Expo Real Messeausgabe

Trends und Entwicklungen im spanischen Immobilienrecht

In der jüngsten Vergangenheit hatte Spanien die internationale Finanzwirtschaft beunruhigt. Überkapazitäten in der Bauwirtschaft ließen die Leerstände in Ge werbe- und Wohnimmobilien steigen und die Preise fallen. Die Arbeitslosenzahlen explodierten und die Konjunktur brach ein. Trotz relativ niedriger Verschuldungsquote wuchsen die Zweifel an der Solvenz des Landes und eine Reihe spanischer Sparkassen fiel im Stresstest durch. Zu Jahresbeginn verunsicherten dann auch noch widersprüchliche Urteile zur Zwangsvollstreckung die Immobilienfinanzierer. Doch inzwischen hat Spanien seine Hausaufgaben gemacht und gesetzlich mehr Klarheit geschaffen, loben die Autoren. Neue Anreize für Investoren könnten dem Immobilienmarkt, der Bauwirtschaft und der Konjunktur sogar wieder Schwung geben. (Red.)Die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise, die Mitte 2008 ihren Anfang nahm, haben auch Spaniens Immobilienmarkt nicht verschont. Seitdem hat sich aber vieles getan. In Zeiten fast täglicher Euro-Krisen-Meldungen und Staatsverschuldungsdebatten wird Spanien von sämtlichen anerkannten Institutionen bescheinigt, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. So wird an Lösungen und Konzepten gearbeitet, um den Immobiliensektor in Fahrt zu bringen und neue Anreize für Investoren zu schaffen. Auch die spanischen "Marktriesen" sind dabei, ihr Portfolio zu internationalisieren, wie beispielsweise die Übernahme von Hochtief durch ACS zeigt. Zudem eröffnen sich gerade jetzt beste Möglichkeiten der Beteiligung an "Distressed Business" und "Sale-and-Lease-back"-Transaktionen großer spanischer Unternehmen, Sparkassen und Geschäftsbanken, die ihre Ursache zumeist in der Notwendigkeit komplexer finanzieller Umstrukturierungsprozesse haben und frisches Kapital für die Bilanzen bringen. Hierüber wurde bereits in der Expo Real Ausgabe 2010 berichtet. Beachtenswert ist des Weiteren, dass über 95 Prozent der spanischen Finanzinstitute den IWF-Stresstest mit Bravour bestanden haben, sodass die teilweise Abstrafung an den Börsen mehr auf ihr Portfolio sowie die allgemeine Krisenstimmung zurückzuführen sind und kaum in der eigentlichen Finanzsituation der Kreditinstitute begründet liegt. Erhöhung des Zuschlagswerts Vor dem Hintergrund sich häufender Zwangsversteigerungen von beliehenen Immobilien und dem gleichzeitig - zumindest regional - teilweise starken Wertverfall der Beleihungsobjekte1) war es nur eine Frage der Zeit, dass sich spanische Gerichte mit Vollstreckungsfällen befassen mussten, bei denen sich die Bank die Immobilie für einen Wert zuschlägt, der die Frage der Haftung für die Restdarlehensschuld aufwirft. Über diese Themen sowie die jüngst beschlossene Herabsetzung der spanischen Mehrwertsteuer (Impuesto sobre el Valor Añadido2), kurz IVA) für den Kauf von Neubauwohnungen von acht auf vier Prozent berichtet dieser Beitrag. Die Frage des Schicksals der (Rest-)Darlehensschuld bei einem Zuschlag an die vollstreckende Bank nach einem erfolglosen Versteigerungsversuch auf Grundlage des Artikels 671 der spanischen Zivilprozessordnung (Ley de Enjuiciamiento Civil3), kurz LEC) hatte die Gerichte bereits Anfang des Jahres mehrfach beschäftigt. In Immobilien & Finanzierung Heft 05/06-2011 wurde diesbezüglich über zwei sich widersprechende Urteile berichtet und die Frage gestellt: "Kommt das amerikanische Modell?" oder anders ausgedrückt: Darf die Bank zukünftig nur noch in die von ihr finanzierte Immobilie vollstrecken und diese Haftung nicht auch auf das übrige