MIPIM-Special

Die Mehrwertsteuer bei Immobilientransaktionen in Spanien

Bei Immobilienübertragungen in Spanien ist von erheblicher praktischer Relevanz, ob diese mehrwertsteuerpflichtig sind oder nicht. Mit der Beantwortung dieser Frage steht und fällt häufig die Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit der Investition. Dabei hat das spanische Steuerrecht eine wichtige Besonderheit: Die beiden bei Immobilienübertragungen relevanten Steuerarten, die Mehrwertsteuer und die der deutschen Grunderwerbsteuer ähnliche Vermögensübertragungssteuer (Impuesto de Transmisiones Patrimoniales, nachfolgend ITP-Steuer) schließen sich gegenseitig aus.

Ziel dieser Darstellung ist es zunächst, einen Überblick über die Anwendung des spanischen Mehrwertsteuergesetzes (Ley de Impuesto sobre el Valor Añadido, nachfolgend MwSt-Gesetz1)) und dessen engen Zusammenhang mit besagter ITP-Steuer und der Steuer für beurkundete Rechtsgeschäfte (Actos Jurídicos Documentados, nachfolgend Stempelsteuer) zu geben.

Aus praktischer Sicht von Bedeutung ist auch der Tatbestand der Mehrwertsteuerbefreiung bei der Übertragung des gesamten Geschäftsvermögens und seine grundsätzliche Anwendbarkeit bei der Veräußerung einer Immobilie durch eine Projektgesellschaft (Special Purposes Vehicle, abgekürzt SPV). In diesem Zusammenhang wird auch die Möglichkeit des ausdrücklichen Verzichts auf die Mehrwertsteuerbefreiung und dessen wirtschaftliche Bedeutung beleuchtet, da das spanische Recht an dieser Stelle verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten bietet.

Am Ende wird dann noch kurz der vor allem aus Bankensicht wichtige Aspekt der Nutzung des Mehrwertsteuerrückerstattungsanspruchs als zusätzliche Sicherheit bei der Immobilienfinanzierung erläutert.

Das Verhältnis von Mehrwertsteuer zur ITP-Steuer

Sofern eine Immobilienübertragung in Spanien mehrwertsteuerpflichtig und nicht steuerbefreit ist, wird diese mit dem in Spanien derzeit geltenden Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent veranlagt. Falls die Gesellschaft, die die Immobilie erwirbt, einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, hat sie entweder Anspruch auf Abzug der gezahlten Steuer oder wenn am Ende des Veranlagungszeitraums ein Überschuss ausgewiesen werden sollte, auf Rückerstattung derselben. Der Antrag ist bei der staatlichen Agentur für Steuerverwaltung (Agencia Estatal de la Administración Tributaria, nachfolgend AEAT) zu stellen.

Das bedeutet für den spanischen Unternehmer im Ergebnis eine "Neutralisierung" der Mehrwertsteuer, wie sie auch in anderen EU-Ländern, so auch in Deutschland, bekannt ist. Sofern das Rechtsgeschäft nicht der Mehrwertsteuer unterliegt oder von dieser Steuer befreit ist, fällt die ITP-Steuer an, deren Steuersatz bei sieben Prozent liegt. Im Gegensatz zur Mehrwertsteuer begründet die ITP-Steuer wegen der fehlenden "Neutralisierung" grundsätzlich einen höheren Kostenaufwand und ist nur über Abschreibungen, deren Höhe zudem jährlich beschränkt ist, abzugsfähig. Hinzu kommt, dass ebenso wie in Deutschland nur die Bauten und Gebäude, also nicht Grund und Boden, abgeschrieben werden dürfen. Während also die Mehrwertsteuer bei einer Immobilientransaktion in Spanien wirtschaftlich im Ergebnis neutral ist, ist die ITP-Steuer als ein zusätzlicher Kostenfaktor zu berücksichtigen.

Anders ausgedrückt, der Erwerb von Immobilien, sei es durch Immobilienfonds oder Projektgesellschaften, hat eine höhere Rentabilität, wenn das Geschäft der Mehrwertsteuer anstelle der ITP-Steuer unterliegt - Steuerarten, die sich in Spanien, wie bereits erläutert, gegenseitig ausschließen.

Zu beachten ist darüber hinaus, dass, sollte der Erwerb der Immobilie der Mehrwertsteuer unterliegen und dann später öffentlich beurkundet werden, ferner die Stempelsteuer anfällt, deren Satz, je nach autonomer Gebietskörperschaft, zwischen 1,0 und 1,5 Prozent schwankt. Bemessungsgrundlage ist der Verkehrswert der Immobilie, der zunächst durch den beurkundeten Kaufpreis zum Ausdruck kommt.

