MIPIM-Special

Wechselwirkungen zwischen Konjunktur und Immobilienmarkt

Immobilieninvestoren sehen sich immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob sich ein am Immobilienmarkt zu beobachtender Preisanstieg durch ein dynamisches realwirtschaftliches Wachstum begründen lässt oder ob es sich um eine spekulative Blase handelt. Auch während der Boomphase vor Ausbruch der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise ist dieses Thema häufig diskutiert worden. Die Untersuchung der für die zyklische Immobilienmarktentwicklung relevanten Einflussfaktoren und eine kritische Betrachtung des Umgangs von Entscheidungsträgern aus der Immobilienwirtschaft mit dieser Problematik sind Gegenstand einer aktuellen Studie der HSH Nordbank AG, der HSH Real Estate AG und des Real Estate Management Instituts der EBS zum Thema "Finanzmarkt und Büroimmobilienmarktzyklus".

Ausgangspunkt war dabei die Überlegung, dass es in der Immobilienwirtschaft aufgrund des langfristigen Charakters der Immobilie als Investitionsgegenstand unumgänglich ist, Untersuchungen zur Konjunkturentwicklung in strategische Entscheidungen einzubeziehen. Ebenso wichtig ist es, die eng damit verbundene Thematik der Immobilienmarktzyklen zu berücksichtigen. Studien belegen, dass die Bedeutung dieser Aspekte den Entscheidungsträgern in der Immobilienwirtschaft wohl bewusst ist, auch wenn sie dies in ihrer beruflichen Praxis nicht im selben Maß berücksichtigen. Eine 2007 veröffentlichte Studie der EBS ergab, dass mehr als 75 Prozent der knapp 300 befragten Marktteilnehmer Immobilienmarktzyklen als wichtig oder sogar sehr wichtig einstuften, während nur 30 Prozent der Befragten angaben, dass sie die zyklischen Schwankungen an den Immobilienmärkten in ihre Entscheidungen einfließen lassen.

Bei der Analyse der Einflussfaktoren, die die zyklische Entwicklung an den Büroimmobilienmärkten prägen, ist zunächst einmal zwischen exogenen und endogenen Einflussfaktoren zu unterscheiden. Erstere sind der Sphäre der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zuzurechnen, während letztere auf die Aktivitäten der Marktteilnehmer am Büroimmobilienmarkt selbst zurückzuführen sind.

Exogene Einflussfaktoren der Büromarktzyklen

Je nachdem, ob man die Nutzer- oder die Eigentümerperspektive wählt, können Büroimmobilien ebenso als Produktionsmittel wie auch als Anlagegüter betrachtet werden. Die Nachfrage der Nutzer - die sich am Vermietungsmarkt manifestiert - wird vor allem durch die Konjunkturentwicklung bestimmt. In Phasen wirtschaftlichen Aufschwungs steigt auch die Nachfrage nach Büroflächen, während sie in Abschwungphasen zurückgeht. Die Veränderungen der Nachfrage erfolgen jeweils mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, die auf das zeitversetzte Reagieren des Arbeitsmarktes zurückzuführen ist.

Die Nachfrage von Investoren nach Büroimmobilien wird neben der allgemeinen Konjunkturentwicklung auch in starkem Maße von den Entwicklungen am Immobilien-Investmentmarkt sowie am Kapitalmarkt geprägt. Dabei ist zu beobachten, dass in Aufschwungphasen am Immobilienmarkt vor allem in Büroimmobilien investiert wird, weil diese als vergleichsweise liquide Anlageklasse gelten. Rechnen Investoren damit, dass die Mieten künftig steigen, fördert das bei ihnen auch die Erwartung, dass sich entsprechende Wertzuwächse bei den Immobilien erzielen lassen. Damit wiederum nimmt ihr Interesse am Erwerb von Immobilien zu; sie sind eher bereit, auch höhere Preise zu zahlen.

Auch das Zinsniveau spielt für die Entwicklung am Investmentmarkt eine wesentliche Rolle. Sind die Zinsen im Vergleich zu den mit Immobilien erzielbaren Mietrenditen niedrig, so stellt dies einen wesentlichen Investitionsanreiz dar. Eine solche Situation bestand vor dem Ausbruch der gegenwärtigen Krise.

Time-Lags, Goldgräbermentalität und Midas-Syndrom

Die endogenen Faktoren, die neben den exogenen Faktoren ebenfalls wesentlich zur Entstehung zyklischer Schwankungen beitragen, entsprechen dem Handeln der Marktteilnehmer am Büroimmobilienmarkt. Nach Untersuchungen der EBS lassen sich am Büroimmobilienmarkt zwischen der unternehmerischen Entscheidung zur Produktion neuer Büroflächen und dem Zeitpunkt, an dem sie vermarktet werden können, drei sogenannte "Time-Lags" beobachten.

Das "Preismechanismus-Lag" beschreibt die Zeit, die vom Eintreten einer Änderung der Nachfrage bis zu dem Zeitpunkt verstreicht, zu dem deren Auswirkungen auf das Preisniveau sichtbar werden. Wird die Veränderung der Marktsituation im Unternehmen wahrgenommen, so kommt es zu einer erneuten Verzögerung, bis mit einer entsprechenden Investitionsentscheidung auf die veränderte Marktsituation reagiert wird. Diese Verzögerung wird als "Entscheider-Lag" bezeichnet und ist vor allem auf interne Abläufe in den Unternehmen zurückzuführen.

