Schwerpunkt: Risiko und Rendite

Der Markt für Wohnimmobilien - kaum noch Platz für Neubau?

Laut Statistischem Bundesamt hat Deutschland die zweitälteste Bevölkerung weltweit. Nur noch knapp jeder siebte Bundesbürger ist jünger als 15 Jahre und pro 1 000 Einwohner werden nur noch acht Kinder geboren. Die Folgen daraus, wenn sich nichts ändert, sind einsichtig: Die Bevölkerung in Deutschland wird dramatisch zurückgehen. Bis zum Jahr 2060 könnte die Einwohnerzahl um 25 Prozent von heute knapp 82 Millionen auf rund 61 Millionen Menschen sinken, so eine aktuelle Studie der Universität Köln.

Natürlich würde eine solche demografische Entwicklung auch massive Auswirkungen auf die Nachfrage nach Wohnraum haben. Um eine Aussage darüber zu treffen, wie sich der Wohnimmobilienmarkt hierzulande - in einer überschaubaren Zukunft - entwickelt, ist die Frage zu stellen, welche Faktoren ihn beeinflussen und welche für seine Entwicklung maßgeblich sind.

Wohnen gehört zu den zentralen Bedürfnissen des Menschen und entsprechend hoch ist der Wert, der dem Wohnen beigemessen wird. Wohnung oder Haus sind nicht einfach nur das Dach über dem Kopf, sie sind Lebensmittelpunkt und Rückzugsraum. Gleichzeitig ist die eigene Immobilie aber auch - das zeigen alle Umfragen - eine langfristig sichere Vorsorgemöglichkeit mit Blick auf die große Bedeutung, die das mietfreie Wohnen für die private Altersvorsorge hat. Dieser hohe Stellenwert in der Bevölkerung macht das Wohnen zu einem der wichtigsten und wirkungsvollsten Handlungsfelder der Politik.

Wohnen als politisches Handlungsfeld

Die Neuausrichtung der Städtebau- und Wohnungspolitik ist in vollem Gange. Die Abkehr vom flächenverbrauchenden Neubaugebiet auf der grünen Wiese rückt gewachsene Gebiete und bestehende Immobilien in den Mittelpunkt. Nachhaltigkeit wird sowohl unter energetischen als auch gebäudetechnischen Gesichtspunkten immer wichtiger. Dabei kommt es in den hochattraktiven Ballungsräumen und Universitätsstädten, und hier insbesondere in den Innenstadtbereichen, zu Angebotsengpässen mit der Folge überhöhter Preise. Ein intelligentes Flächenressourcenmanagement, das konsequent Brachflächen nutzbar macht, Baulücken beseitigt, Nutzung intensiviert und vorhandene Bausubstanz umwidmet, ist von zentraler Bedeutung. Das ist natürlich immer nur lokal leistbar.

Um beispielsweise den Landschaftsverbrauch in Baden-Württemberg einzudämmen, hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz das Modellprojekt "Melap Plus" ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Projektes, das die Bürger aktiv einbindet, werden Vor gehensweisen entwickelt, die die Ortskerne beleben, ein attraktives Wohn- und Arbeitsumfeld schaffen und die Ausweisung von neuen Wohngebieten vermeiden.

So hat der Neubau in der Fläche zwar stark an Bedeutung verloren, er wird aber nicht ganz verschwinden. Vielmehr verschiebt sich der Schwerpunkt in Richtung Ersatzneubau. Die Ausweisung von Neubaugebieten wird weiterhin eine Option bleiben: für Ballungsgebiete, die trotz knappen und teuren Angebots auch für Familien mit Kindern attraktiv bleiben wollen.

Die aktuelle Situation auf dem deutschen Wohnungsmarkt

Die Preise für Wohneigentum ziehen an. Im Durchschnitt mehr als 150 000 Euro müssen mittlerweile für die eigenen vier Wände bezahlt werden. Damit sind Immobilien im Schnitt zwar nicht teurer als vor gut zehn Jahren - und die Preise stimmen in Relation zu den Mieten - es sind aber 4,1 Prozent mehr als im Jahr 2010. So stark sind die Immobilienpreise seit dem Jahr 2000 nicht mehr in einem einzelnen Jahr gestiegen.

Diese Entwicklung setzt sich fort, beschleunigt sich sogar. Die Gründe dafür sind nicht schwer zu finden: Die Deutschen haben die Wohnimmobilie wieder für sich entdeckt. Wer noch nicht im eigenen Zuhause lebt, und das ist in Deutschland nach wie vor mehr als die Hälfte der Bevölkerung, der findet momentan sehr gute Rahmenbedingungen vor, dies zu ändern: Die Zinsen für Baukredite bewegen sich auf einem historischen Tiefstand. Gleichzeitig zeichnet sich die deutsche Wirtschaft durch große Stärke mit entsprechend positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt aus. Gute Voraussetzungen also, um ein in der Regel langfristiges und kapitalintensives Vorhaben wie eine Immobilienfinanzierung anzugehen. Auch für Anleger ist die Immobilie wieder interessant geworden. Niedrige Zinsen machen Investitionen am Kapitalmarkt unattraktiv und die gleichzeitige Unsicherheit über die Zukunft der europäischen Währung aufgrund der Staatsschuldenkrise lässt das "Betongold" frühere Attraktivität zurückgewinnen.