Mehrwertsteuerpflichtige und steuerbefreite Immobiliengeschäfte

Davon ausgehend, dass es in Spanien praktisch immer sinnvoller ist, dass eine Immobilienübertragung der Mehrwertsteuer unterliegt, wird nachfolgend erläutert, unter welchen Umständen eine solche von der Mehrwertsteuer befreit ist und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um auf eine derartige Steuerbefreiung verzichten zu können. Wir beschränken uns dabei auf die Übertragung von Gebäuden beziehungsweise Bauten, berücksichtigen also nicht die Übertragung von Baugrund, da für diese andere Voraussetzungen gelten, deren Darlegung den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde.

Zu differenzieren ist insoweit zunächst, ob es sich um die "erste" oder "zweite" Übertragung handelt:

- Als erste Übertragung gilt eine durch den Bauträger vorgenommene Übertragung des vollständig fertiggestellten Gebäudes. Wenn aber fertiggestellte Gebäude von dem Bauträger selbst oder von einem Dritten, gewöhnlich kraft eines Mietvertrages, länger als zwei Jahre genutzt worden sind, gilt der spätere Verkauf nicht als erste Übertragung, es sei denn, dass der Mieter selbst der Käufer des Gebäudes ist.

- Die zweite Übertragung eines Gebäudes (Büroräume, Industriehallen, Lager) ist dann von der Mehrwertsteuer befreit, wenn die Übertragung nach Bau- oder Sanierungsabschluss erfolgt. Das heißt, dass keine Zweifel hinsichtlich einer Mehrwertsteuerveranlagung bestehen, sofern die Bauausführung noch nicht abgeschlossen ist.

Alles, was nicht als erste Übertragung eingeordnet werden kann, gilt, in Konsequenz, als zweite Übertragung. Im Besonderen gilt jede von einem Unternehmer vorgenommene Übertragung, der nicht Bauträger ist, als zweite oder spätere Übertragung, weshalb sie zwar grundsätzlich mehrwertsteuerpflichtig, jedoch explizit befreit ist.

Allerdings erklären in der Praxis fast alle Bauträger ihren Verzicht auf die genannte Mehrwertsteuerbefreiung, da anderenfalls, wie vorstehend bereits ausgeführt, diese automatisch die viel gravierendere ITP-Besteuerung auslösen würde. In formeller Hinsicht ist eine solche Verzichtserklärung dann wirksam, wenn der Verkäufer diese in der auszufertigenden Kaufurkunde selbst oder bereits im Vorfeld schriftlich erklärt und der Käufer seine Eigenschaft als Unternehmer, und damit inzident seinen Anspruch auf den vollständigen Abzug der bei dem Gebäudeerwerb geleisteten Mehrwertsteuer, erklärt. Hierbei gilt die Urkunde selbst als Verzichtsmitteilung. Wenn der Erwerber jedoch nicht die Eigenschaft eines Unternehmers haben sollte, ist der genannte Steuerbefreiungsverzicht gesetzlich ausgeschlossen.

Einziger wirtschaftlicher Nachteil solch einer Verzichtserklärung ist das Anfallen der Stempelsteuer, die bei Ausfertigung der öffentlichen Kaufurkunde erhoben wird. Dennoch beläuft sich der Steuersatz der Stempelsteuer je nach autonomer Gebietskörperschaft auf lediglich 1,0 bis 1,5 Prozent, während die durch den Verzicht ausgeschlossene ITP-Steuer 7,0 Prozent betragen hätte.

Laut Artikel 7.1a) des MwSt-Gesetzes unterliegt die Übertragung des gesamten unternehmerischen Vermögens eines Steuerpflichtigen auf einen einzelnen Erwerber dann nicht der Mehrwertsteuer (und folgerichtig der kostenträchtigeren ITP-Steuer! ), wenn letzterer die unternehmerischen oder beruflichen Tätigkeiten des Veräußerers fortführt. Folglich ist im Vorfeld zu prüfen, ob es sich um eine Übertragung des gesamten Firmenvermögens handelt, insbesondere bei der Veräußerung durch Projektgesellschaften und vor allem bei solchen, deren Gesellschaftszweck auf Vermietung oder Verpachtung von Immobilien gerichtet ist.