Die wesentliche Verzögerung schließlich stellt das "Konstruktions-Lag" dar, das dem Mechanismus des "Schweinezyklus'" am nächsten kommt. Es beschreibt das Phänomen, dass das Angebot an neu errichteten Flächen schon allein technisch bedingt nur mit einer Zeitverzögerung auf Nachfrageänderungen reagieren kann - neue Gebäude müssen schließlich erst einmal geplant und gebaut werden.

Angesichts der beschriebenen Zusammenhänge stellt sich die Frage, warum Marktteilnehmer vergleichsweise ungern antizyklisch handeln. Vielmehr verstärken sie - wohl auch in Kenntnis der zyklischen Marktschwankungen - durch prozyklisches Handeln sogar noch die bereits vorhandenen exogen bedingten Schwankungen. Nach Dobbersteins Ausführungen über "das prozyklische Verhalten der Büromarktakteure" gibt es dafür vor allem folgende Gründe: Die sogenannte "Goldgräbermentalität" verleitet Marktakteure dazu, dem Beispiel der Marktführer zu folgen, die ihre Immobilien innerhalb eines Zyklus als erste platzierten und damit hohe Gewinne erzielen konnten.

Nach der Theorie der "gamblers fallacy" glauben die Akteure sogar, sie könnten die Anfangserfolge der Marktführer noch übertreffen. Der zweite Grund, das "Mi-das-Syndrom", bezeichnet die Tatsache, dass Marktakteure ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten überschätzen. Sie nehmen an, ihr eigenes Investment könne selbst dann noch erfolgreich sein, wenn andere bereits gescheitert oder längst Anzeichen einer Marktverschlechterung erkennbar sind. Aspekte wie die Faszination des Entwicklers für sein eigenes Projekt oder die Chance auf Selbstverwirklichung dürften bei Entscheidungen in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle spielen.

Indizien für spekulative Blasen

In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung wird bereits seit vielen Jahren an Frühwarnsystemen zur Erkennung von Finanzkrisen gearbeitet. Allerdings scheinen aus Sicht eines am Markt aktiven Investors noch nicht alle Fragen hinreichend beantwortet zu sein. In der Praxis dürfte sich daher vor allem der Abstand zwischen den Nettoanfangsrenditen und dem risikofreien Zins - neben den klassischen Variablen wie Miete, Preis, Rendite, Leerstand und Nettoabsorption - als guter Indikator bewähren, wenn es darum geht, die jeweilige Marktzyklusphase zu identifizieren und daraus Investitionsentscheidungen abzuleiten. Wenn der genannte Renditeabstand gegen Null tendiert oder gar negativ wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich eine spekulative Blase gebildet hat.

Analysiert man Marktkonstellationen aus der jüngeren Vergangenheit unter diesem Aspekt, so erweist sich der Renditeabstand zwischen Nettoanfangsrendite und der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen tatsächlich als geeignetes Mittel, um Überbewertungen zu erkennen und zu vermeiden. Die Differenz zwischen der Nettoanfangsrendite und der Rendite einer weitestgehend risikolosen Anlage - wie einer zehnjährigen Staatsanleihe - entspricht normalerweise der von den Investoren geforderten Risikoprämie. Während des jüngsten Immobilienbooms war zu beobachten, dass dieser Renditeabstand zusehends schmolz und in einigen Büro-Spitzenlagen wie dem Londoner Westend sogar negativ wurde. Investoren, die ein nachhaltig hohes Mietpreiswachstum erwarteten, akzeptierten das Verschwinden der Risikoprämie. Allerdings zeigte sich bereits wenige Monate später, dass die Wachstumsraten zu hoch eingeschätzt und demzufolge auch zu hohe Kaufpreise gezahlt worden waren. Die Missachtung der Risikoprämie und die zugrunde liegende Überschätzung der Wachstumsaussichten sind allerdings Phänomene, die nicht nur am Immobilienmarkt, sondern nahezu an allen Investmentmärkten zu beobachten sind.

Für die Marktteilnehmer besteht die Notwendigkeit, Immobilienzyklen in ihre Chancen- und Risikomanagementsysteme zu integrieren. So sollten beispielsweise Entscheidungen über Transaktionen, die Gestaltung der Laufzeiten von Verträgen und Ähnliches an die jeweiligen Immobilienmarktzyklen angepasst und zugleich auch die relevanten spezifischen Marktzyklen für Investmentalternativen in anderen Assetklassen oder an anderen Standorte berücksichtigt werden. Nur so kann die Neigung zu kurzfristig orientiertem prozyklischen Handeln sukzessive durch eine langfristige, an Zyklen ausgerichtete Strategie ersetzt werden, was dem Markt insgesamt zu einer wünschenswerten Stabilisierung verhelfen könnte und abrupte Ausschläge der Marktentwicklung zumindest weniger wahrscheinlich macht.

Voraussetzung dafür ist die Kenntnis der Marktzyklen auf Seiten der Investoren. Die Immobilienwirtschaft bleibt daher aufgerufen, die akademische Welt nachhaltig zu unterstützen: Hier geht es darum, das Wissen zu vertiefen und die gesammelten Erkenntnisse für die Marktakteure aufzubereiten und zur Umsetzung zu bringen. Die Hochschulen brauchen das Funding, um Forschung in der Immobilienwirtschaft betreiben zu können, sowie exzellente Forscher, die bereit sind, anders als früher, sich ökonometrisch mit den wichtigen Themen der Immobilienwirtschaft auseinanderzusetzen.

Die Studie "Finanzmarkt und Büroimmobilienmarktzyklus" (weitere Autoren: Stefan Goronczy, Henrike Grabow und Steffen Wollnik) steht unter www.hsh-realestate.com zur Verfügung.

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