Im Blickfeld

W&W: Erdland räumt auf - Hall als Vorbild?

Zehn Jahre lang hat Wüstenrot zugekauft - Württembergische, Leonberger
und schließlich Karlsruher (alles heute vereint in der Wüstenrot &
Württembergische AG, Stuttgart). Vieles musste dabei konsolidiert
werden, doch manches wurde auch vernachlässigt. Dies alles soll nun
Alexander Erdland als neuer Vorstandsvorsitzender von W&W in Ordnung
bringen.
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Einen Ruf als Sanierer hatte sich der gebürtige Westfale schon bei
Schwäbisch Hall erarbeitet. Und obwohl er betont, dass die aktuelle
Situation der Stuttgarter nicht mit Hall anno 1999 zu vergleichen ist,
so erinnert sein Fit-ness-Programm für W&W den geneigten Zuhörer doch
in vielem an das, was er vor sieben Jahren bei seiner Antrittsrede in
Schwäbisch Hall ankündigte.
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Absatzprobleme in allen Bereichen
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Während die Haller in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre mit einem
sinkenden operativen Ergebnis kämpften, den Marktanteil im Neugeschäft
aber mit etwa 25 Prozent weitgehend halten konnten, verzeichnet W&W
zwar seit Jahren konstante Ergebnisse - wenn auch auf niedrigem Niveau
- bei allerdings sinkenden Marktanteilen. Vor allem die Wüstenrot
Bausparkasse AG, Ludwigsburg, ist hierbei das Sorgenkind Nummer eins,
denn ihr Anteil am Bausparneugeschäft der gesamten Branche sank von 13
Prozent 1993 auf mittlerweile nur noch acht Prozent. Und auch im
ersten Quartal 2006 verloren die Ludwigsburger etwa 30 000 Kunden.
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Doch auch die Versicherungssparte gibt wenig Anlass zu purem Jubel.
Zwar wurde hier schon früher mit der Konsolidierung und Sanierung (vor
allem im oft erschütternd risikoreichen Auslandsgeschäft) begonnen,
doch fehlte dem Prozess offensichtlich bislang der nötige Schwung. So
wurde das Sortiment schon deutlich ausgedünnt: Feuer- und
Feuerbetriebsunterbrechungsversicherungen werden seit 2001 nicht mehr
angeboten, und auch Transport- und Industrieversicherungen über 50
Millionen Euro gehören wegen der hohen Volatilität des Geschäfts nicht
mehr zur Produktpalette, erklärte der stellvertretende
W&W-Vorstandsvorsitzende Edmund Schwake.
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Besondere Sorge bereitet ihm, dass im Bereich Schaden/Unfall das
Verhältnis zwischen Prämieneinnahmen und Ausgaben für Schadensfälle
(Combined Ratio) auf 94 Prozent angestiegen ist. Gleichzeitig sinkt
der Marktanteil kontinuierlich. Vor allem in der Kfz-Sparte könne der
W&W-Versicherer zumeist schon aufgrund der internen Kosten kaum im
Prämienwettbewerb mithalten und dabei noch Geld verdienen.
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All diese Probleme waren schon länger teilweise sogar seit Anfang der
neunziger Jahre - bekannt. Allerdings wurden sie erst jetzt in dieser
Deutlichkeit benannt. Erdland beeilte sich zwar zu erwähnen, dass alle
Konsolidierungsmaßnahmen bereits vom alten Vorstand angedacht und
formuliert wurden, doch scheint es mit der Umsetzung gehapert zu
haben. So sagte Gert Haller in einem Interview mit I&F (siehe Ausgabe
05-2006, Seite 140 ff. ): "Man muss bei vielen Themen nachhaken, weil
nur zu oft gesagt wird: 'Ja, das machen wir' - tatsächlich ist aber
nur wenig passiert. "
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Vielleicht deshalb demonstriert sein Nachfolger im Amt gleich zu
Beginn Machtbewusstsein und reklamiert für die Obergesellschaft eine
stärker steuernde Funktion. Die W&W AG soll nicht länger eine bloße
Finanzholding sein. Für dieses Vorhaben hat Erdland - nach eigenem
Bekunden - die volle Rückendeckung des Hauptaktionärs Wüstenrot
Holding AG (65, 8 Prozent), hinter der wiederum zu 100 Prozent die
Wüstenrot Stiftung steht.
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Verdopplung der Eigenkapitalrendite
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Bis 2009 will Erdland drei Ziele erreicht haben: mehr Wachstum, mehr
Effizienz, mehr Rentabilität. Von mageren 4, 2 Prozent soll die
Eigenkapitalrendite auf mindestens zehn Prozent gesteigert werden.
Dies ist im Vergleich zu Wettbewerbern wie Allianz, AMB Generali oder
der Postbank, die zwölf bis 20 Prozent anstreben, wenig, doch sei
dieses Ziel der Risikostruktur des Geschäfts angemessen. Dazu sollen
Bank und Bausparkasse zusammen acht Prozent beitragen, während die
Versicherungen zwölf Prozent zu liefern hätten.
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Für diese Rendite braucht es jedoch ab 2009 auf Konzernebene ein
Nachsteuerergebnis von rund 215 Millionen Euro (2005: 98, 3 Millionen
Euro). Dazu muss vor Steuern ein zusätzliches Ergebnis von 190
Millionen Euro (2005: 250, 7 Millionen Euro) - also insgesamt 440
Millionen Euro - erwirtschaftet werden. Dabei soll mit 150 Millionen
Euro der größte Teil aus Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen
kommen. Davon sind etwa 75 Millionen Euro - 40 Millionen Euro bei
Bausparkasse und Bank sowie 35 Millionen Euro bei den Versicherungen -
in Programmen, die bereits umgesetzt werden.
