Schwerpunkt Private Baufinanzierung

Neubau versus Bestand - was Investoren oftmals nicht bedenken

Die Investition in Wohnungsbestände erlebt seit geraumer Zeit eine Renaissance: Angesichts wirtschaftlicher Unwägbarkeiten bei der Vermietung mancher Büroimmobilien besinnt sich eine zunehmende Anzahl privater und institutioneller Investoren (wieder) auf die Vorteile, die der Erwerb von Wohnungsbeständen in strukturstarken Regionen bietet. Die Zahl der Haushalte (Wohnungsnachfrager) wächst vor dem Hintergrund der bekannten gesellschaftlichen Entwicklung (Singularisierung, Zweit- und Drittwohnsitz und Ähnliches) und damit weithin unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung.

Darüber hinaus wird das Risiko bei der Vermietung einzelner Wohnungen geringer eingeschätzt als das Risiko der Vermietung von oftmals größeren Büroeinheiten. Die Leerstandsquoten bei Bestandswohnungen liegen in den Wachstumszentren in der Regel zwischen 3 Prozent und 5 Prozent, also in der Nähe der marktüblichen Umzugs- und Umschlagshäufigkeit. Die Büro-Leerstandsquoten betragen in den Ballungsgebieten dagegen schon plus/minus 10 Prozent. Dazu sind die Neuvermietungszeiten im Wohnungsbau mit drei bis sechs Monaten in der Regel deutlich kürzer als im Büroraumsektor. Und: Seit einigen Jahren steigt das Wohnungsmietniveau in der Mehrzahl der Ballungszentren auf breiter Front.

Bautätigkeit im Wohnungsbau steigt an

Ökonomisch spricht sehr viel für die Fortsetzung dieses Nachfragetrends: In der Vergangenheit engagierten sich Investoren nur zurückhaltend im Wohnungsneubau. Ihr Attentismus war geprägt von Angst vor dem demografischen Wandel und der Einschätzung, dass es in Deutschland keinen nennenswerten Neubaubedarf mehr gibt. So wurde im Geschosswohnungsneubau 1995 der Höhepunkt mit 312 000 Wohneinheiten erreicht und sank bis 2009 auf seinen Tiefpunkt mit nur noch 51 000 Wohnungen.

In den letzten Jahren stieg die Bautätigkeit im Geschosswohnungsbau zwar wieder an. Allerdings entsprechen die im Jahr 2013 fertiggestellten knapp 79 000 Wohneinheiten im Mehrfamilienhausneubau gerade einmal 0,27 Prozent des bundesweiten Geschosswohnungsbestandes und damit nicht einmal dem technischen Erneuerungsbedarf (0,5 Prozent bis 1,0 Prozent).

Anhaltende größere als prognostizierte Zuwanderung und steigende Haushaltszahlen in den Wachstumsregionen bei gleichzeitig selbst dort unzureichender Neubautätigkeit führen zu Miet- und Kaufpreisanstiegen allein schon als Folge der rein quantitativen Verknappung. Oft kommen qualitative Angebotsdefizite hinzu. Dementsprechend gering wird das Risiko von Wertverlusten von bedarfsgerechten Wohnimmobilien bewertet. Dies gilt umso mehr, da zurzeit kaum sichere und ertragreichere alternative Anlageformen zur Verfügung stehen.

Hohe Nachfrage führt zu sinkenden Renditen

Die hohe Nachfrage nach Immobilieninvestments und das niedrige Zinsniveau für Fremdkapital treiben seit Jahren vielerorts die transaktionsüblichen Kaufpreismultiplikatoren. Hierdurch reduzieren sich die Renditen. In den deutschen Wachstumsmetropolen stellen sich die Spitzenrenditen für Wohninvestments mittlerweile auf beziehungsweise teils schon unter 5 Prozent.

Dabei sind die Verzinsungen für Bestandsobjekte kaum höher als für Neubauobjekte, teilweise sogar geringer. Beispiel München: Wohninvestments im Bestand erzielen hier eine Spitzenrendite von 3,5 Prozent, im Neubau sind es 4 Prozent. In Köln und Stuttgart stellen sich Bestand und Neubau identisch auf 4 Prozent beziehungsweise 4,5 Prozent, und in Düsseldorf sind Bestandsobjekte im Top-Segment mit 5,2 Prozent gerade einmal 0,2 Prozentpunkte rentierlicher als Wohnungsneubau.

Das gilt nicht nur für die Big Seven, sondern teilweise auch für prosperierende B-Städte. So liegt das Top-Renditeniveau für Neubauwohninvestments in Leipzig mit 5,9 Prozent zwar grundsätzlich höher als in den A-Standorten, der Abstand zur Spitzenverzinsung im Leipziger Wohnungsbestand (6 Prozent) ist indessen marginal.