Vermögen des Schuldners ausweiten? Im Ergebnis wird man diese Frage wohl trotz ausstehender höchstrichterlicher Entscheidung verneinen müssen, da zwischenzeitlich der Gesetzgeber aktiv geworden ist, um sich dieses für die Rechtssicherheit bei Hypothekenfinanzierungen für alle Beteiligten, die Kreditnehmer und die Investoren, höchst sensiblen Sektors anzunehmen. So berichtete die einschlägige Wirtschaftspresse Spaniens am 30. Juni des Jahres von einem grundlegenden Konsens der beiden großen spanischen Volksparteien (PSOE und PP) und der katalanischen CIU in Bezug auf die Anhebung des Zuschlagswertes im Rahmen der Zwangsversteigerung von Immobilien, der bis dahin 50 Prozent betrug. Der von anderen Fraktionen verfolgte Vorschlag einer vollständigen Tilgungswirkung der Restschuld im Moment des Zuschlags an die Bank (sogenanntes amerikanisches Modell) konnte sich hingegen in Spanien nicht durchsetzen. Gewissermaßen "über Nacht" wurden Neuregelungen zur spanischen Hypothekenvollstreckung erlassen und, neben anderen Maßnahmen, eine Anhebung des Zuschlagswertes bei Zwangsversteigerungen von Immobilien auf 60 Prozent eingeführt. Dieses Maßnahmenpaket trat am 7. Juli im Eilverfahren mit Veröffentlichung im spanischen Staatsanzeiger (BOE) durch das Königliche Gesetzes-Dekret 8/20114) vom 1. Juli in Kraft. Soweit es die hier behandelte Thematik betrifft, werden konkrete Hilfsmaßnahmen für die hart getroffenen Hypothekenschuldner erlassen. Diese werden unter dem "Kapitel I - Situation der Hypothekenschuldner" des genannten Gesetzes zusammenfassend in zwei Artikel aufgegliedert: Unter "Sektion Erstens - Unpfändbarkeit der familiären Einkünfte" (Art. 1), wird ausschließlich für diejenigen Schuldner, die ihre Immobilie im Rahmen einer Versteigerung verloren haben und bei denen der Erlös dennoch nicht ausreichend war, um die Schulden zu begleichen, der Pfändungsfreibetrag auf 150 Prozent des gesetzlich festgelegten Mindestlohnes (sogenannter Salario Mínimo Interprofesional5), kurz SMI) angehoben, das heißt auf rund 962 Euro monatlich; eine Anhebung um weitere 30 Prozent ist für jedes zentrale Familienmitglied vorgesehen, das nicht mehr als den Mindestlohn als Einkommen vorweisen kann. Unter "Sektion Zweitens - Versteigerung von Immobilien" (Art. 2), wird eine Modifikation der Artikel 669, 670 und 671 der LEC vorgenommen: - Mit dem Ziel, den Betroffenen eine angemessenere Gegenleistung für ihre zu versteigernde Immobilie zu garantieren, wird bestimmt, dass in keinem Fall ein Wert von 60 Prozent des festgelegten Versteigerungswertes unterschritten werden darf, sofern der Zuschlag letztlich dem Gläubiger (der Bank) erteilt wird. - Ergänzend wird bestimmt, dass Versteigerungsteilnehmer anstatt 30 Prozent nunmehr 20 Prozent des Versteigerungswertes zu hinterlegen haben, um mitbieten zu dürfen. Hierdurch sollen in erster Linie das Interesse und die Beteiligungen an Versteigerungen insgesamt stimuliert werden, um einen besseren Erlös zu erzielen. Weniger Mehrwertsteuer beim Kauf von Neubauwohnungen Im Ergebnis führen diese Neuregelungen zu einer deutlichen Reduzierung des zu tilgenden Restbetrags. Ergänzt wird dieser Schutzmechanismus noch durch die zuvor beschriebene Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen. Ob dieses Maßnahmenpaket tatsächlich zu "gerechteren" Lösungen führen wird, bleibt abzuwarten. Der Schutz der Darlehensnehmer bei Zwangsversteigerungen ihrer Häuser hat sich in jedem Fall, wenn auch nicht gleich dem amerikanischen Modell, spürbar erhöht. Für Neubestellungen von Hypotheken bedeutet dies aus Bankensicht, umso mehr auf