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Kommunikation in der Architektur: Kinder als Bauherren

Nicht ungewöhnlich ist die folgende Situation: Die Kundin möchte eine neue Frisur und beschreibt ihrem Friseur ungefähr, wie sie sich ihr Haar künftig vorstellt. Peppig solle es sein, aber auch dem Alter angemessen, und natürlich solle das Gesicht da betont werden, wo es betonungswürdig ist. Der Friseur nickt, fasst ihren Wunsch sicherheitshalber noch einmal mit seinen Worten zusammen: Effilieren und stumpf schneiden ist sein Plan. Als er fertig ist, denkt sie: "Irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt."

Dies soll keine Diskreditierung des Friseurhandwerks darstellen, sondern ein Beispiel für alltägliche Kommunikationsbarrieren sein. Auf der einen Seite ein mehr oder weniger vorgebildeter Laie (die zu frisierende Person). Er ist derjenige, der den Auftrag vergibt und die Leistung beschreibt, die ein Profi (der Friseur) erbringen soll. Beide bringen in den meisten Fällen einen komplett anderen fachlichen und sprachlichen Hintergrund mit.

Kommunikationsbarrieren gibt es in vielen Bereichen - so auch zwischen privaten Bauherren und Architekten. Der private Hausbau ist in Deutschland in der Regel ein einmaliges Ereignis - es gibt nur wenige Menschen, die in ihrem Leben mehrere Häuser bauen. Folglich gibt es auch nur wenige private Bauherren, die über Erfahrung im Bau verfügen. Wenn ein solcher Bauherr seine Wünsche und Ziele formuliert, wie versteht ihn dann der Architekt? In vielen Fällen können sich Architekten in ihr Gegenüber hineindenken (so wie natürlich viele Friseure auch). In manchen Fällen aber eben auch nicht. Gerade wenn es um Gefühle, um die Emotion des künftigen Raums geht, die sich ein Bauherr wünscht, ist dies kommunikativ nicht immer leicht zu vermitteln - und für den Architekten entsprechend schwierig umzusetzen.

Dass Architekten selbst ungewöhnliche Wohnwünsche abseits der Norm umsetzen können, die zudem von völlig unerfahrenen Bauherren vorgetragen werden, zeigt das Projekt "Building Blocks", das Anfang November 2012 abgeschlossen wurde. Dabei handelt es sich um ein Architekturprojekt der schwedischen Botschaft, das von NCC gesponsert und unter anderem von den Baupiloten inhaltlich unterstützt wurde.

Bei Building Blocks fungierten Kinder als Bauherren - und ihrer Kreativität waren keine Grenzen gesetzt. Gemeinsam mit Berliner Architekten sprachen sie über ihre Visionen und Vorstellungen vom idealen Haus.

Die Machbarkeit ihrer Wünsche spielte dabei zunächst keine Rolle. Vielmehr ging es darum, alte Verfahrensweisen aufzubrechen und neue Denkmöglichkeiten zu entwickeln. Erst in einem nächsten Schritt interpretierten die Architekten das Traumhaus der Kinder und erarbeiteten einen möglichst ideennahen, aber realisierbaren Entwurf. Die Realisierbarkeit war wichtig, denn NCC hat die Entwürfe in Modellhäusern auf rund 14 Quadratmetern Grundfläche Wirklichkeit werden lassen. Die Bauten wurden anschließend als Teil einer Ausstellung öffentlich zugänglich gemacht.

Die "Atmosphäre" des Hauses: Bestandteil der Architektur

Eine der Bauherren-Gruppen bestand aus Schülerinnen des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Berlin-Neukölln. Ihr Haus "Blickfänger", das im Wesentlichen aus gemütlich-verwinkelten Ruhe- und Aufenthaltszonen besteht, soll nach der Ausstellung dauerhaft auf einem öffentlichen Platz vor dem Schulgebäude stehen. Von Anfang an hatten die Schüler die Idee, einen einladenden Rückzugsraum "zum Quatschen" zu schaffen.

