Schwerpunkt: Bewertungsfragen

Mangelhafte Transparenz bei Immobilien-Aktiengesellschaften

Die Transparenz bei Immobilienaktien ist enttäuschend gering. Im Schnitt lag die Transparenzkennzahl aller Immo-bilien-Aktiengesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Basis des ersten Transparenz-Ratings durch Feri nur bei 36 Prozent. Dabei täuschen die Rating-Ergebnisse der drei transparentesten Gesellschaften über den durchschnittlichen Transparenzgrad aller Immobilien-Aktiengesellschaften hinweg. Der erste Platz ging mit 72 Prozent an Polis Immobilien, Fair Value REIT erreichte mit 67 Prozent den zweiten Rang. Alstria Office REIT folgte mit 54 Prozent. Das Schlusslicht unter den 29 von Feri untersuchten Unternehmen ist die Dibag Industriebau mit einem Transparenzerreichungsgrad von 15 Prozent.

Große Spannbreite

Der Abstand zwischen den Unternehmen auf dem ersten und dem letzten Rang ist in Deutschland erstaunlich groß. Während die Spannbreite bei den deutschen Immobilien-Aktiengesellschaften rund 57 Prozentpunkte beträgt, sind es in Österreich lediglich rund 16 und in der Schweiz sogar nur zehn. In der Schweiz ist die Züblin Immobilien Holding mit 51 Prozent in Sachen Transparenz führend. In Österreich schließlich steht die Conwert Immobilien Invest mit 41 Prozent an der Spitze. Im Ländervergleich fällt auf, dass in der Schweiz die Transparenz im Schnitt mit 46 Prozent höher ist als in Deutschland (35 Prozent). In Österreich dagegen liegt die Transparenzkennzahl im Schnitt nur bei rund 30 Prozent.

In den vergangenen Monaten wurde immer wieder diskutiert, ob die Immobilienbestände der Immobilien-Aktiengesellschaften fair bewertet sind. Dies ist ein Indiz dafür, dass Anleger und Analysten die Wertzuschreibungen bei den Immobilienportfolios oft nicht nachvollziehen können oder wollen. Letztlich sind die deutlichen Kursverluste aus dem vergangenen Jahr auch auf fehlendes Vertrauen und Intransparenz zurückzuführen. Um für Anleger mehr Klarheit zu schaffen, hat Feri Rating & Research das Feri-Transparenz-Rating für Immobilien-Aktiengesellschaften ins Leben gerufen. Dabei wurden die Geschäftsberichte von börsennotierten Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ab einer Marktkapitalisierung von 50 Millionen Euro ausgewertet. Im Fokus stehen Unternehmen, deren Erträge in der Regel zu mehr als 50 Prozent aus Mieteinnahmen bestehen.

Die aktuelle Debatte um mehr Transparenz bei den Immobilien-Aktiengesellschaften zeigt deutliche Parallelen zur Situation der Offenen Immobilienfonds in Deutschland vor einigen Jahren, als Analysten sogenannte Einwertungsgewinne kritisierten und den Gutachtern ein sehr elastisches Ausreizen von Bewertungsspielräumen vorwarfen. Damals hatten die Fondsanbieter sich gegen mehr Transparenz vor allem auf Einzelobjektebene gewehrt und unter anderem argumentiert, der Ausweis von Einzelverkehrswerten schwäche ihre Verhandlungsposition beim Verkauf der Immobilien und schädige damit die Anleger. Dennoch hatten Analysten vehement mehr Transparenz gefordert, um einen Kapitalmarktstandard zu erreichen, den nun ausgerechnet die Immobilien-Aktiengesellschaften häufig nicht zu erfüllen scheinen.

Die Immobilien-Aktiengesellschaften sollten aus den Fehlern der Offenen Immobilienfonds, die damals letztlich in einer Krise gipfelten, lernen. Die Reaktionen auf das Transparenz-Rating und die Versuche der Gesellschaften, fehlende Daten über Einzelobjekte zu begründen, erinnern an die Argumentation, die von den Offenen Immobilienfonds über viele Jahre vertreten wurde. Zu den Argumenten gehört beispielsweise die Unterstellung, dass Investoren an Details auf Einzelobjektebene sowieso nicht interessiert seien und dass Analysten häufig schlicht die Zeit fehle, so viele Daten überhaupt zu verarbeiten. Die Immobili-en-Aktiengesellschaften sind gut beraten, eine solche Diskussion im eigenen Interesse gar nicht erst zu beginnen. Vertrauen entsteht immer nur durch Offenheit. Im Immobiliengeschäft geschieht dies konkret durch die Offenlegung der wesentlichen Parameter der Immobilienbewertung, damit diese von unabhängigen Analysten und kritischen Anlegern nachvollzogen werden können.

Lehren aus der Fonds-Krise

Der Kapitalmarkt fordert stets ein Höchstmaß an Transparenz und bestraft deren Fehlen mit entsprechenden Risikoabschlägen. Dies ist in der jüngsten Vergangenheit bei einigen deutschen Immobilien-Aktiengesellschaften geschehen. Alle gerateten Gesellschaften im deutschsprachigen Raum sind 2006 im Schnitt 14 Prozent über dem Nettosubstanzwert (NAV) gehandelt worden, 2007 rund 17 Prozent darunter. Während die Unternehmen zahlreiche Informationen über den Fremdfinanzierungsanteil, zu lang- und kurzfristigen Krediten und möglichen Währungsrisiken veröffentlichen, fehlt es beim Immobilienbestand häufig an Transparenz. Genau diese Informationen sind jedoch notwendig, um den Unternehmenswert zu plausibilisieren, der sich bei Immobilien-Bestandshaltern eben größtenteils über die gehaltenen Immobilien definiert. Ein Blick in die Geschäftsberichte börsennotierter Immobilienunternehmen genügt, um festzustellen, dass die Transparenz auf Portfolio- und erst recht auf Einzelobjektebene oft deutlich zu wünschen übrig lässt.