eine zielorientierte Festlegung des Versteigerungswertes zu achten, um nicht an den Marktrealitäten im Rahmen einer Versteigerung zu scheitern. Für Kaufinteressenten bieten sich hingegen verstärkt Möglichkeiten an, als Bieter zu attraktiveren Preisen Eigentümer einer spanischen Immobilie zu werden. Nachdem die spanische Regierung die Mehrwertsteuer auf Käufe von Neubauwohnungen erst vor 13 Monaten um einen Prozentpunkt auf acht Prozent angehoben hatte, wurde nun mittels Königlichem Gesetzesdekret 9/2011 vom 19. August 20116) über Maßnahmen zur Verringerung des Haushaltsdefizits eine außerordentliche Herabsetzung der IVA für Immobilienkäufe auf vier Prozent verabschiedet. Primäres Ziel ist die direkte Ankurbelung des Immobilienmarkts im Hinblick auf eine gewünschte Reduzierung der derzeit noch unverkauften Wohnungsbestände und damit ein Abbau der Leerstände von etwa 700000 Neubauwohnungen. So lassen sich beispielsweise beim Kauf einer Neubauwohnung für 200000 Euro allein 8000 Euro IVA sparen. Indirekt soll auch eine Wiederbelebung des Bausektors stimuliert werden, der krisenbedingt in Spanien von allen Wirtschaftsbereichen wohl am stärksten betroffen und damit auch überwiegend für die hohe Arbeitslosenquote verantwortlich ist. Es handelt sich zwar um eine zeitlich begrenzte Maßnahme, welche lediglich für vier Monate bis zum 31. Dezember 2011 gelten soll. Die Opposition hat aber im Zuge des aktuell geführten Wahlkampfs für die vorgezogenen Parlamentswahlen am 20. November 2011 bereits angekündigt, dass sie die genannte Maßnahme im Falle eines Wahlsiegs verlängern werde. Kritisiert wird allerdings, dass sich die Maßnahme nicht auch auf den Wohnungskauf aus zweiter Hand erstreckt, der nicht der Mehrwertsteuer, wohl aber der spanischen Vermögensübertragungssteuer (Impuesto sobre Transmisiones Patrimoniales7), kurz ITP) unterliegt, welche den jeweiligen autonomen Gebietskörperschaften Spaniens (Comunidades Autónomas)8) zusteht und zumeist bei sieben Prozent9) liegt. Weitere mit diesem Maßnahmenpaket verbundene Änderungen der Körperschaftssteuer sollen die Haushaltssituation verbessern, ohne die Unternehmen mit Steuererhöhungen zu belasten. Zur Erinnerung: Der spanische Bankensektor hat den IWF-Stresstest überwiegend mit guten Ergebnissen bestanden und konnte bekanntlich mehr als akzeptable Ergebnisse vorweisen. Dies nicht zuletzt aufgrund der strikten Kontrolle und Aufsicht durch die spanische Zentralbank, die Banco de España. Insbesondere zwei Aspekte sind hierbei von besonderer Bedeutung: Die einzigen Institute, die Defizite beim Stresstest aufwiesen, waren eine Reihe, also nicht alle, spanische Sparkassen, und als gesündeste Bank Europas wurde eine spanische Privatbank, die Banca March10), ermittelt. Umstrukturierungen im Finanzsektor Auch der spanische Staat war in diesem Zusammenhang keineswegs untätig und verfügte in erster Linie zwei Maßnahmen: Zum einen wurde der durch die Banco de España abgesicherte Betrag bezüglich der durch die Bürger bei den Kreditinstituten geleisteten Einlagen auf bis zu 100000 Euro erhöht. Zum anderen hat die Banco de España, treu ihrer Linie, sämtlichen Kreditinstituten verschärfte Solvenzvorschriften auferlegt, um bei ihr Kredite beantragen zu können. Vor dem Hintergrund der Umstrukturierungsmaßnahmen des weltweiten Finanzsektors sahen sich die Sparkassen wiederum gezwungen, ihre Geschäftsstruktur umzustellen beziehungsweise diese den neuen Verhältnissen anzupassen. Dies geschah in erster Linie durch Zusammenschlüsse sowie in bestimmten Fällen durch eine Neuausrichtung zu echten Geschäftsbanken