Prozessoptimierung

Loan Brokerage und Packaging als Reaktion auf Marktveränderungen

In europäischen Finanzmärkten wie den Niederlanden oder England schon lange etabliert, rückt mit zunehmender Aufgliederung der Wertschöpfungskette auch in Deutschland das Geschäftsmodell des Packagers ins Blickfeld von Finanzvertrieben und Produktgebern. Seit dem 2. Quartal 2008 wird über den B2B-Marktplatz Europace der Hypoport AG erstmals in Deutschland ein "Packaging" von Baufinanzierungsdarlehen angeboten.

Beschleunigte strukturelle Veränderungen

Stand das deutsche Kreditgewerbe schon vor Beginn der weltweiten Finanzkrise unter einem hohen Margendruck, verschärft die anhaltende Kreditkrise die Markt- und Rahmenbedingungen des Aktivgeschäftes. Anbieter ohne nennenswertes Einlagengeschäft trifft die faktische Einschränkung an Refinanzierungsmöglichkeiten besonders hart.

Der zusammengebrochene Verbriefungsmarkt unterbindet die Weiterreichung von Risiken (synthetische Verbriefung) oder Portfolios (True Sale) an die Kapitalmärkte respektive die Gewinnung von Liquidität. Gleichzeitig reduzieren hohe Abschreibungen das Eigenkapital und schränken die Möglichkeiten der Kreditvergabe, insbesondere mit Blick auf die geforderten Kernkapitalquoten der Kreditinstitute, drastisch ein.

Die weltweiten Erschütterungen der Finanzmärkte zeigen aber auch die strukturellen und strategischen Defizite der deutschen Kreditwirtschaft. Was sich in der Industrie vor dem Hintergrund eines globalen Wettbewerbs auf breiter Front durchgesetzt hat das Auslagern von Prozessen und die damit einhergehende Verringerung der Fertigungstiefe - steht der deutschen Kreditwirtschaft erst noch bevor.

Liegt beispielsweise der Wertschöpfungsanteil der Automobilindustrie bei rund 25 Prozent, befinden sich die deutschen Banken mit einem Niveau von 80 bis 90 Prozent immer noch in einem sehr frühen Stadium der Industrialisierung1). Rolf-Ernst Breuer, damals Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, konstatierte bereits auf der Handelsblatt-Jahrestagung 2003: "Die Banken befinden sich heute dort, wo die Autoindustrie vor 20 Jahren war. Produktion, Vertrieb und Abwicklung müssen nicht in einem Haus zusammen betrieben werden".2)

Modellierung der Geschäftsmodelle - Vertriebs- und Produktionsbank

Der Druck zum Überdenken der strategischen Wertschöpfung resultiert neben Kostenüberlegungen vor allem aus den Vertriebsergebnissen. Auf Grundlage einer empirischen Studie des E-Finance Lab Frankfurt ("Kredit-prozess-Management") mit den größten 519 deutschen Kreditinstituten, sehen zwar neun von zehn Banken ihre Zukunft im Vertrieb, deren Vertriebsmitarbeiter verbringen aber weniger als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit ihren Kunden; ein Drittel der Institute kennt noch nicht einmal den Anteil der gewinnbringenden Kundenbeziehungen.3) Von den Vertriebsdefiziten profitierten in den letzten Jahren vor allem die Finanzvertriebe und B2C-Plattformen, deren Anteil am Neugeschäft in einem insgesamt stagnierenden Markt stetig stieg.

Wie lohnend ist das Privatkundengeschäft noch?

Abgesehen von Wettbewerbsstrukturen und Standardeinzelkosten in der Kreditbearbeitung bleibt seit Beginn der Finanzkrise bei jedem Abschluss die Frage, ob sich die Bank unter Liquiditäts- und Risikoaspekten die Einzelfinanzierung überhaupt noch leisten kann beziehungsweise unter Betrachtung der Marge leisten will.

Über die gängige Opportunitätsbetrachtung nach der Marktzinsmethode hinaus wird hier längst nicht mehr nur die Vorteilhaftigkeit des Individualgeschäftes gegenüber einer Anlage am Geld- und Kapitalmarkt betrachtet, sondern auch die alternative Vermittlung des Immobiliendarlehens an ein anderes Institut geprüft. Neben der aktuell prioritären Schonung von Eigenkapital wird vor allem die risikofreie "up front"-Provision aus der Darlehensvermittlung gegenüber der eigenen Zinsmarge - nach Abzug von Bearbeitungs-, Risiko- und Kapitalkosten - abgewogen.

"Loan Brokerage" - Zuwächse durch die Finanzkrise

Bereits seit 2001 bringt Hypoport als Betreiber des B2B-Finanzmarktplatzes Europace Finanzvertriebe und Produktanbieter in Deutschland zusammen beziehungsweise gleicht transaktionsorientiert Angebot und Nachfrage im Vermittlungsbereich aus. Mittlerweile werden jährlich mehr als zehn Prozent aller Immobiliendarlehen in Deutschland über die Plattform abgewickelt.

