Messeausgabe 2010

Nachhaltige Finanzierung von Immobilieninvestitionen

Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip, das gerade bei langfristig orientierten Immobilieninvestments und -finanzierungen zum Ende der Finanzkrise wieder eine zentrale Bedeutung erlangt hat. Zuvor stand auch im deutschen Gewerbeimmobilienmarkt oft das kurzfristige "Drehen" von Objekten im Vordergrund. Welche Nachhaltigkeitsaspekte wurden hier vernachlässigt? Und wie kann man vorgehen, um Immobilienprojekten jetzt wieder auch eine solide, langfristig angelegte Finanzierungsbasis zu geben?

Prinzip Nachhaltigkeit

Eine Bewirtschaftungsstrategie ist nachhaltig, wenn der heute erzielte Nutzen nicht zulasten zukünftiger Perioden geht. Kontinuierlich angewandt liefert sie einen stabilen Ertrag und erhält den inneren Wert - aus einer eigenständigen Regeneration heraus, nicht wegen sich ändernder Marktbewertungen. Immobilien sind langfristig bestehende Wirtschaftsgüter und eignen sich daher ganz besonders für das Nachhaltigkeitsprinzip - die Immobilie dauerhaft so zu bewirtschaften, dass ihre Ertragskraft vollständig erhalten bleibt. Dies setzt vor allem zwei Bedingungen voraus: ein Facility Management, das mit Instandhaltungsmaßnahmen die Gebäudesubstanz effizient erhält und ein Mietermanagement, das auf Mieterbonitäten und -struktur achtet.

Eine professionelle Objektverwaltung, die kontinuierlich in das Objekt und seine Ertragskraft investiert, ist somit die Basis für ein nachhaltiges Immobilienprojekt. Hierbei kommt es auch zur Überlappung mit den ökologischen und sozio-kulturellen Aspekte, die man heute primär mit Nachhaltigkeit assoziiert. Selbst wenn diese anderweitig motiviert sind, ökonomisch handelt es sich jeweils um Investitionen in die Substanz, die zu langfristig stabilen Erträgen führen.

Im Asset Management liegt allerdings auch die erste Verlockung weg von der Nachhaltigkeit: Kurzfristig kann die Entnahme bei einem nur rudimentären, auf das formal notwendige beschränkten Objektmanagement merklich gesteigert werden. Wenn zudem opportunistische, auf den schnellen Wiederverkauf zielende Investitionsgründe vorherrschen, sprechen die Anlaufkosten für ein neu einzurichtendes Objektmanagement noch mehr gegen dessen Einrichtung.

Aspekte der Finanzierung

Diese Tendenz war tatsächlich gegen Mitte des vergangenen Jahrzehntes oft zu beobachten. Die negativen Folgen für die Objektsubstanz müssen dann bei einer langfristig orientierten Neustrukturierung ausgeglichen werden. Neben dem Austausch des Objektmanagers gehören dabei auch Baumaßnahmen als Substanzinvestitionen zu den Standardmaßnahmen.

Eine nachhaltige Objektbewirtschaftung ist auch das Fundament für Nachhaltigkeit bei der Investition und ihres für Immobilien zentralen Bausteins - der Finanzierung. Dies bedeutet, dass Objekt und Finanzierung in einem dauerhaft stabilen Verhältnis zueinander stehen. Zentral sind hierbei drei Aspekte:

Balance: Mieteinnahmen, Instandhaltungskosten, Kreditzinsen, Kredittilgung und Investorenentnahme stehen in einem dauerhaft tragbaren Verhältnis zueinander.

Stabilität: Es herrscht ausreichend Spielraum, um bei veränderten Rahmenbedingungen zu einem solchen Gleichgewicht zurückzufinden.

Resilienz: Frühwarnsysteme und Stabilisierungsmechanismen bewirken, dieses Gleichgewicht auch tatsächlich wieder herzustellen.

Wird der langfristige Charakter einer Immobilie zum Maßstab genommen, finden sich alle drei Aspekte in der Investitions- und Finanzierungsstruktur wieder.