Neben Chancen auch Risiken

Grundsätzlich sind die Perspektiven für Wohninvestments in Deutschland weiterhin gut. Allerdings gibt es auch einige Risiken, die berücksichtigt werden müssen.

Bestandsimmobilien: Dadurch, dass die Neubautätigkeit in den deutschen Ballungsgebieten seit Jahren unterhalb der notwendigen Reproduktionsrate liegt, veraltet der Wohnungsbestand zunehmend: Beispielsweise sind in Berlin nicht einmal 10 Prozent des Wohnungsbestandes jünger als zwanzig Jahre. In Düsseldorf sind über 80 Prozent der Wohnungsbestände älter als dreißig Jahre und kommen dadurch absehbar in die Modernisierungsphase.

Eine erhebliche Kostenbelastung ergibt sich dabei aus der erforderlichen (und gesetzlich zunehmend geforderten) Notwendigkeit zur energetischen Um- und Aufrüstung. Es ist damit zu rechnen, dass rund 30 Prozent der Wohnungsbestände innerhalb der nächsten zehn bis zwanzig Jahre energetisch und technisch nachzurüsten sind. Dabei belaufen sich die Kosten für eine technische und energetische Sanierung je nach Maßnahme und Umfang auf 400 bis 600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, zum Teil auch deutlich mehr.

Hierbei besteht nur für einschlägige Modernisierungsmaßnahmen wie zum Beispiel Fassaden-, Dach- und Keller-Dämmung die Möglichkeit, die anfallenden Kosten auf die Mieten umzulegen. Die Kosten für ein neues Dach, den Anstrich von Fassaden, Treppenhäusern, Fenster- und Türrahmen oder andere Substanz erhaltende Maßnahmen trägt der Eigentümer dagegen alleine.

Mit hohen Kaufpreismultiplikatoren jenseits der zwanzigfachen Jahreskaltmiete sowie begrenzten Mieterhöhungsspielräumen lassen sich indessen die zwingend erforderlichen Substanzerhaltungsrücklagen nicht erwirtschaften. Folge: Entweder unterbleibt die angemessene Sanierung oder sie fällt als zusätzliche Investition an, sodass der im Bestand ohnehin marginale Renditevorsprung gegenüber Wohnungsneubau abschmilzt. Hinzu kommt der kaum scharf kalkulierbare zeitaufwendige und zudem mietrechtlich komplexe Aufwand der Sanierungsmaßnahmen.

Die demografische Entwicklung Deutschlands erfordert in Zukunft ein wesentlich höheres Maß an flexiblen und altersgerechten Grundrissen sowie barrierearmen Wohnungen. Während diese Anforderungen im Wohnungsneubau in der Regel problemlos und zu vertretbaren Mehrkosten umsetzbar sind, lassen sie sich in älteren Wohnungsbeständen - wenn technisch überhaupt möglich - nur mit überdurchschnittlichen Aufwendungen realisieren.

Geförderter Wohnungsbau ohne Bezug zur Nachfrage

Ein erheblicher Teil des Wohnungsbestandes entspricht zunehmend weniger der immer anspruchsvolleren Nachfrage: Zwischen 1990 und 1997 fand in Deutschland fast ausschließlich geförderter beziehungsweise steuerinduzierter Wohnungsbau statt. In Berlin waren es zwischen 1991 und 2000 insgesamt rund 100 000 Wohneinheiten, die auf dieser Basis, zum Beispiel durch Förderprogramme, Sonderabschreibungen und Ähnliches, errichtet wurden.

Dieser Wohnungsbau orientierte sich weder quantitativ noch qualitativ an der Wohnungsnachfrage. Faktisch wurden dadurch in allen Teilen Berlins und unabhängig von Lagequalitäten relativ ein fache Wohnungsbauten fertiggestellt, die selten auf Akzeptanz stießen: Häufig entsprachen sie weder städtebaulich (zum Beispiel zu hohe Baudichten an der Peripherie) noch architektonisch (zum Beispiel ohne Balkon) der Nachfrage.

Angesichts der hohen Wohnungsnachfrage in den Wachstumsmetropolen bei gleichzeitig knappem Angebot lassen sich selbst suboptimale Wohnungen zurzeit - sogar ohne (nennenswerte) Sanierung - noch vermieten. Doch wie geht es weiter, wenn die Zuwanderung nachlässt/abbricht? Es ist fraglich, ob der Großteil der Bestandswohnungen dann noch den steigenden Ansprüchen breiter Nachfragegruppen genügt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in Zukunft die zusätzliche gehobene Wohnungsnachfrage immer weniger im unzureichend ertüchtigten Wohnungsbestand bedient werden kann.

Heute und künftig werden immer mehr Bautypen, Grundrisse und Standorte nachfragt, die im Bestand so nicht verfügbar sind: Zum einen hängt das mit der Alterung der Bevölkerung zusammen. Zum anderen besteht mit dem Zuzug junger, arbeitsplatzorientierter und einkommensstarker Haushalte und mit dem "Hineinwachsen" in die Familiengründungsphase ein (neuer) Bedarf an Familienwohnungen.

