Schwerpunkt: Bewertung und Prognose

Objektbesichtigung - mehr als eine lästige Pflicht

Es gibt Spannenderes im Wirken einer Bank als Objektbesichtigungen bei Immobilienfinanzierungen. Sie können vielleicht sogar etwas lästig sein. Denn die Objektbesichtigung stört den Finanzierungsprozess und bei einer Innenbesichtigung muss der Darlehensnehmer erneut kontaktiert werden. Zugleich ist es ein Thema, um das keine Bank herumkommt, egal ob lokale Genossenschaftsbank, Sparkasse, internationale Privatbank oder Bausparkasse. Staatliche Regulierungen, aber auch interne Richtlinien der Banken verpflichten die Institute dazu, im Rahmen der Immobilienfinanzierungen Objektbesichtigungen durchzuführen.

Die BelWertV

So heißt es in der BelWertV, der im August 2006 in Kraft getretenen Belewiherutnegrms ittlungsverordnung, eher lakonisch in § 4 Verfahren zur Ermittlung des Beleihungswerts: "Das zu bewertende Objekt ist im Rahmen der Wertermittlung zu besichtigen." In der Verordnung werden Bedingungen oder Fristen nicht ausgeführt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auf eine Besichtigung verzichtet werden, etwa wenn die Immobilie dem Kreditinstitut bekannt ist oder es sich um eine Eigentumswohnung in einem Gebäude handelt, das innerhalb der letzten beiden Jahre besichtigt worden ist. Das Kreditinstitut muss auf jeden Fall die Gründe für einen solchen Verzicht "in nachvollziehbarer Weise dokumentieren". Liegt keine nachvollziehbare Begründung vor, sieht die BelWertV einen Abschlag in Höhe von mindestens zehn Prozent auf das Ergebnis der Beleihungswertermittlung vor, wenn bei einem Objekt, das älter als zehn Jahre ist, nur eine Außen- statt einer Außen- und Innenbesichtigung stattfindet und eine Begründung für die Unterlassung fehlt.

Etwas stärker in die Tiefe gehen die Regelungen einzelner Kreditinstitute oder Verbände wie etwa dem Genossenschaftsverband der Volks- und Raiffeisenbanken: Die Wertermittlungsrichtlinie des genossenschaftlichen Finanzverbundes für das Immobilienkreditgeschäft V. 2.0 verlangt wie die BelWertV bei grundsätzlich jeder Beleihung "auch innerhalb der Kleindarlehensgrenze" eine Objektbesichtigung, bei der Faktoren wie Lage, Ausstattung und Erhaltungszustand sowie die Identität der Immobilie festzustellen sind. Die Objekte müssen oberhalb der Kleindarlehensgrenze durch Sachverständige besichtigt werden; innerhalb der Kleindarlehensgrenze wird eine "ausreichende Sachkenntnis" des Besichtigers - es kann der Mitarbeiter einer Bank, eines kooperierenden Kreditinstituts oder eine sonstige vom Institut beauftragte Person sein - verlangt.

Trend zum Outsourcing

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Zahl der Besichtigungen durch Bankmitarbeiter kontinuierlich abnimmt, was vor allem mit den anfallenden hohen Kosten gerade im Kleindarlehensbereich zusammenhängt: Ihr Einsatz ist einfach zu teuer. Noch weniger finden Besichtigungen durch Mitarbeiter kooperierender Kreditinstitute statt, da auch lokale Banken und Sparkassen inzwischen Realkredite für das gesamte Bundesgebiet vergeben, die Konkurrenz unter den Kreditinstituten stärker geworden ist.

Der Vorteil der Auslagerung dieser Dienste: Der Bankmitarbeiter kann sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Der Trend zum Outsourcing, also zur Auslagerung dieser notwendigen Maßnahmen, hat dazu geführt, dass eine weitere Entwicklung zu beobachten ist. Waren früher fast alle Besichtigungen nachgelagert, so ist heute unter anderem aufgrund relativ hoher Service Levels der Dienstleister eine klare Tendenz zur Vorverlagerung zu sehen. Das wiederum hat zur Folge, dass die Kooperationsbereitschaft der Kreditnehmer gegenüber der Bank höher ist. Zunehmend finden aufgrund der Abschlagsregelung der BelWertV Innenbesichtigungen statt, was höhere Anforderungen an die Qualifikation der Besichtiger stellt.

Trennen von Spreu und Weizen

Mit der steigenden Nachfrage von mehreren Hunderttausend Objektbesichtigungen pro Jahr ist auch das Angebot entsprechender Dienstleistungen gestiegen, doch nicht jeder Anbieter hält, was er verspricht. Welche Anforderungen muss ein guter Anbieter von Objektbesichtigungen erfüllen? Und wie lässt sich die Spreu vom Weizen trennen? Hierzu ein Blick auf die Situation der Kreditinstitute. Für diese sind Objektbesichtigungen ein Part im Rahmen eines komplexeren Realkreditvergabeprozesses, der angesichts vergleichsweise geringer Margen möglichst kostengünstig und effizient ablaufen sollte. Wichtigstes Kriterium der Objektbesichtigung ist also ein stringenter Workflow. Der gesamte Prozess sollte so optimiert wie möglich organisiert sein und den Aufwand für den internen Mitarbeiter so gering wie möglich halten.

