Personalmanagement

Qualifikation kontra Krise

Die Globalisierung bescherte dem deutschen Immobilienmarkt Mitte dieses Jahrtausends eine rapide wachsende Zahl ausländischer Akteure. Mit der Internationalisierung wachsen zugleich die Ansprüche an die Professionalisierung der Branche. Mit dem Boom kamen indessen auch die Leverage-orientierten Käufer und die intendierte Degeneration von Immobilien an den Laptops junger, völlig branchenunkundiger Investmentbanker zum weltweit vermeintlich per Mausklick handelbaren Finanzprodukt. Beides fand mit der Banken- und Finanzierungskrise ein jähes Ende. Seitdem folgt - mit drastischen Einbrüchen der untypisch aufgeblähten Transaktionsvolumina - die Rückbesinnung auf die Immobilie als Sachwert.

Höhere Anforderungen an die Immobilienwirtschaft

Damit einher geht als eine weitere durchaus positive - Veränderung die wieder sachgerechtere Prüfung von Kreditanfragen: Banken "winken" Kredit- und Fremdfinanzierungsanfragen nicht mehr - wie in der Vergangenheit zumindest teilweise geschehen - einfach durch, sondern haben ihre Prüfungs- und Vergabekriterien nach der 2007 eingeführten Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) immobilienspezifisch verfeinert und stellen nun deutlich intensivere und damit auch zeitaufwendigere Untersuchungen an, bevor ein Kreditantrag bei wieder branchentypischem höheren Eigenkapitaleinsatz die ratinggerechte Zusage erhält.

Von der Verkäuferseite sind damit sorgfältige Aufbereitungen aller einschlägigen Objektunterlagen gefordert, von Erwerbsinteressenten Nachweise für die Objektnachhaltigkeit beziehungsweise belastbare Exit-Strategien. Zu beidem sind Immobilienprofessionals unerlässlich.

Aufhebung der Standards durch Professionalisierung

Für die Branche zeichnet sich damit eine weiter fortschreitende Professionalisierung ab. Dies ermöglicht die überfällige Anhebung der Standards und eröffnet neue zukunftsfähige Geschäftsfelder. Rigorose Innovationsfähigkeit und -willigkeit und deutlich höheres Tempo infolge IT-geschrumpfter Kommunikationsprozesse sind die neuen Benchmarks.

Die krisenbedingt differenziert veränderten Bedingungen der Immobilienmärkte erfassen jetzt auch den (Immobi-lien-)Arbeitsmarkt. Ein spürbarer Anstieg der Arbeitslosigkeit ist nicht auszuschließen. Auf den gewerblichen Immobilienmärkten werden beispielsweise Büroimmobilien derzeit eher verhalten nachgefragt, da aufgrund von Personalabbau und Flächenoptimierungen Büroleerstände in den nächsten Jahren strukturell steigen werden. Sofern es sich nicht um Core-Objekte handelt, bleibt das Investment-Segment Bürohäuser unter Druck.

Zudem wird der wirtschaftliche Aufschwung moderater, zeitlich gestreckter und noch branchendifferenzierter als in der Vergangenheit verlaufen. Dabei ist auch entscheidend, dass die EZB rechtzeitig von der aktuellen Niedrigzinspolitik umschwenkt, sobald die Konjunktur in eine stabile Wachstumsphase übergeht. Ansonsten droht das Risiko hoher Liquidität und inflationärer Tendenzen, wie wir sie in der jüngsten Vergangenheit in immer kürzeren Zyklen erlebt haben.

Dies gilt auch für den Immobiliensektor, insbesondere, wenn die Kreditklemme überwunden ist und die Eigenkapitalquote erneut sinkt. Erste Tendenzen zum Rückwärtssalto sind am Londoner Immobilienmarkt bereits erkennbar.

Gebot der Stunde ist deshalb, den immobilienspezifischen Ausbildungsstandard in Banken- und Immobilienwirtschaft, Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfung durchgängig in allen Hierarchiestufen der Operativen und Aufsichtsräte adäquat herzustellen. Dazu sollte die neue Regierung international wie national zügig darauf hinwirken, die Berufsausübung abhängig zu machen von objektiv anspruchsvolleren internationalen Standards und Sachkundenachweisen. Auch Qualität und Elite können Krisen zwar nicht gänzlich verhindern, indessen ihre Entstehungsursachen deutlich minimieren und Auswüchse begrenzen. Die Frage ist, ob die hiesige Ausbildungslandschaft für Nachqualifizierung und Ausbildung "gewappnet" ist.

