Leitartikel

Trügerische Zufriedenheit

Dem aufmerksamen Leser der Beiträge in diesem Schwerpunkt wird schnell eines auffallen: Der genossenschaftliche Finanzverbund ist - zumindest in der Außendarstellung - außerordentlich zufrieden mit sich. "Alles zum Wohle der Primären", "ein geschlossener Verbund kann den großen internationalen Konzernen trotzen", "die Nähe zum Kunden ist der zentrale Erfolgsfaktor" sind nur einige Beispiele. Nun kann man sagen, das kennt man schon von den Kreditgenossen. Aber trügerisch ist diese Zufriedenheit schon. Denn "wer rastet, der rostet", weiß schon der Volksmund. Und eifrige, aggressive Unternehmenslenker aus allen Branchen sprechen bei Stagnation gerne schon von Rückschritt. Es ist daher zu hoffen, dass es innen drinnen in der großen Geno-Familie anders aussieht. Dass hier noch ein wenig dieser konstruktiven Streitbarkeit übrig geblieben ist, dass nicht alles Kritische im kollektiven Schulterklopfen und "Wir-haben-uns-alle-lieb" untergegangen ist.

Denn die Genossenschaftsbanken verlieren Marktanteile. Vor allem im wichtigen Wettbewerb um Einlagen sind die Kreditgenossen in den vergangenen fünf Jahren zurückgefallen. Betrug ihr Anteil an den gesamten Einlagen und aufgenommenen Krediten von inländischen Unternehmen und Privatpersonen laut Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank Ende 2002 noch 21 Prozent, sind es Ende 2007 nur noch gut 20 Prozent. Bei den Sichteinlagen sank der Geno-Anteil leicht von 20,3 auf 20,1 Prozent, bei den Spareinlagen deutlicher von 29,7 auf 28,1 Prozent. Bei den Wertpapieren vereinen Volks- und Raiffeisenbanken samt ihrer beiden Zentralbanken noch 14,4 Prozent der Bestände auf sich, nach 14,7 Prozent vor fünf Jahren. Lediglich im Kreditgeschäft konnten die Genossenschaftsbanken ihren Marktanteil von 16,2 auf 16,6 ein wenig ausbauen. Und im Ankerprodukt Baufinanzierung? Hier konnten die Genossen in den vergangenen sieben Jahren ihren Marktanteil zwar von 14,1 auf 16,6 Prozent ausbauen, liegen aber immer noch klar hinter den Kreditbanken und natürlich hinter der Sparkassenorganisation, die 22,7 respektive 31,4 Prozent auf sich vereinen.

Damit wird eines klar: Der genossenschaftliche Finanzverbund ist in allen wesentlichen Geschäftsfeldern seinem erklärten Ziel eines Marktanteils von 30 Prozent nicht nähergekommen - im Gegenteil. Dabei ist außerdem noch zu berücksichtigen, dass die Bundesbankstatistik durch die Zurechnung der Sparda-Banken und der PSD-Banken zu den Kreditgenossenschaften ein wenig verschönert ist. Wir machen den Weg frei, heißt es in der Werbung. Es ist ein sehr, sehr langer Weg!

Woran mag´s liegen? Walter Weinkauf, Präsident des Frankfurter Verbandes, hat vor allem Schwächen in der Vertriebsunterstützung ausgemacht: "Für die Ortsbanken fehlten anfangs die entsprechenden Systeme, um auf die Herausforderungen rasch zu reagieren. Hier war der Verbund nicht aufeinander abgestimmt. Die einzelnen Banken sind in ihrer Aufstellung zu klein, um solche Geschäftsfelder, wie sie heute vorgehalten werden müssen, selbst zu gestalten." Das ist aber nur ein Baustein. Ein weiterer ist die dringende Erhöhung der Beratungsqualität. Aber woher nehmen? Die Commerzbank beispielsweise sucht bis zu 400 neue Berater im Privatkundengeschäft, alle sind auf der Pirsch. Hinzu kommt, dass gerade die Kreditgenossenschaften die alte "Schaltermentalität" noch lange nicht abgelegt haben. Es gibt Volksbanken-Vorstände, die zu berichten wissen, dass sie mehr Wünsche um Versetzungen in das kundenferne Back-Office als dort zur Verfügung stehende Stellen haben. Aktiv verkaufen - davor hat der gewöhnliche Bankbeamte Angst.

Die Verbünde sollten und können sich auch nicht darauf verlassen, dass die Preisspirale irgendwann wieder in die andere Richtung umschlagen und gleichzeitig ordentliche Beratung wieder mehr an Bedeutung gewinnen wird. Die nachwachsenden Generationen sind voll von der vorherrschenden "Geiz-ist-Geil-Mentalität" geprägt. Erstes Kriterium bei der Auswahl eines Produktes und einer Bank ist der Preis und wird es auch bleiben. Das heißt die Kernkompetenz der Filialbanken, nämlich die Beratung, wird weiter an Bedeutung verlieren. Nur wenn es den Kreditgenossen gelingt, durch effizientere (zentrale) Systeme attraktive und wettbewerbsfähige Preise bieten zu können und diese mit einer ordentlichen Beratung zu verbinden, werden sie im Markt nicht weiter zurückfallen.

Und gerade in den Ballungszentren, aber auch darüber hinaus muss über eine bessere, gemeinsam von Verbundunternehmen und Platzbanken betriebene Vertriebsoffensive nachgedacht werden. Es scheint, dass die Sparkassen mit immer noch elf Landesbausparkassen, die regional aufgestellt und auch im Eigentum der Sparkassen sind, besser fahren als der Finanzverbund, der einer bundesweit agierenden Schwäbisch Hall (zu) viel Misstrauen entgegenbringt. Kannibalisierungseffekte in den Ballungszentren sind kaum zu befürchten. Kaum eine Volksbank kommt hier über zehn Prozent hinaus.

Mit Ausnahmen: Wie Baufinanzierung im Verbund und in Ballungszentren erfolgreich gestaltet werden kann, zeigt exemplarisch die Frankfurter Volksbank. Die Marktanteile nicht nur in der privaten Baufinanzierung in Frankfurt und Umgebung sind durchaus bemerkens- wenn nicht gar bewundernswert. Die Redaktion gratuliert ihrem Herausgeber - zum Erfolg, aber vor allem zum Geburtstag. Hans-Joachim Tonnellier, Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Volksbank, wurde am 13. März dieses Jahres 60 Jahre alt. Glück auf! P. O.

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