina vorhanden sind. Aber auch spezialisierte Pfandbriefbanken mit Einlagengeschäft, bei denen eine Konkurrenz zwischen Pfandbriefgläubigern und Einlegern am ehesten zu vermuten wäre, weil die Pfandbriefrefinanzierung innerhalb der gesamten Refinanzierung dominiert, weisen in diesem Zusammenhang kein ungesundes Verhältnis auf.

Augenfällig wird dies im Fall des jüngst von der Deutschen Pfandbriefbank angekündigten Einstiegs in das Einlagengeschäft. Sofort wurde aus Teilen der Politik auf den vermeintlich gefährlichen Trend hingewiesen, der sich hier bestätige: Erneut würden erhebliche Risiken von den Bankinvestoren auf die Steuerzahler übergewälzt.

Nüchterner Blick auf die Fakten

Nun, ein nüchterner Blick auf die Fakten kann hilfreich sein. Als Bank mit einer Bilanzsumme von 97 Milliarden Euro zum Jahresende 2012 und einem ausstehenden Pfandbriefvolumen von rund 43 Milliarden Euro plant dieses Institut auf Sicht den Aufbau einer Einlagenrefinanzierung in Höhe von drei Milliarden Euro.

Selbst wenn man sich nicht auf das Pfandbriefvolumen, sondern auf das Volumen der Deckungsmassen - einschließlich der darin enthaltenen Überdeckung - in Höhe von insgesamt 53 Milliarden Euro bezieht, bedarf es einiger Fantasie hier ein Konkurrenzverhältnis von Einlegern und Pfandbriefgläubigern für den hypothetischen Fall der Insolvenz der Bank zu konstruieren. Das mag bei Betrachtung der gesamten Asset Encumbrance einer Bank von Fall zu Fall anders aussehen - und es ist insoweit auch völlig legitim und wichtig, dieses Thema aus regulatorischer Sicht zu adressieren. Aber es ist nicht sachgerecht, die Debatte auf ein Produkt, den Pfandbrief, zu konzentrieren.

Breite Funding-Basis für mehr Stabilität

Hinzu kommen zwei Dinge, die gerne vergessen werden: Es war die besicherte Refinanzierung über den Pfandbrief oder in anderer Form, die zahlreichen Banken in den schwierigsten Phasen der Krise den lebenswichtigen Zugang zu Liquidität gesichert hat. Wären diese Wege der Mittelbeschaffung nicht jederzeit offen gewesen, hätten etliche Institute vor erheblichen Herausforderungen gestanden - zulasten aller Gläubiger der Bank und letztlich auch der Einlagensicherung. Anders gesagt: Asset Encumbrance kann in schwierigen Marktphasen auch lebenserhaltend wirken und sollte insoweit bei allen Stakeholdern von Banken Akzeptanz finden.

Eine der wichtigsten Lehren aus der Krise, die viele Banken heute ziehen, ist, dass eine breit aufgestellte Refinanzierung eine wichtige Grundvoraussetzung ist, um in Krisen bestehen zu können. In der Zeit unmittelbar nach der Insolvenz von Lehman Brothers ebenso wie in der europäischen Staatsschuldenkrise war es insbesondere die (ungedeckte) Kapitalmarktrefinanzierung, die versiegte. Keineswegs ausgeschlossen ist, dass in einem zukünftigen Krisenszenario die Einlagenrefinanzierung vor vergleichbaren Herausforderungen steht. Genau deshalb diversifizieren Banken heute ihre Refinanzierungsquellen.

Einlagenstarke Banken bauen die Kapitalmarktrefinanzierung auf und erwerben in diesem Prozess unter Umständen auch eine Pfandbrieflizenz. Traditionell kapitalmarktorientierte Institute wenden sich mit überschaubaren Volumina der Einlagenrefinanzierung zu. Diese Entwicklung macht die Banken und das Bankensystem insgesamt nicht schwächer und anfälliger, sondern - zumal nach den Erfahrungen der aktuellen Krise - stärker und robuster.

Der vielversprechendste Ansatz für einen sachgerechten Umgang mit dem Thema liegt auch beim Thema Asset Encumbrance in der Schaffung von Transparenz. Mit Blick auf den Pfandbrief kann hier auf die bereits heute umfassende Transparenz der Pfandbrief-Deckungsmassen verwiesen werden. Diese Transparenz zeichnet den Pfandbrief gegenüber allen anderen besicherten Refinanzierungsformen bereits seit 2005 aus. Sie ist wohl auch der eigentliche Grund, warum sich die Debatte um Asset Encumbrance auf dieses Produkt konzentriert - es ist schlicht das einzige, bei dem sich Volumen und Zusammensetzung der "encumbered assets" zuverlässig bestimmen lassen.

Vergleichbare Transparenz schaffen

Denn auf Basis von § 28 PfandBG ist für alle Gläubiger einer Bank jederzeit einsehbar, welches Volumen an Vermögenswerten welcher Qualität und Herkunft zugunsten der Pfandbriefgläubiger "reserviert" ist. Ähnlich umfangreiche, allgemein zugängliche und quartalsweise aktualisierte Daten auf gesetzlicher Basis finden sich für kein anderes Finanzprodukt - und auch nicht für die Liquiditätsbeschaffung bei der Zentralbank.

Der inzwischen erkennbare Ansatz des European Systemic Risk Board (ESRB), der EBA und der EU-Kommission, diese Informationsasymmetrie durch Schaffung vergleichbarer Transparenz für alle anderen Formen der Asset Encumbrance zu beseitigen, ist deshalb ein sachgerechter Weg. Wer hingegen glaubt, die Asset Encumbrance lasse sich über eine Beschränkung des Pfandbriefvolumens lösen, der springt deutlich zu kurz.

Jens Tolckmitt , Hauptgeschäftsführer , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin
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