Die Attraktivität der unabhängigen Transaktionsplattform ist dabei selbst im "Annus horribilis" der Kreditwirtschaft ungebrochen. Im dritten Quartal 2008 konnte mit annähernd 3,5 Milliarden Euro ein neuer Transaktionsrekord erzielt werden. Dank der variablen Platzierung von Darlehen nutzen immer mehr Kreditinstitute die Plattform zur Arrondierung oder Abgabe von Darlehensvolumina. Analog zum Fonds- oder Versicherungsgeschäft gehen viele Darlehensgeber dazu über, Baufinanzierungen in Abhängigkeit von Risikoprofil und Marge an Institute außerhalb des Konzerns/Verbunds zu vermitteln.

Kostensenkung im Vermittlungsbereich

Europace wird über institutionelle Nutzer hinaus vor allem von Finanzvertrieben genutzt, die sich dadurch den Aufbau eigener Systeme oder Schnittstellen zu den Produktgebern sparen. Umgekehrt gilt das auch für die Produktgeber. Über die systemische Abwicklung hinaus verbleiben aber die fachlichen und inhaltlichen Anforderungen an das vermittelte Geschäft.

Die unterschiedlichen Kreditrichtlinien und Bearbeitungsprozesse der Institute sowie eine Vielzahl an Substrukturen bei Finanzvermittlern erfordern daher eine laufende Qualifizierung der Darlehensanfragen sowie eine Kontrolle der Konversionsquoten. Daneben müssen auch so banale aber wichtige Fragestellungen wie Provisionsvergütung oder Mindeststandards der Bearbeitung (Service Level Agreements) geklärt werden.

Deutsche Banken begegnen den Herausforderungen im Vermittlungsbereich üblicherweise mit dem Aufbau einer eigenen Vertriebspartner-Betreuung

(Key Account Manager) sowie speziellen Bearbeitungsteams (Back Office) in der Kreditabteilung. Dadurch entstehen unabhängig von den vermittelten Volumina - nicht nur zusätzliche Fixkosten, sondern über abweichende Arbeitsprozesse auch Komplexitätskosten.

Ein Paket voller kompatibler Darlehen

Insbesondere in den angelsächsisch geprägten Ländern mit hohem Vermittlungsanteil haben sich daher sogenannte Packager im Markt etabliert. Diese bündeln die Darlehen vieler Finanzvertriebe oder von Independent Financial Advisors (IFA), bereiten sie qualitativ für die folgende Kreditentscheidung auf und reichen sie in vorqualifizierten Paketen an "darlehenskompatible" Partnerbanken weiter.

Als Clearingstelle übernehmen Packager zusätzlich Prüfungs- und Kontrollfunktionen, sodass nur voll dokumentierte und plausibilitätsgeprüfte Anträge bei der Partnerbank eingereicht werden. Durch die vorkonfektionierten Darlehen vermeidet der Darlehensgeber die Kosten einer eigenen Partnerbetreuung und kann sich in der Bearbeitung auf einen Arbeitsprozess konzentrieren, sprich: auch im Vermittlungsbereich die Standard-Einzelkosten niedrig halten.

Hypoport konnte in den letzten Jahren Transaktionserfahrungen aus mehr als 500 bilateralen Geschäftsbeziehungen externer Partner (Finanzvertriebe und Produktgeber) sammeln.

Premiere in Deutschland

Basierend auf den technischen Möglichkeiten der Europace-Plattform und der gesammelten Partnerexpertise lag es nahe, erstmals in Deutschland transaktionsbasierte "Packaging"-Leistungen anzubieten. Kernleistungen für Banken sind dabei insbesondere

- die vertriebsunabhängige Aufbereitung der Darlehensanfragen entsprechend den vorgegebenen Arbeitsprozessen und Annahmerichtlinien des Bankpartners,

- der Aufbau qualitätsbasierter Partnerratings auf Basis des bei verschiedenen Banken eingereichten Geschäfts (risikoadjustierte Provisions- und Konditionsgestaltung),

- die Vorbereitung der Kreditentscheidung,

- die Sicherstellung individuell vereinbarter Service Level Agreements (SLA) und

- die Ansprache, Verwaltung, Betreuung und gegebenenfalls auch Qualifizierung (Hypoport Academy) bestehender und neuer Vertriebspartner.

Die Vergütung der Leistungen erfolgt dabei vollkommen variabel, sprich transaktionsbezogen über die Plattform, und beträgt im Regelfall zwei Basispunkte, die über den Zinseinstand vollständig weitergegeben werden können. Zwar werden in Deutschland die meisten Baufinanzierungen noch immer stationär in den Bankfilialen abgeschlossen, der Vermittlungsanteil des mobilen und internetgestützten Vertriebs steigt jedoch auch in der Königsdisziplin des Privatkundengeschäftes stetig an.

Filialbanken weiter unter Druck

Nach Prognosen von Booz Allan Hamilton wird der Gesamtmarkt bis zum Jahr 2010 stagnieren (nach einer Consart Studie bis 2015 sogar deutlich zurückgehen4)), während die unabhängigen Vermittler bis zu 25 Prozent Marktanteil gewinnen könnten - hauptsächlich zu Lasten der Filialbanken.5)

Nach einer Untersuchung der Fachhochschule München könnte der Marktanteil der Filialbanken bis 2010 sogar auf bis zu 50 Prozent sinken.6) Die Bedeutung des Vermittlungsgeschäftes für die Banken - sowohl als Produktgeber als auch als Darlehensvermittler - wird daher in Zukunft eine deutlich höhere Rolle spielen als bisher.

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