- Aspekt Balance: Damit die laufenden Zahlungen ausbalanciert sind, ist zunächst eine realistische Analyse der langfristig erzielbaren Mieteinnahmen sowie der Bewirtschaftungskosten und Substanzinvestitionen notwendig. Nicht umsonst ist es usus, dass die Vereinbarung zum Aufbau einer Instandhaltungsrücklage Bestandteil des Kreditvertrages ist. Der so ermittelte Netto-Cash-Flow aus dem Objekt determiniert auch, welchen Zins- und Kapitaldienst die Immobilie tragen kann (Debt Service Capacity). Das Zinsniveau bestimmt somit den möglichen Finanzierungsbetrag. Der nach Betreuungs- und Finanzierungskosten verbleibende Ertrag ist der laufende Gewinn des Investors, der wiederum über seine Renditeanforderung mit dem sinnvollen Kapitaleinsatz verbunden ist.

- Aspekt Stabilität: Ein Gleichgewicht langfristig haltbar zu gestalten, bedeutet auch, es gegen mögliche Störungen zu immunisieren. Zum einen ist dies mit Blick auf die Immobilie und vor allem ihre Mieter notwendig: Hierzu gehört, die Debt Service Capacity nicht bis zum Maximum der Vollvermietung auszunutzen, damit der Auszug von Mietern - ob fristgerecht oder außerordentlich - nicht

zu einem Kollaps der Finanzierung führt. Zum anderen sollten auch Marktveränderungen die Investition nicht gefährden. Neben der Entwicklung der Marktmiete sind hierbei Zinsen der zentrale Einflussfaktor. Für einen gewissen Zeitraum lassen sich diese per Festzinskondition oder mit Derivaten festschreiben. Zum Schwur kommt es daher meist erst zum Prolongationszeitpunkt. Hier sollten Investment und Finanzierung auch bei einer ungünstigen Marktentwicklung noch Spielraum für die Zukunft haben.

Nachhaltigkeit entscheidet sich dabei insbesondere mit der Kredittilgung: Eine Finanzierung ist zwar auch erst einmal im Gleichgewicht, wenn der freie Cash-Flow für aus einem hohen Kredit-Leverage resultierenden Kreditzinsen genutzt wird. Dies spekuliert darauf, dass sich weder Mietsituation noch Kapitalmarkt über die Kreditlaufzeit verschlechtern. Eine nachhaltige Finanzierung beinhaltet Kredithebel daher nur in dem Maße, wie er mittels Tilgung über die Laufzeit auf ein angemessenes, sicheres Niveau reduziert werden kann.

- Aspekt Resilienz: Bei einem Gleichgewicht bedeutet Robustheit nicht Unbeweglichkeit, im Gegenteil. Gerade für typische Störungen können bereits vorsorglich Anpassungsmechanismen vorgesehen werden. Anstatt auf einen externen Eigenkapitalzuschusses zu bauen, falls außergewöhnliche Belastungen eintreten, lassen sich auch Instrumente wie eine beschleunigte Tilgung bei einem Covenant-Bruch einsetzen, die eine Stabilisierung aus der Immobilie heraus bewirken. Basis hierfür ist das Nutzen von Frühwarnindikatoren. Unmittelbar Auskunft über Handlungsbedarf gibt die Debt Service Cover Ratio (DSCR), welche die Kapitaldienstfähigkeit auf Basis der derzeitigen Mieteinkünfte bestimmt.

Das langfristige Pendant hierzu - die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung nach dem Going-Concern-Prinzip voraussetzend - ist die Kennzahl Loan to Value (LTV). Diese signalisiert auch im Falle eines aktuell noch störungsfrei verlaufenden Investments, ob es spätestens zum geplanten Prolongations- oder Wiederverkaufszeitpunkt zu Schwierigkeiten wegen veränderter Marktbedingungen kommen kann.

Reale Entwicklung

Diese Aspekte für eine nachhaltige Immobilienfinanzierung dürften in dieser Allgemeinheit wenig Widerspruch hervorrufen. Und doch war vor wenigen Jahren noch das genaue Gegenteil in Mode. Die seinerzeitigen hohen LTV kamen auch zustande, weil im Glauben an positive Miettrends und jederzeitige Exit-Möglichkeiten die Kapitaldienstfähigkeit maximal ausgereizt wurde, was oft dazu führte, auf Kredittilgung ganz zu verzichten.

