Schwerpunkt: Markt- und Objektbewertung

Update 2012: Standards der Beleihungswertermittlung

Dass Deutschland von Turbulenzen auf den Immobilienmärkten der Welt weitestgehend verschont geblieben ist, hat viele Ursachen. Eine davon ist die in Deutschland stabilisierend wirkende Art der Immobilienfinanzierung zum langjährigen Festzins, die häufig mit Hypothekenpfandbriefen refinanziert wird. In diesem Fall ist die Ermittlung eines Beleihungswertes obligatorisch.

Der Beleihungswert ist der Wert einer Immobilie, der unabhängig von vorübergehenden, etwa konjunkturbedingten Wertschwankungen bei einer Veräußerung voraussichtlich erzielt werden kann. Er soll während der gesamten Dauer der Beleihung, meist also für viele Jahre, gelten. Dieser Zeitraumbezug ist der wesentliche Unterschied des Beleihungswerts zum stichtagsbezogenen Marktwert. Spekulative Elemente wie eine eventuell mögliche Mietsteigerung dürfen bei der Beleihungswertermittlung keine Rolle spielen.

Die Grundlage für die Ermittlung von Beleihungswerten in der Immobilienfinanzierung ist seit August 2006 die Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV). Allerdings ist der Beleihungswert als Wertkonzept viel älter. Er geht auf das Jahr 1900 zurück, als er erstmals im Hypothekenbankgesetz kodifiziert wurde. Seitdem wurde die Methodik kontinuierlich weiterentwickelt. Insbesondere seit den 1990er Jahren wurden viele Qualitätsstandards erarbeitet, die schließlich in der BelWertV aufgingen. Sie hat die bis dahin üblichen Vorgehensweisen vereinheitlicht, systematisiert, präzisiert und modernisiert. Eine erste Novellierung der BelWertV erfolgte im Jahr 2009.

Ein wichtige Funktion: Übertreibungen glätten

Im Fokus der Ermittlung des Beleihungswertes stehen die langfristigen und nachhaltigen Merkmale einer Immobilie sowie ihre derzeitige und mögliche anderweitige Nutzung. Die Krise auf den Immobilien- und Finanzmärkten der letzten Jahre wurde nicht zuletzt durch die Finanzierung auf Basis stichtagsbezogener Marktwerte verursacht. Der in einer Boom-Phase ermittelte Marktwert einer Immobilie mag in diesem Moment völlig richtig ermittelt worden sein. Allerdings ist Immobilienfinanzierung zumeist langfristig orientiert. Die Gefahr ist groß, dass ein zu Boom-Zeiten ermittelter Marktwert nicht mehr realisiert werden kann, wenn die Immobiliensicherheit zu einem späteren Zeitpunkt verwertet werden soll.

Zum Konzept des Beleihungswertes gehört - im Gegensatz zur Marktwertermittlung - die Glättung übertriebener Marktentwicklungen. In seiner jahrzehntelangen Anwendung hat er dazu beigetragen, dass die hypothekarische Kreditvergabe in Deutschland stabilisierend auf den Immobilienmarkt wirkte und wirkt. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der deutsche Pfandbrief als Kapitalmarktpapier bislang jede Finanzkrise unbeschadet überstanden. Pfandbriefinvestoren haben Vertrauen in ein Papier, das umfangreichen gesetzlichen Vorschriften unterliegt und dessen besicherte Immobilien (Deckungswerte) sorgfältig gemäß BelWertV bewertet wurden. Zudem unterliegen die Pfandbriefbanken der Bankenaufsicht durch die BaFin und die Bundesbank.

Die Wertermittlung im kreditwirtschaftlichen Kontext, konkret die Ermittlung des Beleihungswertes, ist aber nicht nur ein Thema für Pfandbriefbanken. Denn der Beleihungswert wird nicht nur dazu eingesetzt, den Teil eines Immobiliendarlehens zu bestimmen, der mit Hypothekenpfandbriefen refinanziert werden kann. Er kann außerdem als Berechnungsbasis dienen, um das Eigenkapital, das Banken für diese Darlehen vorhalten müssen, zu reduzieren. Dies kann zu niedrigeren Darlehenszinsen für eine

Immobilienfinanzierung führen. Für eine Privilegierung bei der Frage des vorzuhaltenden Eigenkapitals fordern sämtliche Regelungen eine hohe Qualität der Bewertung von Immobilien, die als Kreditsicherheit dienen. Diese Qualität erfüllt ein gemäß BelWertV ermittelter Beleihungswert problemlos.