Regionale Unterschiede und demografischer Wandel

Der Immobilienmarkt zeichnet sich durch eine zunehmende regionale und qualitative Differenzierung aus. Steigende Preise sind durchaus nicht überall und nicht bei jeder Immobilie zu verzeichnen. Vielmehr treten große regionale Unterschiede auf zwischen starken Wirtschaftsregionen und dem flachen Land, zwischen Universitätsstädten und an Attraktivität verlierenden Mittelzentren und Dörfern. Aber auch andere Aspekte - allen voran die Lage - spielen eine Rolle: Baujahr, Grundriss, Zustand und Energieverbrauch sind signifikante Faktoren bei der Entscheidung für oder gegen eine Immobilie.

Angebot und Nachfrage am Immobilienmarkt werden von verschiedenen Faktoren bestimmt. Die Angebotsseite setzt sich aus der Addition der bereits bewohnten und der neu entstehenden Wohneinheiten zusammen. Ihre Höhe wird bestimmt von der Verfügbarkeit und dem Preis von Grundstücken, den Baukosten, den Investitionen in den Bestand sowie den Abgängen daraus. Auf der Nachfrageseite ist die Entwicklung von Demografie (Bevölkerung, Haushalte, Altersstruktur), Einkommen, Finanzierungsbedingungen und staatlicher Förderung bestimmend.

Nicht nur die gesamtdeutsche Bevölkerung ist im vergangenen Jahr gestiegen, Baden-Württemberg hat mit 10,78 Millionen Menschen sogar einen neuen Höchststand erreicht. Zwar gibt es seit einigen Jahren weniger Geburten als Todesfälle, aber die höheren Wanderungsgewinne ermöglichten insbesondere in den letzten beiden Jahren 2010 und 2011 insgesamt einen positiven Saldo. Negative Bevölkerungsprognosen der vergangenen Jahre werden damit wieder einmal widerlegt.

Die Frage, wie sich die Bevölkerungssituation entwickelt, ist also durchaus offen. Klar ist aber, dass der bisher nicht gestoppte Geburtenrückgang zu einer Verschiebung der Altersstruktur führt und dies zur größten Herausforderung zukünftiger Wohnungspolitik wird. Allein bis zum Jahr 2025 erwartet das Pestel Institut eine Zunahme der Seniorenhaushalte über 70 Jahren um mehr als ein Viertel auf rund zehn Millionen. Eine alternde Bevölkerung verändert auch die Anforderungen an das Wohnen. Gerade ältere Menschen bevorzugen eine attraktive Wohnumgebung mit ausgezeichneter Infrastruktur und kurzen Wegen. Dadurch gewinnen besonders die Stadtund Dorfzentren als Wohnraum wieder an Attraktivität.

Die Energiewende der privaten Haushalte

Auch die von der Bundesregierung ausgerufene Energiewende beeinflusst Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt. Schließlich wird das Ziel, den Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren, ganz wesentlich von den privaten Haushalten mitgetragen: Ein Drittel der Energie, die Deutschland pro Jahr bezieht, wird in Privathaushalten verbraucht, ein großer Teil davon in Form von Heizwärme. Auf dem Immobilienmarkt spielt der energetische Zustand von Haus oder Wohnung deshalb eine wichtige Rolle. "Energieschleudern" werden auch bei insgesamt knappem Immobilienangebot zu "Ladenhütern". In Baden-Württemberg soll der Anteil regenerativer Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2050 auf 86 Prozent ansteigen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Gesetzgeber massiv beim Gebäudeenergieverbrauch ansetzen. Wo dies beim Gebäudebestand, der zu 60 Prozent älter als 30 Jahre ist, sinnvoll ist, beziehungsweise wo sich eine Sanierung nicht mehr lohnt und neu Bauen kostengünstiger ist, wird eine spannende Frage. Und letztendlich wird sich auch nicht für alle Anforderungen wirklich ein Bestandsobjekt finden lassen.

Entwicklung in Baden-Württemberg

Die Nachfrage nach Wohnimmobilien wird auch in den nächsten Jahren hoch bleiben. Dabei ist absehbar, dass in gefragten Märkten wie den Regionen Mittlerer Neckar, Rhein-Neckar und Karlsruhe oder in den Universitätsstädten wie Tübingen oder Freiburg Engpässe drohen. Hier ist heute schon das knappe Angebot spürbar. Gleichzeitig wird die Nachfrage in den ländlichen Gebieten der Schwäbischen Alb oder des Schwarzwaldes zurückgehen.

Eine längerfristige Einschätzung der Wohnungsmarktentwicklung in Baden-Württemberg hat das Leibniz-Institut für ökologische Raumplanung in Dresden für die Arbeitsgemeinschaft der Baden-Württembergischen Bausparkassen vorgenommen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass sich in Baden-Württemberg die Nachfrage nach Wohnungsneubau bis 2030 auf hohem Niveau bewegen wird. Bestimmend hierfür ist aber nicht die Entwicklung der Bevölkerung, sondern die Anzahl der Haushalte, die sowohl in Baden-Württemberg als auch bundesweit ansteigt.

Zudem werden die individuellen qualitativen Wohnwünsche sowie der Ersatz nicht mehr marktfähiger Wohnungen berücksichtigt. Das Leibniz-Institut prognostiziert ein durchschnittliches jährliches Neubaupotenzial von etwa 30 000 Wohnungen. Tatsächlich fertiggestellt wurden 2011 in Baden-Württemberg nur 25 000 Wohnungen, immerhin erreichte die Zahl der Baugenehmigungen 30 500. Die Voraussetzungen für den Neubau verändern sich, aber auch in Zukunft wird man nicht auf ihn verzichten können.

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