Die Folge: Selbst in einem relativ stabilen Markt wie dem deutschen Immobilienmarkt geraten heute derart ausgesteuerte Projekte in Bedrängnis. Die hohen LTV von damals werden nun nicht mehr (freiwillig) beliehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Refinanzierungskanal CMBS nicht mehr verfügbar ist. Bei verhaltenem Mietmarkt sowie auch mangels Leverage-Möglichkeit leicht fallenden Immobilienpreisen bedeutet dies für den Investor, dass an eine Rendite alleine über die Wertsteigerung nicht mehr zu denken ist.

Daher sind derzeit vermehrt Covenant-Brüche gerade auf LTV-Basis zu beobachten. Wenn dann die Finanzierung von Beginn an nicht nachhaltig strukturiert wurde, ist der eingetretene Substanzverlust oftmals kaum noch über Stabilisierungsmaßnahmen aufzufangen. Bei einer Reihe von ausländischen Kreditinstituten fällt dies mit der Entscheidung zum generellen Rückzug vom deutschen Markt zusammen, die die notwendige intensive und enge Begleitung der Finanzierung unmöglich macht.

Um die Trennung von der Finanzierung zu forcieren, wird dem Immobilieninvestor schon einmal ein Forderungsverzicht angeboten, wenn dieser einen neuen Finanzierer für die Kreditablösung findet. Wenn der neue Finanzierer dann zusätzlich noch einen Eigenkapitalnachschuss (zum Beispiel auch mittels Nachrangmittel von neuen Investoren) organisieren kann, ergibt sich die Chance, das Projekt auf eine nachhaltige Basis zu stellen.

Beispiel Neustrukturierung

Die Corealcredit legt bei den von ihr finanzierten Immobilienprojekten stets den Maßstab der Nachhaltigkeit an. Ein typischer Praxisfall soll daher zeigen, wie für ein ehemals opportunistisch angelegtes Investment anlässlich eines vorzeitigen Finanziererwechsels eine nachhaltige Basis aussehen kann. Bei dem zu finanzierenden Portfolio handelt es sich um Wohn- und Gewerbeobjekte in mehreren deutschen Städten. Das Portfolio im dreistelligen Millionenbereich war vom Investor vor wenigen Jahren noch in der Boomphase auf dem Immobilienmarkt erworben und bei einer ausländischen Bank finanziert worden. In diesem Fall gehörte ein aktives Objektmanagement bereits zum ursprünglichen Geschäftsmodell, und die Leerstandsquote war auch dank Capex-Maßnahmen deutlich reduziert worden. Diese Maßnahmen zur Substanzstärkung sollen fortgesetzt werden, wozu vor allem der Netto-Cash-Flow des Portfolios eingesetzt werden soll.

Das Portfolio kann heute realistisch bis zu einem LTV von etwas über 60 Prozent finanziert werden. Für den bisherigen Kreditgeber bedeutet dieser Forderungsverkauf einen Verzicht auf einen Teil seiner Forderung. Eine so reduzierte Finanzierung erlaubt dafür nun bis zu rund zehn Prozent Zins- und Kapitaldienst, was genug Spielraum für etwaige Veränderungen des Marktzinsniveaus zum Ende der Kreditlaufzeit gibt. Für die einschlägigen Kennzahlen wie LTV und DSCR gehören jetzt Covenants mit den Eskalationsstufen Cash-Trap und Cash-Sweep zum Standard. Für den Fall eines Verkaufs von Objekten, wie er weiter angestrebt wird, ist ein nach Standort differenziertes Release Pricing sowie eine Prepayment Fee vorsehen. So lässt sich von Marktwertsteigerungen profitieren, auch wenn der Finanzierungsmaßstab nun die nachhaltige Bestandshaltung ist.

Nicht nur Gebäude, auch Immobilieninvestments und -finanzierungen sollten nachhaltig strukturiert werden. Dies wird dem langfristigen Charakter der Immobilie gerecht und stärkt die Robustheit in schwierigem Marktumfeld. Damit ist nicht ausgeschlossen, auf Marktwertsteigerungen zu zielen; diesem Ziel wird vielmehr ein solides Fundament gegeben und dem Verlust an innerem Wert vorgebeugt.

Prof. Dr. Leo Cremer , Professur für Mathematische Methoden in der Bau- und Immobilienwirtschaft, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
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