Leitartikel

Gewohnte Altersvorsorge

Es ist soweit: Wohneigentum ist riesterfähig. Nach jahrelangem Gezerre hat es die Bundespolitik wesentlich später als angekündigt geschafft, das Eigenheim in das schmale Korsett der staatlich geförderten Altersvorsorge hineinzuzwängen. Dass bei dem fiskalischen Schlankheitsideal nicht viel Platz zum Atmen bleibt, ist zu erwarten gewesen. Doch welche Qual wird nicht auf sich genommen, wenn es die Attraktivität zu verbessern verspricht. Der neuen Schönheit Schatten ist jedoch, dass sich die Designer des sportlicheren Sofort-ohne-Finanzamt-Modells letztlich nicht ganz gegen die Ideologen der nachgelagerten Besteuerung durchsetzen konnten, deren Schnittmuster nicht nur unübersichtlich ist, sondern auch Applikationen enthält, die kaum den Gefallen der Zielkundschaft finden dürften.

Seit dem 1. November dieses Jahres wird nun zum großen Hallali auf die potenziellen Eigenheim-Rentner dieser Republik geblasen. Endlich können auch die Baufinanzierer mit zertifizierten Produkten auf Kundenfang gehen. Freilich hat die Hatz schon lange vor ihrem offiziellen Start mit Optionstarifen bei den Bausparkassen begonnen. Diese Verträge können mit Erhalt des BaFin-Prädikats auf Riester umgestellt werden. Die Eile der neuen Anbieter ist durchaus berechtigt, gilt es doch einen im Wesentlichen schon unter Versicherern, Banken und Fonds aufgeteilten Markt nach den "Resten" zu durchforsten. Ob dabei noch ein gehaltvolles Kuchenstück zu holen ist, oder nur noch in den Krümeln gesucht werden kann, ist unter Marktbeobachtern - je nach Interessenlage - umstritten. So soll das Potenzial an Kunden, welche die Riesterförderung in Anspruch nehmen könnten, zwar erst zu gut einem Viertel ausgeschöpft sein, doch dürfte es schwer werden, die Verbleibenden noch zu überzeugen. Wer "riestern" will, tut dies bereits. Die Übrigen aber kennen das Produkt entweder nicht oder wollen es nicht.

Glaubt man einer aktuellen Postbank-Studie, so haben 59 (! ) Prozent der Deutschen noch nie zuvor etwas von der Eigenheimrente gehört. Trotzdem üben sich die Wohn-Riester-Anbieter, maßgeblich die Bausparkassen, in Zuversicht. Denn der gleichen Umfrage nach wünschen sich derzeit 65 Prozent der Deutschen ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung. Vor einem Jahr sollen es nur 58 Prozent gewesen sein. Immerhin sehen 68 Prozent der Berufstätigen im Eigenheim die ideale Altersvorsorge, haben diese Kinder, erhöht sich der Anteil sogar auf 72 Prozent. Potenzial scheint also reichlich vorhanden. Vor allem für die Bausparkassen, denn jeder zehnte Berufstätige strebt konkret den Erwerb einer selbstgenutzten Wohnimmobilie zur Sicherung des Rentenniveaus an. Auf dem Weg dahin gehört der Bausparvertrag zu den Favoriten, so die Studie. Dennoch wissen die Bausparinstitute, dass sie das Gütesiegel der staatlichen Förderwürdigkeit brauchen, weil es sich so hervorragend als Absatzargument einsetzen lässt. Schließlich gilt es, verloren gegangenes Terrain im Wettbewerb um die Spargroschen der Deutschen zurückzugewinnen.

Dabei hatte sich Bausparen sogar in den zurückliegenden förderpolitischen Hungerjahren, in denen ohne Eigenheimzulage oder einen äquivalenten Ersatz ausgekommen werden musste, exzellent verkauft. Trotz einiger Rückgänge im Neugeschäft bewegt sich das Abschlussvolumen der Branche auf einem historisch hohen Niveau. Entsprechend ist durch Wohn-Riester nicht mit einer Sonderkonjunktur zu rechnen. Wenn sich diese zum Jahresende doch noch zeigen sollte, dann wird sie - so wie es derzeit aussieht - wohl eher von der Änderung der Wohnungsbauprämie herrühren, deren Zweckbindung ab 2009 auch über die bisherigen sieben Jahre verbindlich sein wird. Von der Eigenheimrente erhoffte sich manche Kasse ein Absatzplus von nicht weniger als 20 Prozent. Mittlerweile werden wohl auch diese Erwartungen kräftig nach unten geschraubt. Mit fünf Prozent rechnet man gerne, zehn Prozent wären ein beachtlicher Erfolg. Viel stärker dürften die Substitutionseffekte sein. Denn nicht weniger als ein Drittel des Neugeschäfts könnten künftig Riesterverträge sein, wie einige Institute schätzen.

Allerdings zeigen die Erfahrungen des "normalen" Riestergeschäfts, dass sich der Verkauf dieses komplizierten Produktes äußerst schwierig gestalten kann. Denn bisher haben wohl bestenfalls Finanzmathematiker die Funktionsweise der Riester-Rente wirklich verstanden. Dagegen ist dem Rentner der Zukunft, der heute brav seine Sozialversicherungspflicht erfüllt, daraus aber keine ausreichende Ruhestandsversorgung erwarten darf, das Produkt zwar noch immer nicht erklärbar, anscheinend aber trotzdem vermittelbar. Überzeugen ließen sich bis heute immerhin über zehn Millionen Kunden. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres sollen fast eine halbe Million neue Abschlüsse hinzugekommen sein, wobei die Riester-Versicherungen erwartungsgemäß deutlich vor -Fonds und -Sparplänen dominierten. Dass sich die Riester-Rente nach einem äußerst mageren Start zuletzt doch noch so gut verkaufte, ist einerseits der bewusst geschürten und vielfach vielleicht sogar begründeten Furcht vor Altersarmut geschuldet, andererseits wurde erkannt, dass der Beratungsbedarf des Produktes den Kunden eher abschreckt als überzeugt. Angst statt Aufklärung lautet deshalb die einfache Marketingstrategie.

Doch wenn die stationären und mobilen Vermittler nicht mehr beraten, sondern nur noch abschließen, so ist diese Entwicklung in höchstem Maße bedenklich. Ob der karge Riester-Groschen als Zubrot am Ende wirklich reicht, ob die schönen Rechenmodelle später erfüllen, was sie heute versprechen, wird sich leider erst dann zeigen, wenn es für Korrekturen zu spät ist. Schwierig wird es vor allem dann, wenn Eigenheimbesitzer, die ihr Wohneigentum mit Riesterförderung errichtet haben, auf die gesparten, fiktiven Mieterträge reale Steuern zahlen sollen. Während diese bei anderen Riesterprodukten mit der Geldrente verrechnet werden, also ein tatsächlicher Geldstrom vorhanden ist, ist dies bei Wohn-Riester nicht gegeben. Doch vielfach werden die Probleme nicht erst bei Renteneintritt drängend. Für die Wechselfälle des Lebens - Scheidung, Umzug, Arbeitsplatzverlust und Tod - gibt es bei der Eigenheimrente noch keine wirklich überzeugenden Lösungen. Unzureichende Beratung im Vertrieb kann - das haben die Erfahrungen der Vergangenheit hierzulande und anderswo, im Bausparen und bei anderen Anlageprodukten gelehrt - sehr schnell zum Imageschaden des Produzenten oder der gesamten Branche werden. L. H.

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