MIPIM Special

Die Logistikimmobilie der Zukunft

Laut Fraunhofer1) lässt sich der gesamte Logistikimmobilienbestand in Deutschland auf etwa 330 Millionen Quadratmeter (plus/minus zehn Prozent) beziffern. Allein 2011 betrug der Flächenumsatz 5,86 Millionen Quadratmeter.2) Das Jahr war damit eindeutig ein Rekordjahr. Fast vergessen ist der katastrophale Einbruch im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und 2009 - aber eben auch nur fast.

Die Krise hat den Logistikimmobilienmarkt nachhaltig verändert. Spekulatives Bauen ist nahezu zum Erliegen gekommen, sodass ohne Vorvermietung in der Neubauentwicklung nichts mehr läuft. Erschwerend kommt hinzu, dass Banken eine restriktivere Finanzierungspolitik verfolgen. Dem gegenüber steht ein nach wie vor starker Flächenbedarf und damit die Tendenz zur Flächenknappheit, vor allem in den Ballungsgebieten. Die Frage nach der Logistikimmobilie der Zukunft ist deshalb auch eine Frage nach dem Logistikimmobilienmarkt der Zukunft.

Wie muss die perfekte Logistikimmobilie sein? Die Antwort darauf fällt unterschiedlich aus - es kommt darauf an, wen man fragt: den Nutzer oder den Investor. Aus Investorensicht sind Projekte mit möglichst langer Vertragslaufzeit in attraktiver Lage, mit guter Bonität des Mieters und mit einem klaren Risikoprofil interessant. Ein Nutzer hingegen möchte kostengünstig mieten und in der Regel eher kürzere Mietverträge abschließen, um flexibel zu sein. Was die baulichen und technischen Ansprüche angeht, so sind sich Nutzer und Investoren hingegen weitgehend einig. Denn Letzteren ist völlig klar, dass ein Unternehmen nur dann eine Logistikimmobilie bezieht, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllt.

Das betrifft beispielsweise die Menge an Toren, die Bodenbelastbarkeit oder die Höhe der Halle. Viele in Deutschland verfügbare Bestandsimmobilien erfüllen diese Kriterien jedoch nicht. Der Flächenbedarf lässt sich faktisch nur über Neubauentwicklungen abdecken.

Build to suit - der Trend auch in Zukunft

Wenn schon bauen, dann bitte auch maßgeschneidert auf die individuellen Anforderungen angepasst - das ist das Credo im Bereich Neubauentwicklung. Die Vorzüge der Build-to-suit-Objekte liegen in jedem Fall auf der Hand: Ob Verteilzentrum, Produktionsversorgung oder Zentrallager - die Logistikimmobilie entsteht anhand der logistischen Prozesse und der einzelnen Aufgabenstellung des Nutzers. Vor allem für spezialisierte Logistikdienstleister oder Handesunternehmen bietet diese Form der Logistikimmobilie einen Mehrwert für ihr Kerngeschäft.

Dazu ein Beispiel: E-Commerce und Automobilindustrie sind derzeit die zwei Branchen, aus denen besonders viele Flächen nachgefragt werden. Unternehmen aus dem E-Commerce-Bereich wollen heute aufgrund von neuen Dienstleistungskonzepten wie beispielsweise Same-Day-Delivery möglichst nahe an ihre Endkunden heran. Das bedeutet eine dezentrale Logistikstruktur mit mehreren Lagern.

Die zweite wichtige Herausforderung ist, möglichst alle Produkte jederzeit vorrätig zu haben. Das wirkt sich auf die erforderliche Lagerfläche aus - sie muss entsprechend groß sein. Bestes Beispiel hierfür ist der Internetversandhändler Amazon, der aktuell zwei weitere Lager mit je etwa 110000 Quadratmetern in Deutschland entwickeln lässt.

In der Automobilindustrie hingegen gibt es einen starken Trend zur externen Vergabe der Produktionslogistik. Das heißt, Logistikdienstleister liefern die Fahrzeugteile taktgenau an das Band. Das macht eine räumliche Nähe zum Produktionswerk unbedingt notwendig. Neben der reinen Anlieferung von Fahrzeugteilen übernehmen die Kontraktlogistiker dabei auch zusätzliche Services und montieren zum Beispiel verschiedene Teile vor.

