Immobiliendaten

Lehren aus der Fondskrise: mehr Markteffizienz durch Transparenz

Keinem Menschen des Mittelalters war bewusst, dass er im Mittelalter lebt. Geschweige denn erlebte er bewusst das Ende des Mittelalters und den Übergang in die Neuzeit. Wie denn auch - befinden doch erst die nachfolgenden Generationen mit dem Blick zurück über solche Übergänge. Zumeist machen sie Umbrüche dabei an einem epochalen Ereignis fest. Und es ist durchaus möglich, dass zukünftige Generationen in der heutigen Zeit, also der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts, einen solchen epochalen Umbruch sehen - und hier den Beginn eines neuen Zeitalters festmachen: das Zeitalter der Transparenz. Das Informationszeitalter, in dem wir seit ungefähr 20 Jahren leben, hätte dann sein Ende gefunden beziehungsweise hätte sich zum besagten Zeitalter der Transparenz weiterentwickelt.

Dass der Begriff der Transparenz momentan eine Hochkonjunktur erlebt, geht dabei selbst auf eine Art epochales Ereignis zurück: auf die Finanzkrise von 2008. In der Folge wird - wenngleich auch eher im Stillen oder von kleineren akademischen Zirkeln - konstatiert, dass die gängigen Wirtschaftsmodelle ausgedient haben. Denn die Modelle, die fast 200 Jahre das Gerüst der Ökonomie begründeten und eine Klammer des Wissens und Handelns bildeten, scheinen keine Antworten mehr zu geben auf das, was heute gefordert wird: eine ausreichende Risikobeherrschung.

Modelle mit Gleichgewichtsbedingungen seien nicht mehr adäquat, so die Verfechter der neuen Markttransparenz. Ein Plus und ein Mehr an Information - so scheint es - ist der Schlüssel zu mehr Systemstabilität. In diesem Ruf nach mehr Transparenz wird die vielzitierte Vertrauenskrise sichtbar. Denn Vertrauen ist eine Gratwanderung zwischen Wissen und Nichtwissen - erst Vertrauen ermöglicht eine Entscheidung oder Investition trotz Nichtwissens in bestimmten Teilgebieten.

Erste Fortschritte

Auch Investitionen in Immobilien sind immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. Umfangreiches, lückenloses und transparentes Wissen über die jeweiligen Teilimmobilienmärkte, in die investiert werden soll, war in Deutschland bislang ein Traum. Sicherlich sind viele andere Märkte noch deutlich intransparenter als Deutschland. Bis zu einem gewissen Level muss aber eben auch in Deutschland mit Nichtwissen gelebt werden.

Folglich wird in der deutschen Immobilienwirtschaft die Forderung nach mehr Transparenz seit einiger Zeit immer lauter. Dabei sind durchaus Fortschritte festzustellen: Aufbauend auf der Transparenzidee der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) vor 20 Jahren hat es eine Reihe erfreulicher Entwicklungen gegeben. Jüngstes Beispiel ist die Transaktionsdatenbank des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), die einen ersten Schritt hin zu einer öffentlichen Datenbank darstellt.

Gänzlich neu ist das Sammeln von Daten im Übrigen nicht: Vor allem im Bezahlbereich ging die Entwicklung beachtlich schnell vonstatten - zumindest verglichen mit dem Feld, in dem Informationen und Daten kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Unabhängig davon, ob für Daten bezahlt werden muss oder nicht, gibt es ein erhebliches Transparenzgefälle zwischen den großen fünf Immobilienhochburgen und den restlichen rund 70 B- und C-Standorten. Immobiliendeutschland ist also noch immer ein eher semitransparentes Immobilieninformationsland.

Und Deutschland krankt nach wie vor daran, dass einer Veröffentlichung von Daten mannigfaltige individuelle Gründe entgegenstehen. Sie sind rechtlicher Art ("Die Parteien beschließen Stillschweigen"), fußen auf Ignoranz ("Was habe ich davon, wenn ich die Daten herausgebe?") oder auf Geheimniskrämerei ("Das ist mein Wissen! "). Häufig wird auch (falsch verstandener) Datenschutz als Grund bemüht. Nun sind die einzelnen Motive singulär nicht von der Hand zu weisen.

