Im Blickfeld

W&W: Rückblicke und Ausblicke

Als die Wüstenrot & Württembergische AG dieser Tage zur Vorstellung ihrer Bilanzzahlen für 2009 nach Stuttgart einlud, war dies der passende Rahmen, um einerseits zehn Jahren Fusionsgeschichte zu gedenken und andererseits die Erfolge von drei Jahren Restrukturierung zu feiern. Dass Letzteres maßgeblich dem Wirken Alexander Erdlands als Vorstandsvorsitzendem zuzuschreiben ist, steht außer Frage und ist nicht nur den Eigentümern wohl bewusst. Die Verlängerung seines im Februar 2011 auslaufenden Vertrages um fünf Jahre belegt dies.

Tatsächlich wurde in den vergangenen drei Jahren Beeindruckendes geleistet. Nach der Fusion der Wüstenrot Bausparkasse mit der Württembergischen Versicherungsgruppe im Jahr 1999 bis zum Eintritt Erdlands erwirtschaftete der - sich bis dahin nicht zusammenfinden wollende - Konzern in keinem Jahr ein dreistelliges Ergebnis. Im Schnitt betrug der Jahresüberschuss in den Jahren 2000 bis 2006 magere 16 Millionen Euro. Zwischen 2007 und 2009 bilanzierte der Konzern nach IFRS jedoch Konzerngewinne von durchschnittlich 166 Millionen Euro. Gleichwohl anzumerken ist, dass 2008 mit 65,5 Millionen Euro deutlich schwächer war als das vorangegangene Jahr mit 209,5 Millionen Euro und das Geschäftsjahr 2009, das mit 221,7 Millionen Euro das beste Ergebnis in der Unternehmensgeschichte war.

Damit hatte die Gruppe ihre angepeilte Eigenkapitalrendite von neun Prozent leicht übertroffen. 9,1 Prozent auf IFRS-Basis wurden geschafft. Zugleich wurden die Marktanteilsverluste und Bestandsabriebe im Bausparen und bei den Versicherungen gestoppt. 2009 gelang es sogar, im gesamten Produktspektrum zu wachsen.

So legte Wüstenrot im Bruttoneugeschäft um 9,8 Prozent auf insgesamt elf Milliarden Euro zu. Dieses Wachstum war wesentlich im Kauf der Vereinsbank Victoria Bausparkasse begründet, die rund eine Milliarde Euro Neugeschäft beitrug. Aus eigener Vertriebskraft erzielte Wüstenrot dennoch ein Absatzplus von 0,3 Prozent im Bausparen. Im Gegensatz dazu schrumpfte das Bruttoneugeschäft der Bausparbranche insgesamt um 14,7 Prozent auf 111 Milliarden Euro. Folglich baute Wüstenrot seinen Marktanteil auf 11,6 Prozent aus. Als Erdland 2006 das Ruder bei W&W übernahm, wurden lediglich 7,8 Prozent aller neuen Bausparverträge bei Wüstenrot abgeschlossen.

Zufrieden kann Wüstenrot auch mit der Entwicklung seines Finanzierungsgeschäftes sein. Mit gut vier Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr etwa acht Prozent mehr kollektive und außerkollektive Darlehen zugesagt als 2008. Auch in Tschechien verkauft sich Wüs-tenrot-Bausparen gut. 992 Millionen Euro Neugeschäft im Jahr 2009 bedeuten ein Plus von 22 Prozent und ein Zehntel des Gesamtmarktes. Neue Baufinanzierungen beliefen sich auf 378 Millionen Euro.

Auch im Versicherungsgeschäft schaffte W&W die Trendwende. Nachdem in den Vorjahren Beiträge abschmolzen, wuchs die Gruppe 2009 sowohl im Kompositwie im Leben-Bereich wieder. Im Kompositgeschäft stieg der gebuchte Bruttobeitrag um 1,4 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro und damit stärker als die Branche, deren Zuwachs 0,2 Prozent betrug. Dank des Einmalbeitragsgeschäfts stiegen auch in der Lebensversicherung die gebuchten Bruttobeiträge um 3,7 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro.