hin. Interessant ist diesbezüglich auch die Art und Weise, wie diese Zusammenschlüsse umgesetzt werden, und zwar mittels sogenannter "kalter Fusion" (fusión fría). Dies bedeutet, dass jedes einzelne Institut für sich betrachtet eigenständig - und zwar auch nach außen hin - fortlebt, wohingegen das gesamte Finanzgeschäft über ein zu diesem Zweck neu gegründetes Bankinstitut abgewickelt wird, an dem alle sich zusammenschließenden Sparkassen wiederum entsprechend beteiligt sind. Dieses neue Kreditinstitut unterliegt - als Bank und in der Form einer Handelsgesellschaft - der strengen Kontrolle und Aufsicht der Banco de España und kann sich, da ihm ausschließlich sanierte Aktiva zugeflossen sind, mit einer Finanzkraft, die weit über derjenigen der Sparkassen als Einzelinstitute liegt, präsentieren und damit Kreditwürdigkeit gegenüber der spanischen Zentralbank zurückgewinnen. All diese Maßnahmen haben zu einer spürbar höheren Sicherheit im spanischen Finanzsektor geführt, was als begrüßenswert anzusehen ist und Spanien seinen Status als attraktiven Investitionsstandort sichert. Verbesserung der Standortqualität Trotz der im Zuge der internationalen Krise in Mitleidenschaft gezogenen spanischen Wirtschaft bieten sich gerade vor dem Hintergrund der beschriebenen Umstrukturierungsprozesse der Immobilienportfolios spanischer Finanzinstitute, bei gleichzeitigem starken Investitionsdrang der multinationalen Unternehmen Spaniens im Ausland, gute Investitionsmöglichkeiten in Spanien. Die seitens der spanischen Regierung beschlossenen Maßnahmen führen international zu Vertrauen auf den Märkten und regen zudem zu mehr Aktivität auf dem eigenen Wohnungsmarkt an, der krisenbedingt insgesamt am stärksten zu leiden hat. Das gute Abschneiden der spanischen Banken bei dem Stresstest und der Reformprozess im Sparkassensektor tragen zu einer Stärkung des spanischen Finanzsektors bei, sodass die Banken wieder auf frisches Geld zur Eröffnung neuer Kreditlinien auf dem spanischen Immobilienmarkt setzen können, sobald die Umstrukturierungsmaßnahmen abgeschlossen sind, womit allgemein in Kürze gerechnet wird. Fußnoten 1) Ausnahmen sind beispielsweise die Balearen und die Kanarischen Inseln sowie die Ballungszentren Madrid und Barcelona. 2) Ley 37/1992, de 28 de diciembre, del Impuesto sobre el Valor Añadido. 3) Ley 1/2000, de 7 de enero, de Enjuiciamiento Civil. 4) Real Decreto-ley 8/2011, de 1 de julio, de medidas de apoyo a los deudores hipotecarios, de control del gasto público y cancelación de deudas con empresas y autónomos contraídas por las entidades locales, de fomento de la actividad empresarial e impulso de la rehabilitación y de simplificación administrativa. 5) Gemäß dem "Real Decreto 1795/2010, de 30 de diciembre, por el que se fija el salario mínimo interprofesional para 2011" liegt dieser für 2011 bei 641,40 Euro monatlich, wobei für 2012 im Zuge des aktuell stattfindenden Wahlkampfs in Spanien bereits weitere deutliche Erhöhungen im Gespräch sind. 6) Real Decreto-ley 9/2011, de 19 de agosto, de medidas antidéficit. 7) Real Decreto Legislativo 1/1993, de 24 de septiembre, por el que se aprueba el Texto Refundido de la Ley del Impuesto sobre Transmisiones Patrimoniales y Actos Jurídicos Documentados. 8) Insgesamt gib es in Spanien 17 "Comunidades Autónomas", plus 2 unabhängige Städte Ceuta und Melilla. 9) In Katalonien hingegen acht Prozent; auf den Kanaren beispielsweise "nur" 6,5 Prozent. 10) http://www.bancamarch.es/ Spanische Privatbank mit Büros auf den Balearen und den Kanarischen Inseln.

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