Bewertungsfragen

Risikoeinschätzung in der Immobilien-Projektentwicklung

Eine Investition in Grundbesitz basiert in der Regel auf dynamischen, unsicheren und komplexen Annahmen. Dies gilt insbesondere für Immobilien-Projektentwicklungen, handelt es sich hierbei doch weitgehend um die Generierung eines Flächenangebots für einen (meist) unbekannten Nutzer respektive Investor. Zusätzlich sind Immobilienprojekte kapitalintensiv und gehen mit vergleichsweise langfristigen Planungs- und Herstellungsprozessen einher. Ziel dieses Beitrags ist es, den Projektentwicklungsprozess zusammenfassend darzustellen sowie die Spezifität für die (Risiko) Bewertung und damit die Einschätzung von Chancen und Risiken eines Projekts zu diskutieren. Des Weiteren werden spezifische Aspekte der Bewertung von Projekten anhand der Discounted-Cash-Flow-Methode erläutert.

Prozess der Projektentwicklung

Der Zweck der Projektentwicklung liegt regelmäßig in der Ausnutzung des in einem Grundstück beziehungsweise einer Immobilie inhärenten Wertsteigerungspotenzials. Projektentwicklungsaktivitäten beziehen sich dabei nicht nur auf die Entwicklung eines Neubaus, sondern schliessen auch umfassende Revitalisierungen, die Umnutzung von Industriebauten sowie sonstige Maßnahmen zur Steigerung der Grundstücksausnutzung und der Flächenproduktivität ein. Die prozessuale Betrachtungsweise der Immobilien-Projektentwicklung wird exemplarisch anhand der Abbildung 1 dargestellt.

Der Projektentwicklungsprozess umfasst den gesamten Zeitraum von der Initiierung bis zur Realisierung und Nutzungsübergabe eines Objektes. Die Komplexität einer Projektentwicklung wird durch die regelmäßig hohe Anzahl involvierter Akteure (und deren Interessen) und zusätzlich durch die Berücksichtigung von Einflüssen der Branchenstruktur, vor- beziehungsweise nachgelagerter Märkte (Boden-, Finanzierungs- und Baumarkt) sowie Einflüsse der allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Wachstum, Entwicklungstrends, Besteuerung, demografische Entwicklung et cetera) geprägt.

Es sei festgestellt, dass der abgebildete Phasenablauf einen idealtypischen Charakter aufweist und die einzelnen Phasen in der Praxis nicht immer in der angegebenen Form durchlaufen werden. So kommt es bei konkreten Projekten in aller Regel zu Überlappungen, parallelen Abläufen und Rückkopplungseffekten, die durch die Phasenmodelle nicht hinreichend darstellbar sind. Dies betrifft insbesondere das Projektmarketing, dessen Instrumentarium bereits in einer frühen Phase des Gesamtprozesses eingesetzt werden kann respektive sollte, da eine frühzeitige Vermietung und Vermarktung des Projektes signifikante Risiken reduziert und den Projekterfolg und die Veräußerungsfähigkeit des Projektes an einen Investor nachhaltig begünstigt.

Generell ist eine kontinuierliche und frühzeitige Identifikation und Bewertung von Risiken in allen Phasen des Prozesses von zentraler Bedeutung, da das Zeitfenster für vorsorgliches, proaktives Handeln vergrössert wird. Zu spät erkannte Gefahren führen hingegen leicht zu einem reaktiven Anpassungsdruck. Oft sind bis dahin irreparable Schäden entstanden, respektive Kosten aufgelaufen. Unerkannte oder sehr spät erkannte Risiken können dabei Krisen auf Projektstufe oder sogar Unternehmensstufe auslösen.

Bewertung von Immobilienprojekten

Die wertmäßige Beurteilung von Immobilienprojekten findet für unterschiedliche Zwecke statt, wie zum Beispiel zur Marktwertermittlung bei Transaktionen, zur Bestimmung von Beleihungswerten im Rahmen der Finanzierung als auch für bilanzielle Zwecke und zur Deckung des Informationsbedürfnisses von Kapitalgebern und Investoren. Eine Bewertung kann außerdem als Controlling-Instrument bei der wirtschaftlichen Umsetzung im Sinne eines Soll-Ist-Vergleichs dienen, wobei mit zunehmender Realisierung des Projektes eine Konkretisierung der Eingangsgrößen vorgenommen werden kann.

Das Methodenset, welches zur Bewertung von Projektentwicklungen herangezogen wird, reicht vom Vergleichswertverfahren, der Bewertung des Residualwertes (bei welcher der Endwerte eines Projektes abzüglich der Kosten für dessen Fertigstellung und Vermietung berechnet wird) bis hin zu dynamischen Barwertberechnungen. Die Wahl des Bewertungsverfahrens hängt im Wesentlichen von dem zu bewertenden Immobilienprojekt sowie den damit verbundenen Nutzungen und dem Projektstatus zum Bewertungsstichtag ab.