Ausweitung der Qualifizierungsangebote

Bis Ende der achtziger Jahre beschränkte sich die Auswahl immobilienwirtschaftlicher Studiengänge auf Bereiche wie das Bauingenieurwesen, Architektur, Stadtplanung und Geographie. Anspruchsvolle immobilienwirtschaftliche Spezialisierungsmöglichkeiten bildeten die Ausnahme. Hinzu kamen Ausbildungsmöglichkeiten wie zum Beispiel zum Kaufmann/Kauffrau der Haus- und Wohnungswirtschaft, zum Diplom-Verwaltungsfachwirt oder Immobilienfachwirt.

Mit der zunehmenden Professionalisierung der Immobilienwirtschaft und dem daraus resultierenden Bedarf an fundiert ausgebildeten Fach- und Führungskräften entwickelte sich in den neunziger Jahren allmählich ein breiteres akademisches Angebot. Maßgeblich initiiert wurde diese Entwicklung durch Prof. Karl-Werner Schulte seinerzeit an der European Business School, seit 2007 nun an der Uni Regensburg (IREBS), dem bedeutendsten kontinentalen Cluster der Immobilienforschung und -lehre. An beiden Universitäten gehört Aengevelt Immobilien zu den Gründungsstiftern der Lehrstühle für Immobilienökonomie.

Internationalisierung der Ausbildung

Vor gut zehn Jahren setzte dann ein regelrechter Gründungsboom immobilienwirtschaftlicher Studiengänge ein. Heute gibt es gemäß gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung mehr als 70 immobilienwirtschaftliche Studiengänge mit zahlreichen Spezialisierungsmöglichkeiten. Damit verfügt zumindest formal - die einheimische Immobilienbranche mittlerweile über ein breites Ausbildungsspektrum, das mit dem als Vorbild geltenden Angebot in Großbritannien in großen Teilen bereits konkurrenzfähig ist - wie zunehmend reger interuniversitärer Austausch von Studenten beweist.

Die Angebotsdifferenzierung allein sagt indessen im Kontext internationaler Vergleiche nicht allzu viel über die Ausbildungsqualität aus. Dazu bedarf es vielmehr enger internationaler Kooperationen von Universitäten verschiedener Nationalitäten, wie zum Beispiel der IREBS an der Universität Regensburg mit der University of Technology Sydney (UTS) oder der TU Berlin mit der New York University (NYU). Nur so ist ein objektiver Vergleich der jeweiligen Lerninhalte und Länderspezifika durchführbar und nur so lässt sich eine systematische internationale Ausrichtung von akademisch anspruchsvollen und praxisorientierten Studiengängen kreieren.

Harmonisierung der Immobilienbewertung

Der komplexe Prozess umfasst unter anderem auch die Internationalisierung der Curricula durch die Ausweitung des Lehrstoffs auf ausländische Märkte, internationale Projektentwicklungen, Redevelopments, Immobilieninvestitionen, Globalisierung der Immobilienmärkte und den Vergleich internationaler Standards und Methoden in der Immobilienwirtschaft insbesondere auch in Bezug auf Bewertungsmethoden.

Die hohe Relevanz unterschiedlicher Bewertungsmethoden für Immobilien vor dem Hintergrund der zunehmenden Verwendung des Discounted-Cash-Flow-Verfahrens (DCF-Verfahren) als "Ergänzung" zum herkömmlichen hiesigen Ertragswertverfahren gemäß Wertermittlungsverordnung (§§ 15-20 WertV) gilt es angesichts des globalen Ausmaßes der Krise nun entschlossen in Ausbildung, Wirtschaft und Politik gezielt aufzunehmen, um internationalen Grundsätzen und Praktiken gerecht zu werden und die gebotene Rückgewinnung globaler Marktstabilität so anstelle desaströser Neuverschuldungen und undifferenzierter Strohfeuer-Subventionierungen solide zu fundamentieren.