Warum sollte einer seine Datensätze an jemanden herausgeben, der diese Informationen sammelt - und dem im Extremfall sogar noch etwas dafür bezahlt werden muss, um die eigenen Daten als Teil einer Benchmark zurückzuerhalten? An dieser Denkhaltung beißen sich professionelle Anbieter von Immobiliendatenbanken und-indizes seit Jahren die Zähne aus. Vielen Marktteilnehmern ist der Preis für solche Dienste in Relation zum erhofften unmittelbaren Wettbewerbsvorteil zu hoch.

Warum tut man sich in Deutschland so schwer, den Kaufpreis oder - noch schlimmer - den Verkaufspreis seines Einfamilienhauses zu benennen? Warum sind es bisher nur einige wenige, die zum Beispiel die Ankaufsrenditen öffentlich zugänglichen Datenbanken zur Verfügung stellen? Die Marktteilnehmer sind letztlich alle vermeintlich rational, sie alle sind studierte Entscheider, die wissen, dass das System nur durch ein Mehr an Information an Stabilität gewinnt zum Nutzen aller.

Systemischer Zwang

Die notwendige Markttransparenz erhöht die Effizienz - dies sei durchaus als ökonomischer Imperativ verstanden.

Umfassende Transparenz birgt dabei aber auch einen systemischen Zwang, denn sie beschleunigt letztlich die Entwicklungen an den Immobilienmärkten. Ein Exempel hierzu liefert die Produktklasse der Offenen Immobilienpublikumsfonds. Dabei handelt es sich geradezu um ein Paradebeispiel dafür, wie transparente und dynamische Echtzeitinformationen (Mittelzu- und Abflüsse), die auf statische Einmal-Informationen treffen (Objektbewertung einmal pro Jahr) eine Entwicklung hervorrufen, die fast die Hälfte der Produktklasse mit der Kraft einer Lawine unter sich begräbt. In den kommenden Jahren wird sich die Immobilienbranche einem grundlegenden Wandel unterziehen müssen. Institutionelle Investoren und vermögende Private, die direkt oder indirekt in Immobilien investieren, wünschen sich eine fundierte Datengrundlage und Vergleichswerte als Basis für ihre Entscheidung. Die Klasse der Geheimniskrämer wird hier erhebliche Probleme haben, am Markt zu bestehen.

Nur solche Teilnehmer, die für ausreichend Transparenz und Informationsabdeckung sorgen und diese Informationen auch nahezu in Echtzeit liefern, gewinnen den Kunden - sei es in wohnungswirtschaftlichen oder gewerblichen Immobilienmarktsegmenten. Mehr noch. Transparenz wird eine Voraussetzung, um überhaupt auf das Radar der Käufer beziehungsweise Investoren zu kommen.

Fakt ist: Echtzeitdaten gibt es in der Immobilienwirtschaft bisher nicht. Publizierte Daten haben einen historischen Charakter - mal mehr (beispielsweise bei jährlichen Marktberichten), mal weniger (bei vierteljährlichen Publikationen). Dies wird sich jedoch im Sinne eines Zeitalters der Transparenz zumindest teilweise ändern. Im Mehr und im Meer an Informationen, das in den kommenden Jahren in und an den Immobilienmärkten erwartet werden darf, wird sich der Wettbewerb vor allem über die dahinterliegenden Datenbanken definieren. Dabei sollten die gemeinsamen Anstrengungen in den kommenden Jahren zum einen auf Freiwilligkeit, zum anderen auf einer möglichst breiten und aktuellen Marktabdeckung fußen - nach dem Motto: weniger Frankfurt - mehr Freiburg, und wenn schon nicht tagesaktuell, so doch bitte so schnell wie möglich.

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