Übertragung des gesamten Firmenvermögens

Die spanische Steuerverwaltung tendierte für gewöhnlich zur wörtlichen Auslegung des zitierten Artikels 7.1a) des spanischen MwSt-Gesetzes. Der Europäische Gerichtshof (Tribunal Superior de Justicia de las Comunidades Europeas2), nachfolgend EuGH) hat jedoch, unter Beachtung der Tatsache, dass die Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Gebiet inzwischen grundsätzlich harmonisiert ist, für diesen Befreiungstatbestand eine Reihe von Bedingungen festgesetzt, die auch von der spanischen Steuerverwaltung aufgegriffen wurden und sich wie folgt zusammenfassen lassen:

- Der Übertragungsgegenstand hat sich aus materiellen und immateriellen Gegenständen (Elementen) zusammenzusetzen, die, gemeinsam betrachtet, ein Unternehmen oder einen Teil eines Unternehmens begründen, das zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit befähigt ist. Hierdurch wird die Forderung nach der "Gesamtheit" des Firmenvermögens grundsätzlich unzulässig.

- Die von dem Übertragenden ausgeübte Tätigkeit kann durchaus dieselbe sein, von dem das übertragene Vermögen nach der Übertragung betroffen ist, oder sich von dieser unterscheiden. Wichtig ist also hier alleine der Fortbestand des übertragenen Vermögens.

- Auf Unternehmer oder Selbstständige, die sich ausschließlich mit der Erschließung von Grund und Boden beziehungsweise Projektentwicklung beschäftigen, findet die Befreiung des Artikels 7.1a) des MwSt-Gesetzes keine Anwendung.

Folglich ist es ausreichend, dass die Übertragung eines selbstständigen Unternehmensteils einen Zusammenschluss von Aktiva oder Vermögenswerten bildet, die alleine betriebsfähig sind. Ebensowenig ist seit der zitierten Entscheidung des EuGH der Umstand von Bedeutung, dass die von dem Erwerber ausgeübte Geschäftstätigkeit der von dem Verkäufer ausgeübten entspricht. Der Erwerber hat jedoch die Absicht zu verfolgen, das erworbene Vermögen wirtschaftlich zu nutzen. Wenn sein einziges Ziel auf die Liquidation der Vermögenswerte nach ihrem Erwerb gerichtet ist, würde der Befreiungstatbestand des Artikels 7.1a) ebenfalls keine Anwendung finden.

Jedwede sonstige Übertragung von unternehmerischen Vermögenswerten, die nicht als Tätigkeitsfeld oder als eigenständiger Bereich eingeordnet werden, sind daher als mehrwertsteuerpflichtige Rechtsgeschäfte zu behandeln.

Im Zusammenhang mit dem sehr praxisrelevanten Fall von Gesellschaften, deren Zweck auf die Vermietung von Immobilien gerichtet ist, hat die dem Finanzministerium unterstellte Hauptgeschäftsstelle für Steuern es als zulässig erklärt, dass, selbst wenn eine Übertragung des gesamten Firmenvermögens erfolgt, dieses Rechtsgeschäft schlicht eine Liquidation einzelner Vermögensgegenstände darstellt, und infolgedessen der Mehrwertsteuerpflicht unterliegt. Die Verfasser sind jedoch der Ansicht, dass der spanische Fiskus in seinen Beschlüssen nicht bewertet, ob der Erwerber tatsächlich die Tätigkeit des Veräußerers fortführt, geschweige denn, ob die übertragenen Gegenstände betriebsfähig sind. Folglich existiert in diesem Zusammenhang eine gewisse Rechtsunsicherheit.

Wir empfehlen daher im Rahmen einer Due Diligence immer darauf zu achten, dass der Verkäufer durch die Vorlage von Dokumenten, Bilanzen und einer Bescheinigung über die ausgeübte Geschäftstätigkeit glaubhaft macht, dass im Rahmen der zu prüfenden Transaktion keine Übertragung des gesamten Firmenvermögens vorgenommen wird, damit später keine Überraschungen eintreten, die wegen der Befreiung von der Mehrwertsteuer die ITP-Steuer zur Anwendung kommen lassen und das Geschäft damit möglicherweise wirtschaftlich sinnlos wird.

Stellt die Befreiung von der Mehrwertsteuer bei Übertragungen des gesamten Firmenvermögens in Spanien einen Vorteil oder einen Nachteil dar? Das in der gesamten Europäischen Union existierende Mehrwertsteuersystem basiert auf dem Grundgedanken der möglichst weitgehenden Befreiung der Unternehmer von solchen Steuerlasten, die bei der Abwicklung und Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit anfallen könnten.