Zahlreiche Immobilien-Aktiengesellschaften verzichten teilweise oder komplett darauf, Einzelverkehrswerte, Mieteinnahmen, Annahmen zu nachhaltigen Mieterträgen und Vermietungsquoten zu veröffentlichen. Damit unterscheiden sie sich wesentlich von Offenen Immobilienfonds, die seit einigen Jahren deutlich transparenter auftreten. Nach dem Feri-Transparenz-Rating liegt die Transparenzkennzahl für die Offenen Immobilienfonds, bei denen sich inzwischen ein Standard herausgebildet hat, bei etwa 62 Prozent, die der deutschen Immobilien-Aktiengesellschaften im Schnitt jedoch 27 Prozentpunkte niedriger.

Schwerpunkt auf Einzelobjektebene

Das Feri-Transparenz-Rating besteht aus drei Bewertungsbereichen: Zu 75 Prozent wird die Kennzahl durch die Transparenz bei der Vermögenssituation (Anlage- und Umlaufvermögen) beeinflusst. Die beiden anderen Komponenten sind das Fremdkapital und die Berechnung des Nettosubstanzwerts. Insgesamt fließen 230 Einzelkriterien in die Berechnung der Transparenzkennzahl ein. Bei der Transparenzbewertung der Vermögenssituation liegt der Fokus auf dem Anlagevermögen.

Den größten Einfluss auf die Kennzahl hat die Transparenz auf Einzelobjektebene. Es wird geprüft, welche Informationen die Gesellschaft zu den einzelnen Immobilien veröffentlicht. Transparenz auf Einzelobjektebene wird durch drei Kriterien bestimmt, die zueinander unterschiedlich gewichtet sind. Allgemeine Objektdaten fließen zu zehn Prozent in das Ergebnis ein, Angaben im Hinblick auf die Ertragssituation der einzelnen Objekte zu 45 Prozent, die Offenlegung der Vermietungssituation zu 25 Prozent und Wertangaben zu 20 Prozent.

Bei den allgemeinen Angaben können Unternehmen punkten, die neben der Adresse, dem Baujahr und der Standortqualität auch Informationen zu der vermietbaren Gebäudefläche liefern, das Datum der letzten Modernisierung beziehungsweise Sanierung angeben und die wirtschaftliche Restnutzungsdauer offenlegen. Bei der Ertragssituation wird die Punktzahl zu 80 Prozent erreicht, wenn das Unternehmen sowohl die Ist-Miete als auch die annualisierte Potenzialmiete angibt.

Das Kriterium "Vermietungssituation" wird maßgeblich durch die Angabe der Leerstandsquote und die durchschnittliche Restlaufzeit der Mietverträge bestimmt. Die Wertangaben sind zwar zum größten Teil durch die Angabe der einzelnen Verkehrswerte abgedeckt. Zusätzlich besteht die Punktzahl hier unter anderem zu 15 Prozent aus der Offenlegung des Kapitalisierungs- und des Diskontierungszinssatzes, die bei der Berechnung des Verkehrswertes verwendet wurden. Dadurch können Analysten die Verkehrswerte nachvollziehen und schneller einschätzen, ob die Werte auf realistische Parameter zurückzuführen sind.

Gerade auf Einzelobjektebene zeigen sich zum Teil immense Schwächen bei Wohnimmobilien-Bestandshaltern. Sowohl Gagfah als auch Deutsche Wohnen erreichen hier lediglich eine Transparenz von rund zwei Prozent. Während Gewer-beimmobilien-Bestandshalter im Schnitt einen Transparenzgrad von fast 40 Prozent erreichen, liegt die Kennzahl bei Wohnimmobilienunternehmen nur bei knapp 30 Prozent. Der Unterschied ist darauf zurückzuführen, dass Bestandshalter von Wohnimmobilien über deutlich mehr Einheiten verfügen als Gewer-beimmobilien-Bestandshalter, für die es daher weniger aufwendig ist, die Transparenzkriterien zu erfüllen. Unter den Wohnimmobilien-Bestandshaltern hat vor allem die Conwert Immobilien Invest bewiesen, dass auch hier Transparenz nicht unmöglich ist. Im Gegensatz zu Gagfah und Deutsche Wohnen erreicht die Wiener Gesellschaft auf Einzelobjektebene eine Transparenz von rund 15 Prozent.

Angabe von Ist-Mieten und Potenzialmieten nötig

Das Transparenz-Rating von Feri weist bei zahlreichen Immobilien-Aktiengesellschaften auf eine mangelnde Transparenz hin. Gerade am Kapitalmarkt existiert allerdings ein hoher Anspruch an transparentem Auftreten. Geschieht dies nicht, sind in der Regel Risikoabschläge die Folge. Hierin liegt auch ein Grund für die massiven Kursverluste, die viele börsennotierte Immobiliengesellschaften seit dem Jahr 2007 erfahren. Insbesondere auf Einzelobjektebene ist die Transparenz bei den meisten Gesellschaften noch ungenügend. Dies gilt vor allem für Wohnimmobilien-Bestandshalter. Um die Transparenz auf Einzelobjektebene zu verbessern, sollten vor allem die Ist-Mieten und die annualisierten Potenzialmieten in den Geschäftsberichten veröffentlicht werden.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X