Wenn just in time oder just in sequence angeliefert werden muss, bedeutet das für den Dienstleister straffe Prozesse und eine schlanke Logistik. Für maximale Effizienz wird die Lagerhaltung auf ein Minimum reduziert. Die Fahrzeugteile werden terminiert angeliefert, bearbeitet und in die Produktion transportiert. Damit nutzt der Logistikdienstleister die vorhandene Lagerfläche sehr effizient, benötigt aber beispielsweise eine spezielle Seitenentladung in Tunnelbauweise, bei dem die An- und Ablieferung über eine Durchfahrt erfolgt.

Beide Beispiele verdeutlichen den wichtigsten Vorteil für den Nutzer eines Build-to-suit-Objekts: Der Neubau ist optimal an den individuellen Materialfluss angepasst. Das ist in der Regel in einer Bestandsimmobilie nicht möglich. Immobilienentwickler beziehungsweise -verwalter stellt das jedoch vor eine wichtige Herausforderung: Sie müssen sicherstellen, dass das Objekt trotz individueller Ausführung auch für einen nachfolgenden Nutzer geeignet ist. Bereits in der Planung muss dies entsprechend berücksichtigt werden, beispielsweise im Hinblick auf die künftige Teilbarkeit der Halle oder die Vorbereitung zukünftiger Andienungsbereiche.

Neben den reinen Entwicklungs- und Mietkosten spielt für Unternehmen die sogenannte zweite Miete - also die Betriebskosten - eine zunehmend wichtigere Rolle. Angesichts steigender Energiekosten müssen sich Logistikimmobilien der Zukunft auch energetisch weiterentwickeln. Teilweise sind die möglichen Maßnahmen noch zu teuer und unwirtschaftlich.

Insgesamt wächst jedoch das Portfolio, mit dem sich der Energieverbrauch respektive die Energiekosten positiv beeinflussen lassen: Fotovoltaik- oder Solaranlagen auf dem Dach, moderne Heizsysteme inklusive Nutzung regenerativer Brennstoffe, Maßnahmen zur Wärmerückgewinnung, Regenwassernutzung und vieles mehr.

Es sind jedoch auch die einfachen Mittel, die - richtig eingesetzt -, gute Effekte erzielen. Schon bei der Wahl des Baumaterials oder bei den Dämmstärken und dem Einbau von Lichtbändern kann der Energieverbrauch merklich gesenkt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Dichtigkeit der Gebäudehülle. Sie sollte nachweislich getestet werden.

Die zweite Miete sowie Nachhaltigkeit

Die Zukunft wird das CO[2]-neutrale Lager sein - als konsequentes Ergebnis einer Entwicklung, die sich in den letzten Jahren im Logistikimmobilienmarkt durchsetzt. Dazu tragen auch immer mehr Zertifizierungen bei. In Deutschland ist es allen voran die Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. (DGNB). Heute kommt kaum ein Neubau ohne Testierung aus. Zum einen verankern immer mehr Unternehmen das Umweltbewusstsein in konkreten Programmen, wozu auch Logistikimmobilien gehören. Zum anderen werden Zertifizierungen auch von Investoren gefordert, weil sie Transparenz schaffen.

Zertifikate leisten jedoch noch mehr als eine rein ökologische Betrachtung. Auch Maßnahmen zur ökonomischen, soziokulturellen und funktionalen Qualität sowie zur Standort- und Prozessqualität fließen in die Beurteilung ein. Damit werden Logistikimmobilien insgesamt nachhaltiger. Und das wiederum wirkt sich positiv auf die Bewertung durch Banken und Investoren aus.

Lage, Lage, Lage

Wenn man über Rahmenbedingungen des Logistikimmobilienmarkts spricht, hat die Standortfrage im Zuge der Krise 2008/2009 noch einmal an Gewicht gewonnen. Wurden zuvor durchaus noch Entwicklungen in abgelegeneren Lagen finanziert, konzentriert sich das Marktgeschehen heute mit wenigen Ausnahmen auf die ausgewiesenen Topstandorte.3) Diese Fokussierung hat in zweierlei Hinsicht Bedeutung: Auf der einen Seite wirkt sie sich maßgeblich auf die Vertragskonditionen bei Mietimmobilien aus. In sehr guten Lagen sind durch nachhaltige Nachfrage kürzere Laufzeiten möglich. Auf der anderen Seite führt die Konzentration jedoch auch dazu, dass in den Ballungsgebieten - allen voran Hamburg, Stuttgart und München - faktisch keine modernen Flächen mehr verfügbar sind.