Folglich gewährleistet das innergemeinschaftliche Mehrwertsteuersystem die grundsätzliche "Neutralität" aller Geschäfte, die im Rahmen einer wirtschaftlichen/gewerblichen Tätigkeit ausgeübt werden.

Unter Berücksichtigung dessen, und laut Auslegung des EuGH3), besteht die Zielsetzung der im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuerbefreiung der Übertragung des Firmenvermögens als Einheit verabschiedeten, europäischen Mehrwertsteuerrichtlinien, insbesondere darin, die Übertragung von Unternehmen oder Teilen derselben zu erleichtern und zu vermeiden, dass die Mittel des Erwerbers übermäßig belastet werden.

Das bedeutet, dass die Befreiung von der Mehrwertsteuer für den kaufenden Unternehmer grundsätzlich einen Vorteil darstellen sowie die Unternehmensfolge und die Fortführung der gewerblichen Tätigkeiten fördern sollte. Im spanischen Steuersystem jedoch wird aus dem in anderen Ländern bezweckten Vorteil der Befreiung von der Mehrwertsteuer ein ganz gravierender Nachteil, denn gerade durch die Befreiung von der Mehrwertsteuer wird die nicht abzugsfähige ITP-Steuer ausgelöst.

Der am 5. September 2008 im Boletín Oficial de las Cortes Generales españolas (Amtsblatt der spanischen Parlamentskammern) veröffentlichte Gesetzesentwurf zur Änderung verschiedener spanischer Mehrwertsteuerregelungen bei Unternehmenskäufen macht nun den Weg dafür frei, dass eine Übertragung von unbeweglichen Vermögenswerten, die ein Unternehmen vermietet haben könnte, nicht als Übertragung des gesamten Firmenvermögens anzusehen ist. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die unbeweglichen Rechtsgüter alleine übertragen werden, also ohne dass gleichzeitig eine Organisationsstruktur übertragen wird, in welcher Produk-tions-, Material-, und Personalfaktoren, die eine eigenständige Betriebsfähigkeit begründen könnten, inbegriffen sind.

Hiermit soll dem Erwerber zukünftig dahingehend Rechtssicherheit gewährleistet werden, dass derartige Übertragungen der Mehrwertsteuer unterliegen. Dennoch hängt unserer Einschätzung nach dieser Standpunkt letztlich von der Auslegung ab, die die spanischen Gerichte dem oben zitierten Urteil des EuGH zumessen.

Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass Banken dem Erwerber von großvolumigen Immobilienobjekten die Mehrwertsteuer finanzieren. Wichtig in diesem Zusammenhang ist vor allem der spezifische Zuschnitt des Kreditvertrages auf die gesetzlichen Regeln der Mehrwertsteuerrückerstattung und eine wirksame Abtretung der staatlichen Rückerstattungsansprüche.

Das spanische Mehrwertsteuersystem sieht einen Erstattungsantrag vor, sofern bei Geschäftsjahresablauf nicht der Gesamtabzug der Mehrwertsteuer möglich gewesen sein sollte. Bei großen Immobilientransaktionen übersteigt gewöhnlich die bezahlte Mehrwertsteuer im hohen Maße die von dem Unternehmen eingenommene Mehrwertsteuer, wodurch der Rückerstattungsantrag grundsätzlich möglich wird.

Um im Falle einer Mehrwertsteuerfinanzierung sicher zu gehen, dass der Käufer seinen Rückerstattungsanspruch geltend machen wird und dass er alle hierzu gesetzlich erforderlichen Formalitäten erfüllt, kommt besonderes Augenmerk auch der Einhaltung der Rückerstattungsfristen (sechs Monate ab dem 30. Januar des auf den Erwerb folgenden Jahres) zu, sowie den nach dem Kaufabschluss folgenden Mehrwertsteuererklärungen und den Büchern des kaufenden Unternehmens, das finanziert wird. Dies alles sollte durch die finanzierende Bank sukzessive geprüft werden, um auch weiterhin eine belastbare Kreditsicherheit in Händen zu halten.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass bei Immobilienübertragungen in Spanien eine genaue Prüfung, der die Mehrwertsteuerpflicht auslösenden Tatsachen von großer Bedeutung ist, denn das spanische Steuerrecht bietet gerade an dieser Stelle erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten, die sich der Käufer oder auch eine finanzierende Bank zunutze machen können.

Stefan Meyer , Rechtsanwalt und ­Gründungspartner , Monereo Meyer Abogados, Madrid
Gustavo Yanes , Rechtsanwalt, Partner und Leiter der Steuerabteilung, Monereo Meyer Abogados, Madrid
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