Im Blickfeld

Wüstenrot bekommt VVB versüßt

Endlich haben die Bayerische Hypo- und Vereinsbank (HVB) und die Ergo Versicherungsgruppe einen Abnehmer für ihre Vereinsbank Victoria Bauspar AG (VVB), München, gefunden: Wüstenrot & Württembergische (W&W) hat zugegriffen. Noch in diesem Jahr soll die VVB - 70 Prozent von der HVB und 30 Prozent von der Ergo-Gruppe - auf die Wüstenrot Bausparkasse AG, Ludwigsburg, verschmolzen werden. Dass die Stuttgarter W&W-Gruppe nicht nur organisch wachsen könne, sondern auch Übernahmen ins Auge fasse, hatte der Vorstandsvorsitzende Alexander Erdland schon länger betont. Möglicherweise bot sich die VVB "von Hause aus" an, denn sie gehört, über die HVB, zur Unicredit-Gruppe, die wiederum zu 7,5 Prozent an der Wüstenrot & Württembergische AG, Stuttgart, beteiligt ist. Immerhin bringt die in München ansässige Bausparkasse rund 500 000 Bestandskunden mit. Wesentlich attraktiver sind für W&W jedoch die mehrjährigen Vertriebskooperationen, die Wüstenrot zum exklusiven Lieferanten von Bausparprodukten sowohl für die HVB als auch die Ergo machen.

Vor allem der zusätzliche Absatzkanal über die 600 Filialen der HVB und den 5 000 Vertriebsmitarbeitern ist für Wüstenrot attraktiv. Denn mit der Übernahme des BHW durch die Postbank hatten die Ludwigsburger den letzten nennenswerten Bankvertriebsweg eingebüßt. Seitdem bemüht sich Wüstenrot, diese offene Flanke zu schließen. Die bestehenden Kooperationen mit Santander und einigen badischen Genossenschaftsbanken sind Wüstenrot zwar wichtig, reichen aber nicht, wenn W&W gegenüber den Wettbewerbern weiter aufholen will. Jetzt wird es allerdings darauf ankommen, die Kundenberater der HVB davon zu überzeugen, dass sie Wüsten-rot-Bausparen ebenso engagiert verkaufen wie bisher die Produkte der konzerneigenen Bausparkasse.

Inwieweit die Zusammenarbeit mit der Ergo-Gruppe einen signifikanten Beitrag zum Neugeschäft von Wüstenrot liefert, bleibt abzuwarten. Erfahrungsgemäß ist Bausparen für die Versicherungsvermittler ein Randprodukt, das nicht in ihre gelernte Assekuranzphilosophie passt. Zudem hat sich gezeigt, dass auch die Kunden für Versicherungen lieber von einem Versicherungsvertreter und in Geldangelegenheiten bevorzugt von einem Finanzspezialisten beraten werden wollen. W&W kann zwar seine rund 6 000 Versicherungs- und Bausparvermittler offensichtlich besser motivieren, sowohl Versicherungen als auch Bank- und Bausparprodukte zu verkaufen, als dies die Wettbewerber mit ihren Vertriebsorganisationen schafften, doch lassen sich die Ergo-Vermittler nicht so gut steuern wie der konzerneigene Außendienst von W&W.

Trotzdem verspricht sich Wüstenrot von den Vertriebskooperationen mit HVB und Ergo-Gruppe ein jährliches Neugeschäftspotenzial von über einer Milliarde Euro. Im Jahr 2008 hatte die Wüstenrot Bausparkasse mit einem Brutto-Neugeschäft von rund zehn Milliarden Euro immerhin einen Zuwachs um knapp 24 Prozent erreicht und dabei den Marktanteil auf etwa neun Prozent ausgeweitet. Die VVB, die 1999 aus der Fusion der Vereinsbank Victoria Bauspar AG der Vereinsbank und der Heimstatt Bausparkasse der Bayerischen Hypo entstand, erreicht dagegen nur einen Marktanteil von1,25 Prozent (Stand 2007). Bisher jedoch hat die Konsolidierung unter den deutschen Bausparkassen vor allem eines gelehrt: Die Marktanteile beider Bausparinstitute kumulieren nicht. Denn die simple Fusionsarithmetik wird in der Regel durch unterschiedliche Unternehmenskulturen wirkungsvoll gestört. Zudem verunsichern Übernahmen stets den Vertrieb.

Um die VVB in die Wüstenrot Bausparkasse zu integrieren, wird W&W nach eigenen Angaben einen niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag investieren. Dabei ist jedoch noch nicht geklärt, ob die Marke VVB und der Standort München erhalten bleiben. Aus den Bausparkassenfusionen der letzten Jahre weiß man jedoch auch, dass die Integration der unterschiedlichen Unternehmenskulturen, der Prozesse und der Software und schließlich die Migration der Daten mit erheblichen und kaum kalkulierbaren Reibungsverlusten verbunden ist. Das musste Wüstenrot selbst hautnah erfahren, zunächst als es die Leonberger zu verdauen galt. Und heute steht W&W kurz vor dem Ende seines wohl bislang anspruchsvollsten Modernisierungsprozesses, um die bereits im Jahr 1999 formal vollzogene Vereinigung von Wüstenrot und Württembergischer zu einem integrierten Konzern "abzuschließen". Dass jetzt erneut der Kraftakt einer Übernahme gewagt wird, zeugt von unternehmerischem Mut, hoffentlich nicht von Übermut. L. H.

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