Kräftig gewachsen ist das Einlagengeschäft der Wüstenrot Bank. Ein Bestand von mehr als drei Milliarden Euro bedeutet gegenüber dem Vorjahresstand in Höhe von 1,7 Milliarden Euro ein Plus von 80 Prozent. Das sind 22000 neue Konten, davon 13000 Neukunden über den Direktvertrieb.

Angetreten ist Erdland jedoch nicht nur mit dem Ziel, bei der Marktstellung und Ertragskraft des Konzerns den Turnaround zu schaffen, sondern auch die bis dahin weitgehend voneinander isolierten Gruppenteile zusammenzuführen und zusammenzufügen. Dass ihm das gelungen ist, zeigt sich am Überkreuzgeschäft. So vermittelte der Wüstenrot-Außendienst im zurückliegenden Jahr 14,8 Prozent mehr Verträge im Kompositgeschäft und 23,9 Prozent mehr in der Krankenversicherung. Umgekehrt verkauften die Versicherungsvertreter der Württembergischen Bausparverträge über 672 Millionen Euro Bausparsumme. Damit ist der Außendienst der Württembergischen nach Einschätzung von W&W der leistungsstärkste Bausparvertrieb in der Versicherungsbranche. Mittlerweile hat der Konzern damit seine Cross-Sel-ling-Quote binnen drei Jahren von drei auf sieben Prozent gesteigert.

Doch so zufrieden das Unternehmen, seine Eigentümer und der Vorstandsvorsitzende mit dem Erreichten sein können, zum Verschnaufen bleibt angesichts des unverändert hohen Wettbewerbsdrucks in allen Geschäftsbereichen keine Zeit. Vielmehr müssen das Wachstum und die Werthaltigkeit der Gesellschaft verstetigt werden. Bis 2012 soll die W&W-Gruppe ein IFRS-Konzernergebnis nach Steuern von 250 Millionen Euro jährlich erreichen. Um dies zu realisieren, müssen vor allem die Prozesse effizienter werden, die Produkte eine - aus Unternehmenssicht - bessere Risiko-/Ertragsrelation erhalten und der Absatz profitabel wachsen. Konkretes Ziel ist, die Cross-Selling-Quote auf mehr als zehn Prozent zu steigern. Außerdem will sich der Stuttgarter Finanzdienstleister vor allem als Anbieter von Vorsorgeprodukten nachhaltig im Markt etablieren. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es jedoch Investitionen in geschätzter Höhe von 280 Millionen Euro. Dieses Geld muss Erdland in den kommenden drei Jahren selbst erwirtschaften. Vor allem die zugekauften Bausparkassen und Versicherungen müssen integriert werden. Wie mühsam dies ist, zeigen die eigenen und die Erfahrungen der Wettbewerber. Auch die gewünschte Identifikation der Gruppe als Vorsorgespezialist erfordert neben Geduld vor allem ein umfangreiches Budget für die dafür passende IT, das Marketing und die Schulung der Vertriebe. In die IT muss auch investiert werden, wenn wie angestrebt der Automatisierungsgrad gesteigert werden soll. Deutlich schwieriger ist es jedoch die künftigen Kosten einer verschärften Regulierung zu beziffern.

Alle diese Ausgaben werden zwangsläufig die Gewinn- und Verlustrechnung der kommenden Jahre belasten, warnt Erdland. Unter Einrechnung der parallel zu erzielenden Einsparungen kündigt er deshalb für die nächsten drei Jahre ein Konzern-Jahresergebnis von jeweils "nur" 140 bis 180 Millionen Euro an, um dann ab 2012 nachhaltig das angekündigte Ziel von 250 Millionen Euro zu erreichen. Bis dahin dürfte W&W also noch genügend Herausforderungen für seinen Vorstandsvorsitzenden bieten. L. H.

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