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In der Hauptsache beinhaltet das die Reduktion von 1 550 bis 1 750
Arbeitsplätzen beziehungsweise etwa 15 Prozent der gesamten
Belegschaft. So bauen die Versicherer über die bereits kommunizierten
500 Stellen bis 2009 weitere 250 Arbeitsplätze ab. Davon sollen bis
Ende 2006 schon 300 weggefallen sein, 220 davon bei der Karlsruher.
Doch während der Konzern bei den Versicherern die Reduktion allein
über die natürliche Fluktuation erreichen will, werden die Einschnitte
bei Bank und Bausparkasse wesentlich härter sein: 800 bis 1 000
Arbeitsplätze werden gestrichen, von denen 400 schon in der Umsetzung
sind.
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Hierbei werden auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen.
Weitere Einsparungen soll es bei den Sachkosten geben. Dazu will
Erdland konzernweit gleichartige Aufgaben wie Einkauf, Logistik,
Personalentwicklung, Organisationsmanagement und Immobilienverwaltung
an einer Stelle bündeln. Zudem soll der Verkauf von Beteiligungen Geld
in die Kassen spülen.
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Derzeit hält die W&W-Gruppe Anteile an über 140 Gesellschaften, von
denen aber nur 20 als strategisch angesehen werden. Ebenso auf dem
Prüfstand stehen die Joint Ventures mit der Wüstenrot Salzburg in
Ungarn, Kroatien und der Slowakei. Einzig die Bausparkasse in
Tschechien sei aufgrund ihres Erfolgs jenseits der Ertragskritik.
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Erdland weiß aber auch, dass nicht nur intern gespart, sondern vor
allem im Vertrieb die Wende geschafft werden muss. So soll eine
verstärkte Vertriebsorientierung und ein neuer Produktmix immerhin 40
Millionen Euro zur Steigerung des Vorsteuerergebnisses bis 2009
beitragen.
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Dazu müssen Bausparkasse und Versicherungen allerdings erst verlorenes
Marktterrain zurückerobern - und das in einem Segment, wo
Direktvertriebe und freie Vermittler massiv um Kunden kämpfen.
Entsprechend schwer tat sich der Vorstand, eine Zielmarke zu nennen.
Doch mehr als ein bis zwei Prozentpunkte dürften kaum machbar sein.
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Zunächst aber müht sich der Konzern, nicht weiter an Boden zu
verlieren. Denn einerseits fehlt der Bausparkasse künftig der Absatz
über die Postbank, die mit dem BHW seit Jahresanfang eine eigene
Bausparkasse im Haus hat. Zwar soll ein verstärkter Bausparvertrieb
über den Außendienst der Karlsruher Versicherungen - hauptsächlich
mittels Cross-Selling - den Verlust kompensieren, doch muss diese
selbst die Abwanderung von etwa 20 der rund 150 Volksbanken und
Raiffeisenbanken, die bisher Produkte der Karlsruher verkauften, durch
verstärkte Akquise ausgleichen.
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Ausbau des Cross-Selling
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Um das ambitionierte Vertriebsziel zu erreichen, soll die Vergütung im
eigenen, 6 500 freie Handelsvertreter umfassenden Außendienst künftig
umsatzabhängig erfolgen. Ein entscheidender Faktor wird dabei die
Cross-Selling-Quote sein. Diese betrage derzeit je nach Produkt
zwischen 2, 5 und über 20 Prozent. Erhebliche Potenziale bestünden
insbesondere bei der Bausparkasse. Denn von den drei Millionen
Wüstenrot-Bausparern haben zwei Millionen kein weiteres Produkt der
Gruppe.
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Doch damit die Bauspar-Vermittler besser Versicherungen und die
Assekuranzvertreter zusätzlich Baufinanzierungen verkaufen können,
sollen die Produkte vereinfacht und das Sortiment gestrafft werden. So
hat die Württembergische Leben derzeit 13 Produkte im Angebot, bei der
Karlsruher kommen weitere zwölf hinzu. "Das könnten weniger sein",
meint Erdland. Zudem habe die Entrümpelung des Vertragswerks bei
Riester-Produkten gezeigt, dass dieses Produkt im ersten Halbjahr 2006
deutlich besser von den Kunden angenommen wurde als in den Jahren
zuvor.
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Motivation mit sechs Buchstaben
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All diese Maßnahmen im Vertrieb bedürfen intensiver Kommunikation. Das
weiß auch Erdland. Und er scheint die Erfahrung gemacht zu haben, dass
knackige Akronyme - auch wenn sie nicht viel ausdrücken - beim
Außendienst gut ankommen und besonders hilfreich sind, um neue
Strategien umzusetzen.
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Und so sollen sechs Buchstaben die Motivation im W&W-Konzern steigern:
"Spring" steht demnach nicht nur für Frühlingserwachen und die
Aufforderung, einen weiten Satz zu machen, sondern im Einzelnen für
Stärke, Produktivität, Reform, Innovation, Neues wagen und gemeinsam
gewinnen. Und um es noch anschaulicher zu machen, wurde sogar das
Maskottchen "Springerle" geschaffen.
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Bei Schwäbisch Hall hieß das im Jahr 2000 verkündete Projekt übrigens
"Future", was für Fähigkeiten, Unternehmertum, Teamgeist,
Unabhängigkeit, Rentabilität und Erfolg steht. Parallelen sind also
unverkennbar.L.H.

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