Der erste Schritt zur Umsetzung dieses Vorhabens: Die Mädchen fertigten Modelle und Collagen an. Dabei schränkten sie keinerlei Vorgaben ein. Es zählte einzig die Atmosphäre ihres Traumhauses: Wie fühlt sich dieser bequeme Ort an? Wo ist er hart, wo weich? Ist er offen oder geschlossen? Wo wirkt er kühl, wo feurig?

Ziel der Modelle und Collagen war es, herauszufinden, welche Gefühle ihr Wunschort ausdrücken sollte. Eine solche Herangehensweise an ein geplantes Bauprojekt lässt sich - möglicherweise etwas weniger spielerisch - durchaus auch auf die Zusammenarbeit mit erwachsenen Bauherren übertragen. Denn auch sie sind oftmals mit den Begrifflichkeiten der Architektur nicht vertraut. Umso wichtiger ist es, dass Experten und Laien eine gemeinsame Sprache finden. Die Beschäftigung mit der Atmosphäre eines geplanten Hauses über Collagen ist hier ein gangbarer Weg, sich über Raumqualität auszutauschen.

Erster Entwurf mit wenig Anklang

Ebenso wichtig ist es jedoch, dass der Architekt den Visionen der Bauherren ehrliches Interesse entgegenbringt - und sich dafür gegebenenfalls auch mit seinem fachlichen Input zurückhält. Beim erwähnten "Blickfänger" beispielsweise gab es rege Diskussionen über den ersten architektonischen Entwurf. Denn der erste Versuch, die Vorstellungen der Mädchen in Architektur zu gießen, fand nicht nur Anklang bei den jugendlichen Bauherren.

Der Entwurf wurde zwar nicht völlig auseinandergenommen, wie es so schön heißt, aber die Schülerinnen machten deutlich, dass die Architekten ihre Vorstellungen noch nicht in allen Details getroffen hatten. Die Architekten sprachen mit den Bauherren über die Punkte, bei denen sich die Jugendlichen falsch verstanden fühlten, und überarbeiteten im engen Dialog den Entwurf. Er kam dann auch schon deutlich besser an.

Es ist leicht, Architekturlaien professionell anmutende Computergrafiken zu präsentieren, Grundrisse auf den Tisch zu legen, Kataloge von Einrichtungsgegenständen zu wälzen oder Muster zu präsentieren. Es ist jedoch schwer, gemeinsam das Gefühl für einen neu zu erschaffenden Raum - im wahrsten Sinne des Wortes - zu begreifen. Das Projekt Building Blocks zeigt, wie eine gemeinsame Sprache für abstrakte Gegebenheiten wie Atmosphäre gefunden werden kann. Spielerisch, durch Collagen, frei von Denkzwängen oder möglichen baulichen oder wirtschaftlichen Beschränkungen. Wichtig ist, dass sich beide Seiten - Bauherr und Architekt - gegenseitig Respekt zollen, das Spielerische zulassen und offen sind für neue Wege.

Die Offenheit für Neues kann letztlich auch auf weitere Bereiche übertragen werden - zum Beispiel auf die Wirtschaft. Jeder von uns kennt das Gefühl: Gefangen im Tagesgeschäft, unterwerfen wir uns freiwillig zahlreichen Sach- und Fachzwängen. Bevor wir weiterdenken, unterliegen wir einer Art Selbstzensur. Das eine ist wirtschaftlich nicht machbar, das andere nimmt der Markt nicht an, und das Dritte hat noch nie jemand gemacht. Auch NCC unterwirft sich freiwillig bestimmten Zwängen, beispielsweise bewegt sich das Unternehmen bewusst in einem relativ kleinen Rahmen unterschiedlicher Bautypen. Um kostengünstig Wohnraum für Familien zu schaffen, aber dennoch qualitativ hochwertig bauen zu können, greift das Unternehmen auf eine Art Baukastensystem ähnlicher Lösungen zurück, die sich in der Praxis bewährt haben. Aber auch für hier gilt: Jedes System, so gut es momentan funktioniert, muss durch neue Impulse weiterentwickelt werden. Die Arbeit der Kinder zeigt, wie auf erfrischende, unkonventionelle Weise unabhängig von Marktmoden und dem allgemein Akzeptierten Neues entstehen kann. Dies sollte Ansporn auch für Erwachsene sein.

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