Die geplante Novellierung der seit 20 Jahren bestehenden Wertermittlungsverordnung ist ein erster Schritt in die aufgezeigte Entwicklungsrichtung. Als einer der bedeutendsten internationalen Immobilienmärkte leistet Deutschland mit der neuen Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) einen (ersten) Beitrag zur überfälligen Harmonisierung internationaler Immobilienbewertungsmethoden.

Das (internationale) DCF Verfahren wird anerkannt und normiert, das bisherige Ertragswertverfahren wird durch das sogenannte "vereinfachte Verfahren" an das angelsächsische System angeglichen, indem - analog zum DCF-Verfahren - Grundstück und Gebäude im Gegensatz zum Ertragswertverfahren nicht getrennt, sondern als wirtschaftliche Einheit angesehen werden.

Harmonisierung der Wertermittlung

Der von der seinerzeitigen Bundesregierung im April 2009 vorgelegte Entwurf wurde bis dato noch nicht vom Bundesrat gebilligt. Kommt die Novellierung zustande, so würde dies der immensen Bedeutung der Immobilie und ihrer Stellung als eigene Assetklasse gerecht und zudem durch erhöhte Transparenz und Aussagefähigkeit von Bewertungen das Ansehen von Wertermittlungen nach deutschem Recht auch im internationalen Raum erheblich steigern.

So hilfreich die internationale Standardisierung der Immobilienbewertung auch zur Bewältigung der Krise ist, sie "funktioniert" indessen nur, wenn auf allen Seiten "Wissens- und Erfahrungs-Parität" besteht.

Deswegen muss den ökonomischen Wandlungen, der gestiegenen Internationalität des Immobilienverkehrs, den sich globalisierenden Märkten und den sich daraus für die einschlägige Bewertungspraxis und den aus anderen immobilienrelevanten Themen resultierenden Konsequenzen auch und gerade in der Ausbildung konsequent Rechnung getragen werden. Für die immobilienwirtschaftliche Ausbildung lassen sich folgende Schlüsse ableiten:

- Internationale Trends sollten durch die enge Verknüpfung der Ausbildung, Wirtschaft, Politik sowie Forschung und Lehre systematisch erkannt und in die hiesigen Systeme gezielt aufgenommen werden.

- Die Ausbildung des akademischen Nachwuchses sollte einen noch höheren Praxisbezug haben, da vorwiegend theoretische Wissensvermittlung ohne umfassende praktische Anwendung zu abstrakt und damit realitätsfern bleibt. Hier ist unter anderem die Einführung des Bachelors in Deutschland durchaus kritisch zu sehen. Hinsichtlich des Ziels, zu lange Studienzeiten zu verkürzen und die Absolventen damit jünger (also wettbewerbsfähiger) in den internationalen Markt zu schicken, hat Deutschland mit der Verkürzung der Studienzeit auf sechs Semester übersteuert, da dies keinen angemessenen Raum mehr lässt für international qualitätsvermittelnde Praktika in der Immobilienwirtschaft.

- Innerhalb der mittlerweile breiten immobilienwirtschaftlichen Ausbildungslandschaft fehlt es (noch) an ausreichenden berufsbegleitenden Studienangeboten, um insbesondere in den Kreditabteilungen der Banken, in Ratingagenturen, bei Wirtschaftsprüfern und öffentlichen Verwaltungen die vorrangig betriebs- und volkswirtschaftlichen Kompetenzen um die notwendigen, häufig indessen nur unzureichend vorhandenen immobilienmarktbezogenen wirtschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen zu ergänzen. Auch dabei ist der angemessene Praxisbezug der Erfolgskompass.

Aengevelt Immobilien feiert am 1. April 2010 sein 100-jähriges Unternehmensjubiläum. Während der Spanne eines Jahrhunderts hat das Unternehmen schon unzählige Marktzyklen und Krisen erlebt und erfolgreich überstanden.

Ausschlaggebend hierfür waren und sind neben der mittlerweile leider branchenuntypischen Bewahrung der völligen Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit eine auf Kontinuität und solide Professionalität ausgerichtete Personalpolitik. Systematische, interdisziplinäre Schulungen, uneingeschränkte Seriosität, hohe Flexibilität, lebenslange Lernfähigkeit und -willigkeit sowie betonte Innovations- und Arbeitsfreude sind unerlässliche Qualitäten, die ein global agierender Immobilien-Dienstleister erfüllen muss. Das gilt für die gesamte Branche.

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