Es gibt also kein Angebot zur Nachfrage. Vor allem Entwickler gehen verstärkt dazu über, bestehende Altliegenschaften aufzukaufen, gegebenenfalls zu arrondieren und neu zu bebauen. Auch Investoren konzentrieren sich auf die Topstandorte. Aufgrund des geringen Neubauvolumens der letzten Jahre ist eine intensivere Wettbewerbssituation entstanden. Dadurch ist weiter mit stabilen Kaufpreisen in den A-Lagen zu rechnen.

Mieten oder kaufen?

Derzeit halten sich Vermietungen und Eigennutzerdeals im Bereich Neuentwicklung die Waage. Nutzer prüfen hier gemäß ihren Anforderungen. Eine Logistikimmobilie zu mieten, hat mehrere Vorteile. Anstatt in den Bau des Objekts kann das Unternehmen in sein Kerngeschäft oder in entsprechende Technik investieren. Es wird kein Kapital für das Lager gebunden und mit dem Ablauf der Vertragslaufzeit enden alle Verpflichtungen. Ein weiterer Faktor: Der Projektentwickler puffert das Risiko im Hinblick auf die Finanzierung und die Realisierung ab.

Das Nadelöhr Finanzierung

Gegen Miete und für den Kauf beziehungsweise die Eigenentwicklung sprechen sich in Deutschland am ehesten Mittelständler aus. Grund ist neben einer langfristigen Bindung oft die strategische Entscheidung für einen bestimmten Standort. Und dieser ist es auch, der in vielen Fällen die Mietoption ausschließt, weil die Lage aus Entwicklersicht und mit Blick auf die Nachvermietbarkeit unattraktiv ist. Insgesamt überwiegen die Vorteile der Mietimmobilie, die sich insbesondere in den angelsächsischen Ländern weitestgehend durchgesetzt hat.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise

2008/2009 sowie die anschließende Eurokrise haben die Finanzierungspolitik der Banken entscheidend beeinflusst. Gestiegene Eigenkapitalanforderungen und der Vertrauensverlust der Banken untereinander sorgen für ein restriktiveres Verhalten. Deshalb ist für 2012 von einer weiteren Verschärfung der Anforderungen bei Finanzierungen auszugehen. Gerade für kleinere Projektentwickler und Unternehmen, die selbst bauen wollen, wird es schwieriger, eine annehmbare Finanzierung zu bekommen. Risikoaufschläge gehören mittlerweile zum festen Standard der Banken.

Spekulative Projekte werden kaum noch finanziert. Im Build-to-suit-Bereich müssen Entwickler gute vorvermietete Projekte in attraktiven Lagen vorweisen, um Banken zu überzeugen. Insgesamt gilt: Mit steigenden Kapitalmarktanforderungen legen Banken großen Wert auf eine hohe Immobilienqualität. Profiteure dieser Situation sind Anbieter, die über eine eigene starke Kapitalbasis verfügen und damit bankenunabhängig agieren können.

Verbindung der verschiedenen Ansprüche

Ein bisschen scheint es so, als wäre die Logistikimmobilie der Zukunft eine eierlegende Wollmilchsau - so unterschiedlich und teilweise auch unvereinbar sind die Anforderungen an sie. Aus Nutzersicht soll sie flexibel, maßgeschneidert und günstig im Bezug auf Miete und Betriebskosten sein. Aus Investoren- und Entwicklersicht soll sie an einem Topstandort angesiedelt sein, über einen Mieter mit guter Bonität verfügen und zertifiziert sowie nachhaltig im Bezug auf die Mietlaufzeit und die Nachvermietbarkeit sein.

Aus Entwicklerperspektive gesprochen: Gewinner in diesem Spannungsfeld wird sein, wer die unterschiedlichen Interessen bestmöglich verbindet und sich idealerweise bereits in den zurückliegenden Monaten Liquidität gesichert hat, um unabhängiger von Banken agieren zu können. Das positive Fazit ist, die Nachfrage nach modernen Logistikflächen ist da, sodass die Finanzierungsfrage für die meisten Entwickler das dringlichste Thema sein wird.

Fußnoten

1) Vergleiche Studie "Logistikimmobilien - Markt und Standorte 2011".

2) Vergleiche Jones Lang Lasalle.

3) Vergleiche Fraunhofer Studie "Logistikimmobilien - Markt und Standorte 2011", Intensitätskarte (Seite 74): Berlin/Brandenburg, Bremen, Donau, Duisburg/Niederrhein, Erfurt, Hamburg, Hannover, Kölner Bucht, Leipzig/Halle, "Mitte D", München, Münster/Osnabrück, Nürnberg, Oberrhein, Östliches Ruhrgebiet, Rhein-Main, Rhein-Neckar, Saarland, Schwaben, Stuttgart.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X