Dynamische Bewertungsmethodik

In den vergangenen Jahren hat sich die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF-Methode) als flexible und detaillierte Bewertungsmethodik von Immobilienprojekten etabliert. Bei der DCF- oder Barwert-Methode werden die Erträge und Aufwendungen auf einen fixierten Zeitpunkt, welcher in der Regel dem Bewertungszeitpunkt entspricht, abgezinst. Sie erlaubt es, differenzierte Annahmen über den Betrachtungszeitraum zu treffen und ermöglicht somit einen vergleichsweise hohen Grad an Transparenz. Durch die spezifische Abbildung von Risiken in den Cash-Flows kann in der Regel auf eine pauschalierte Anwendung von Zu- oder Abschlägen dieser Risiken verzichtet werden.

DCF-Bewertungen können sich für komplexe Vorhaben mit langfristiger Realisierungsdauer und/oder zeitlich gestaffelter Realisierung besonders eignen. Basierend auf den zukünftigen Einnahmen und Ausgaben wird dazu in einer ersten Periode die Planungs- und Herstellungsphase abgebildet. Die Diskontierung erfolgt dabei unter individueller Berücksichtigung des Risikopotenzials in der abgebildeten Phase und ist deshalb in der Regel höher als bei einem fertiggestellten und stabilisierten Bestandsobjekt. In der zweiten Periode wird basierend auf einem Exit-Cash-Flow und unter Berücksichtigung der zukünftigen Investitionsmaßnahmen ein sogenannter Rest- beziehungsweise Exitwert ermittelt, welcher in der Wahl des Kapitalisierungszinssatzes das spezifische Risikoprofil einer fertig erstellten und vermieteten Immobilie berücksichtigt.

Zentrales Element der Bewertung von (spekulativen) Immobilienprojekten ist die Beurteilung des Ertragspotenzials sowie der Verkäuflichkeit eines Projektes. Für die Einschätzung der Handelbarkeit von Projekten sind neben den üblichen Kriterien, welche aus der Bewertung von Bestandsobjekten bekannt sind, insbesondere folgende Aspekte relevant:

- Beurteilung des relevanten Mieter- und Transaktionsmarktes (Heterogenität des Marktes),

- Einschätzung der Wettbewerbssituation des Projektes,

- Planungsprozess sowie Bewilligungssituation,

- Marktkonformität der Nutzungskonzeption,

- Kostensituation/-sicherheit,

- Status des Herstellungsprozesses sowie

- (Vor-)Vermietungsstand respektive Vermarktungsstand.

Simulationsbasierte Bewertungen

Ertragsorientierte Bewertungsverfahren wie auch die DCF-Methode sind regelmäßig deterministisch orientiert, womit die wertrelevanten Variablen mit nur einem Wert in die Berechnung einfliessen. Entsprechend wird auch das Resultat der Bewertung als eine monetäre Größe für den geschätzten Marktwert ausgewiesen. Dabei ist es plausibel anzunehmen, dass die unterschiedlichen Variablen mit alternierenden Werten in die Berechnung eingehen könnten, was abweichende Ergebnisse zur Folge hätte. Hierin liegt der entscheidende Schwachpunkt dieser Verfahren, da eine Scheingenauigkeit ausgewiesen wird, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht entsprechend exakt sein dürfte. Dies betrifft insbesondere Eingangsgrößen für zukünftige Erträge bei spekulativen Entwicklungsvorhaben.

Als Weiterentwicklung der traditionellen DCF-Methode können simulationsbasierte (stochastische) DCF-Methoden gesehen werden, welche die Dimension der Wahrscheinlichkeit mit einbeziehen. Da die Werte vieler Variablen einer Bewertung nicht mit absoluter Sicherheit bestimmt werden können, werden bei stochastischen Verfahren diese Variablen als Bandbreite mit ihren individuellen Wahrscheinlichkeitsverteilungen dargestellt. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht die Anwendung der Monte-Carlo-Methode. Dabei findet eine Erfassung von Risiken, beispielsweise durch die Angabe von (a) Mindestwert, (b) wahrscheinlichstem Wert und (c) Maximalwert einer Planungsposition (zum Beispiel Marktmieten, Mietwachstumsrate oder Leerstandsquote), statt. Ausgehend von den quantifizierten Risiken kann mittels Simulation eine große repräsentative Anzahl risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien der Ertrags- und Cash-Flow-Entwicklung eines Immobilienprojektes bestimmt werden.