Die Rolle des Gutachters

Der Person des Immobiliengutachters kommt eine große Bedeutung zu. Sein Fachwissen und die Erfahrung sind ausschlaggebend für die Qualität des Gutachtens, erst seine Unabhängigkeit macht ihn jedoch frei von Einflüssen Dritter. Nur ein unabhängiger Gutachter ist in der Lage, auf der Basis seiner Erfahrung und Fachkenntnis je nach Auftragszweck seinen Ermessensspielraum adäquat zu nutzen und im Ergebnis einen objektiven Wert zu ermitteln. Als Bankangestellter ist der Gutachter in der Ausübung seiner originären Tätigkeit (Wertermittlung) nicht weisungsgebunden.

Zu beobachten ist, dass sich die Rolle der Immobiliengutachter - insbesondere von in den Banken angestellten Gutachtern - in den letzten Jahren gewandelt hat. Ihre Qualifikation und Objektivität werden weit über die Gutachtenerstellung hinaus genutzt. Die Gutachter sind unter anderem auch interne Berater rund um Immobilien, beispielsweise zur Erfüllung bankinterner Regelungen, die eine gutachterliche Stellungnahme erforderlich machen. Sie stellen somit einen erheblichen Teil des Immobilien-Know-hows der Bank dar. Bankinterne Gutachter sind für Immobilienfinanzierer ein wesentlicher Vorteil im eigenen Risikomanagement sowie bei der Beurteilung durch Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfer.

Qualifikation

Die deutsche Gesetzgebung enthält umfangreiche Regelungen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Qualifikation von Gutachtern. Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), das Kreditwesengesetz (KWG) mit der Solvabilitätsverordnung (SolvV) für die Eigenkapitalunterlegung und die Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV) gelten für alle Kreditinstitute. Für Pfandbriefbanken werden die Qualifikation und die Unabhängigkeit zusätzlich im Pfandbriefgesetz (PfandBG) vorgeschrieben. Detailliert geregelt sind diese Anforderungen in den §§ 6 und 7 BelWertV. Diese Vorschriften dienen direkt oder indirekt dem Schutz der Gläubiger der Pfandbriefbank.

Ein in der Bankenbranche etablierter Qualifikationsnachweis ist die Zertifizierung durch die Hypzert GmbH. Mit ihrem Bestehen seit über 15 Jahren und mehr als 1 200 zertifizierten Immobiliensachverständigen in Deutschland ist sie aus der Bankenwelt heute nicht mehr wegzudenken. Auch hier macht die aktuelle Entwicklung nicht halt. In den letzten Jahren wurde in vielen Kreditinstituten die Finanzierung von im Ausland belegenen Immobilien ausgebaut.

Die noch frischen Erfahrungen der Finanz- und Immobilienkrise zeigen jedoch deutlich, dass auch die Gutachter im Ausland die hohen Anforderungen an die Qualifikation erfüllen müssen. Aus diesem Grund wird erstmalig in diesem Jahr eine Ausbildung und Hypzert-Zertifizierung von im Ausland tätigen Immobiliensachverständigen angeboten. Die Gutachter vor Ort sollen Beleihungswerte für Immobilien außerhalb Deutschlands ermitteln können, die die Anforderungen der BelWertV vollumfänglich erfüllen. Die sehr große Nachfrage nach dem ersten Seminar im Frühjahr 2012 bestätigte den großen Bedarf dieser Qualifizierungsmöglichkeit.

Unabdingbar für jeden zertifizierten Gutachter ist die kontinuierliche Weiterbildung. Dass sich Gutachter auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen in der Wertermittlungsmethodik und dem Immobilienmarktgeschehen befinden, wird durch die alle fünf Jahre notwendige Hypzert-Rezertifizierung geprüft. Im Kontext Beleihungswertermittlung heißt das beispielsweise, dass die Inhalte der Novelle der BelWertV aus dem Jahr 2009 mit konkreten Vorgaben zur Innenbesichtigung bekannt sein müssen. Gutachter, die in der Bewertung von im Ausland belegenen Immobilien aktiv sind, sollten die Anwendungsempfehlungen des vdp zur BelWertV für im Ausland belegene Objekte kennen.*)

*) Diese Themen sowie eine Vielzahl weiterer Auslegungen, Präzisierungen und Anwendungsempfehlungen sind in das Buch "Der Beleihungswert" eingeflossen. Erschienen ist es in der Schriftenreihe des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken, über dessen Bestellcenter auf der Homepage www.pfandbrief.de oder dessen Geschäftsstelle es kostenfrei bezogen werden kann.

Annett Wünsche , Bereichsleiterin Bewertung , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Berlin
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