Neubau: Im Neubau ist das im Bestand via Modernisierungsarbeiten erreichbare Qualitätsniveau kein Thema. Im Interesse der langfristigen Vermarktungsfähigkeit sollten Bauherren und Erwerber indessen auch im Neubausegment darauf achten, dass hier die anderen Erfordernisse wie Barrierearmut, nachfragegerechte Wohnformen und Ähnliches umgesetzt sind, ansonsten adaptiert der Wohnungsneubau die Probleme des Bestandes.

Ein weiterer wichtiger Punkt - der sowohl Bestand wie Neubau betrifft - ist der Standort der Immobilie. Der zu beobachtenden Binnenwanderung in die Wachstumsregionen stehen Schrumpfungsprozesse in den strukturschwächeren Regionen und im ländlichen Raum gegenüber: Nach den vorherrschenden Prognosen wird die Bevölkerung in den Wachstumsregionen Deutschlands bis zum Jahre 2030 um zehn Prozent von etwa 34 Millionen auf rund 37,5 Millionen Einwohner wachsen, während sie gleichzeitig außerhalb der Wachstumsmetropolen um rund 20 Prozent von zirka 48 Millionen auf 39 Millionen Einwohner zurückgeht.

Steigender Bedarf in Wachstumsregionen

Das bedeutet, dass in den Wachstumskernen vorwiegend wanderungsbedingt über 1,7 Millionen Wohnungen zusätzlich benötigt werden. In Regionen mit Bevölkerungsschwund bietet dagegen selbst der gelungenste Wohnungsneubau keine Garantie auf Vollvermietung. Zudem ist das Mietsteigerungspotenzial relativiert.

Auch die geplante Mietpreisbremse kann die Performance eines Wohninvestments im Neubau schmälern: Sollten Neubauwohnungen entgegen den aktuellen Planungen doch nicht von den zukünftigen Regelungen unbefristet ausgenommen bleiben beziehungsweise Mietobergrenzen nur bei Erstvermietung nicht zur Anwendung kommen, würde dies die Wertentwicklungspotenziale stark beeinträchtigen.

Denn gerade im Wohnungsneubau werden Wertentwicklungsperspektiven in der Regel auf langfristige Sicht und in Verbindung mit mehrfachen moderaten Mieterhöhungen kalkuliert. Sind Letztere ab der Zweitvermietung aufgrund der Mietpreisbremse ausgeschlossen, ist diese Entwicklung fraglich.

Standorte und individuelle Bedürfnisse als Schlüssel

Wohnung ist nicht gleich Wohnung. Das gilt auch für die Wachstumsregionen. Deshalb ist es von Bedeutung, die Präferenzen der künftigen Nachfrager (Mieter) zu kennen. Hervorzuheben sind hier vor allem die individuellen Bedürfnisse der Nachfragegruppen der "jungen Alten, Alten, ganz Alten", der arbeitsplatzorientierten urbanen Zuwanderer und der Familien. Konkret ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach hochwertigen familienfreundlichen und anspruchsgerechten single- und seniorenfreundlichen Wohnungen mittelfristig durchgehend weiter steigen wird. Die Nachfrage nach Wohnungen in weniger präferierten Lagen oder mit Substandard wird dagegen sinken. Hier steigt das Leerstandsrisiko.

Unter Beachtung der aufgezeigten Kriterien stellt der Erwerb von Wohnimmobilien in Deutschland eine attraktive Anlageform dar. Die Einstiegsfaktoren sind aufgrund der guten Perspektiven und stabilen Entwicklung besonders in den stark nachgefragten Städten der Big Seven sehr hoch (in der Spitze zwischen dem 20- und 25-fachen). Hier sind zudem die Renditeunterschiede zwischen Bestand und Neubau nur marginal. Auf ältere Wohnungsbestände kommen dabei künftig im Rahmen von Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen bundesweit erhebliche Kosten zu.

Unzureichende Ertüchtigungen begründen Zweifel, dass durch diese Maßnahmen die nachhaltige Konkurrenzfähigkeit gegenüber Neubauwohnungen erreicht beziehungsweise auf Dauer aufrechterhalten werden kann. Vor dem Hintergrund der bislang erst geringfügig ausgeschöpften Energieeinsparpotenziale von Wohngebäuden ist es offen, welche gesetzlichen Nachrüstpflichten künftig auf die Bestandshalter zukommen. Aufgrund der ausgesprochen niedrigen Anfangsrenditen von Bestandimmobilien sollte über ein alternatives Neubauinvestment nachgedacht werden. Grundsätzlich gilt: Gute Lagen und Objekte erfreuen sich auch langfristig stabiler Nachfrage.

Markus Schmidt , Abteilungsleiter Treasury , Sparkasse Hannover
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