Etablierung strukturierter Verfahren der Risikobewertung

Die konsistente Anwendung von Methoden der Risikobewertung ist ein kritischen Erfolgsfaktor für ein effizientes Risikomanagement. Es gilt, die Eintrittswahrscheinlichkeit und das mögliche Ausmaß von eintretenden Risiken zu analysieren und im besten Fall zu quantifizieren. Fraglich ist wie etabliert entsprechende Verfahren in der unternehmerischen Praxis sind.

In einer durch den Verfasser im Jahr 2005 durchgeführten empirischen Umfrage unter 69 führenden europäischen Projektentwicklungsunternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Spanien und der Schweiz gaben 98,5 Prozent der Umfrageteilnehmer (N = 67) an, dass ein effizientes Risikomanagement Grundlage für einen nachhaltigen Erfolg in der Immobilienprojektentwicklung darstellt. Gleichzeitig nannten 44,1 Prozent der Umfrageteilnehmer (N= 68), dass sie nicht über ein aus ihrer Sicht hinreichendes Konzept zur Risikobewertung verfügen. Betreffend die Herangehensweise zur Risikobewertung und möglicher Methoden zeigt Abbildung 3 die Häufigkeitsverteilung der Antworten (Mehrfachantworten möglich).

Die Umfrageergebnisse zeigen mit 69,6 Prozent der befragten Projektentwicklungsunternehmen (N = 69) eindeutig auf, dass die Risikobewertung von Projektentwicklungen vornehmlich einer subjektiven und intuitiven Sichtweise des Developers unterliegt. Der persönliche Erfahrungsschatz der beurteilenden Person und deren "gesunder Menschenverstand" oder auch "Bauchgefühl" ist in diesem Fall eine hohe Bedeutung beizumessen. Mit je 43,5 Prozent sind Szenariotechniken sowie Sensitivitätsanalysen weitere etablierte Methoden. Gründe für die bevorzugte Anwendung dieser Bewertungsvorgehen und -verfahren dürften in deren praktischen und vergleichsweise einfachen Durchführungsmöglichkeit liegen.

34,8 Prozent der Umfrageteilnehmer ziehen externe Bewerter hinzu, um durch eine "Second Opinion" die eigenen Annahmen zu plausibilisieren. Offenkundig ist, dass simulationsbasierte Methoden mit 10,1 Prozent und Value-at-Risk-Ansätze mit 7,2 Prozent kaum als etabliert bezeichnet werden können. Zusammenfassend weisen die Umfrageergebnisse darauf hin, dass hinsichtlich der Risikobewertung ein deutliches Verbesserungspotenzial besteht.

Das Vorhandensein einer belastbaren Tiefe und Dichte von Marktinformationen stellen einen neuralgischen Punkt in der Beurteilung des Risikoprofils von Projektentwicklungen dar. Auf die Frage, welche marktseitigen Informationsbedürfnisse auf Projektstufe im Vordergrund stehen, haben Informationen zum Mietermarkt deutliche Priorität. Sowohl Nachfrage und Angebot auf den Mietermärkten, als auch Marktmieten sind für Projektentwickler in der Umfrage die drei wichtigsten Informationsgrundlagen im Umgang mit der Risikoeinschätzung von Immobilienprojekten. Informationen zu Leerständen runden eine Einschätzung des relevanten Mietermarktes ab.

Ein weiteres signifikantes Informationsbedürfnis besteht bezüglich der Daten zur Nachfrage auf dem Transaktionsmarkt. Nur auf Basis von entsprechenden Informationen ist eine fundierte Einschätzung der Veräußerungsfähigkeit und eine Einschätzung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit einer Projektentwicklung möglich.

Multidisziplinäre Herausforderung

Die Immobilien-Projektentwicklung stellt sich insgesamt als eine sehr komplexe, dynamische und multidisziplinäre Herausforderung dar. Methodisch adäquate Bewertungsansätze sowie fundierte Kenntnisse des Entwicklungsprozesses und damit verbundenen Risikoaspekten und deren Bewertung sind unabdingbar für ein effizientes Risikomanagement. Trotz möglicher Bewertungsmethoden basiert die Risikobewertung massgeblich auf subjektiver Einschätzung der handelnden Personen. Stochastische Verfahren ermöglichen eine weitere Objektivierbarkeit in der Risikobewertung.

Dabei sind die zur Verfügung stehenden Daten und deren spezifische projektspezifische Anwendbarkeit von herausragender Bedeutung. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die weitere Etablierung von Risikomanagement-Konzepten sowie unterstützender Instrumente auf strategischer Ebene als auch dem operativen Geschäftsablauf in der betrieblichen Praxis erhebliches Optimierungspotenzial eröffnet.

Dr. Thomas Wiegelmann , Geschäftsführer , Schroder Real Estate, München
Noch keine Bewertungen vorhanden


X