Professionelle Anbieter stellen heute eine zentrale Plattform zur Verfügung, die verschiedene Arten der Beauftragung zulässt. Dazu zählen neben der Einzelbeauftragung auch das Anlegen von Portfolioaufträgen sowie die Übergabe von Auftragsdaten aus einer in der Bank eingesetzten Software. Denn, je weniger händische Arbeit hierbei durch den Mitarbeiter erforderlich ist, umso besser. Schnittstellen zu bankinternen Softwarelösungen sind heute problemlos möglich, um den optimalen Workflow auch technisch zu gewährleisten.

Ein Beispiel, wie so etwas aussehen kann, bietet die BB-Bank. Das Kreditinstitut, mit rund 370000 Privatkunden eine der größten und mitgliederstärksten Universalbanken für Privatkunden in Europa, setzt das Immobilienbewertungssystem Ten-[2]-Click ein, in das eine Objektbesichtigungsfunktion integriert ist. Für jeden einzelnen der 300 Beschäftigten, die das System nutzen, hat sich der Arbeitsaufwand um bis zu 30 Minuten pro Fall verkürzt. Das liegt nicht zuletzt an der Objektbesichtigungsfunktion.

Gesicht zum Kunden

Zum Workflow gehört auch ein flächendeckendes Netz an Objektbesichtigern, die die Aufträge kurzfristig erledigen können. Da die Kreditinstitute wie bereits erwähnt deutschlandweit tätig sind und Darlehen vergeben, reicht ein nur lokaler Anbieter nicht aus. Beispiel: Eine Bank aus Flensburg prüft einen Realkredit für ein Objekt in Lörrach. Stünde nur ein lokaler Anbieter aus dem Raum Freiburg als Kooperationspartner bereit, müsste sich der Bankmitarbeiter in diesem Fall auf die Suche begeben - er müsste beispielsweise im Netz recherchieren, wer solche Besichtigungen in Lörrach durchführt. Zeit geht verloren, Kosten entstehen. Daher muss der Anbieter solcher Dienstleistungen über ein deutschlandweit flächendeckendes Netz von Besichtigern verfügen.

Immer stärker rücken auch die Aspekte Besichtigungs-Know-how und Prozesssicherheit in den Fokus. Gerne werden von einigen Anbietern Rentner, Kurierfahrer oder Taxiunternehmer für entsprechende Aufträge eingesetzt. Es ist aber mehr als fraglich, ob diese die zum Beispiel in der Wertermittlungsrichtlinie geforderte "ausreichende Sachkenntnis" besitzen. Bei den zunehmend stattfindenden Innenbesichtigungen sollte darüber hinaus unbedingt auf ein angemessenes Auftreten der Besichtiger geachtet werden, da diese vor Ort die Bank vertreten. Daher sind andere Anbieter dazu übergegangen, die Besichtigungen ausschließlich durch qualifiziertes Personal durchführen zu lassen.

Die Objektbesichtiger müssen vor ihren Einsätzen eine Schulung und eine Prüfung absolvieren und erhalten erst nach bestandener Prüfung ein Zertifikat als "geprüfte Objektbesichtiger". Die Schulungen und Prüfungen beziehen sich sowohl auf die Fachkompetenz als auch auf das Auftreten gegenüber den Darlehensnehmern. Denn bei einer Auslagerung der Objektbesichtigungen ist der Dienstleister das Gesicht zum Kunden. Die Erfahrungen, die die Sprengnetter Go-Value mit diesem Konzept gemacht hat, sprechen für sich. Bei mehreren Zehntausend Innenbesichtigungen kam es bisher zu keinen nennenswerten Beschwerden.

Aspekt Prozesssicherheit: Hier ist vor allem auf die Service Level Agreements (SLA) und ihre Einhaltung zu achten. In den SLA werden vor allem Fristen der Auftragsbearbeitung geklärt: Wann wird der Darlehensnehmer über die Objektbesichtigung informiert? Innerhalb welches Zeitraums hat die Besichtigung stattzufinden? Bis wann muss das Besichtigungsprotokoll vorliegen? Ausgangszeitpunkt ist die Auftragsvergabe. Die Kreditinstitute können entscheiden, wie wichtig ihnen eine schnelle Erledigung ist. So fordern einige Institute, dass der Darlehensnehmer von einem auf den anderen Tag nach Auftragserteilung über die Besichtigung informiert wird. Klar definierte SLA gewährleisten den beauftragenden Kreditinstituten Planungssicherheit für die internen Prozesse. Die SLA bestimmen neben der Menge der Aufträge auch den Preis der Besichtigung: je höher die Anforderungen, desto höher der Preis.

Kriterien an die Objektbesichtigung

Und schließlich soll die Objektbesichtigung auch prüfungssicher sein. Im besten Fall macht der Wirtschaftsprüfer gleich einen Haken, wenn ihm die Informationen über die Objektbesichtigungen vorliegen. So wie im Fall der BB-Bank während der Kreditprüfung durch den baden-württembergischen Genossenschaftsverband. Stringenter Workflow, ein flächendeckendes Netz an qualifizierten Besichtigern, hohe Prozess- und Prüfungssicherheit sind die wichtigsten Kriterien bei Objektbesichtigungen. Und natürlich der Preis.

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