Die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands strahlt auch auf den bis Anfang 2022 noch florierenden Immobilienmarkt aus. Das zeigt die heute veröffentliche Studie „Immobilienmarkt Deutschland 2023/2024“ der DZ Hyp, die in bereits 16. Auflage die Entwicklung der gewerblichen Immobilienmärkte (Büro, Handel, Wohnen) an den sieben deutschen Top-Standorten analysiert.
Neben Zinsanstieg und strukturellen Hemmnissen wie Bürokratie, Demografie und Energiepreisen beschäftigen die Branche sich wandelnde Flächenbedarfe, zuvorderst im Zuge des E-Commerce und des vermehrten Homeoffice. Zugleich müssen erhebliche Mittel in die energetische Ertüchtigung von Gebäuden investiert werden. Gleichzeitig bietet der Immobilienmarkt nach wie vor Potenziale. Von diesem Spannungsfeld zeugen auch die Entwicklungen in den einzelnen Segmenten. Am Büromarkt zogen die Spitzenmieten im ersten Halbjahr 2023 mit einer fast zweistelligen Wachstumsrate an, obwohl die Leerstände weiterhin sukzessive zunehmen. Grund dafür ist der hohe Bedarf an kaum verfügbaren modernen Flächen. Im Handel stoppte nach mehreren Jahren der Mietrückgang. Die Nachfrage nach Citylagen hat sich verbessert, wenngleich Leerstände durch Filialschließungen nach wie vor sichtbar sind. Im Segment Wohnen hat sich der Mietanstieg spürbar beschleunigt. Ursächlich dafür ist das Zusammentreffen von schon zuvor angespannten Märkten und dem zuwanderungsbedingt kräftigen Bevölkerungswachstum.
„Der deutsche Immobilienmarkt entwickelt sich heterogen. Sichtbar wird das insbesondere an den Mietentwicklungen. Angesichts des hohen Bedarfs und eines fehlenden Angebots erwarten wir für 2023 und 2024 den stärksten Anstieg im Segment Wohnen mit einem jährlichen Zuwachs von 5 bis 6 Prozent. Auch in der Assetklasse Büro wird sich das Wachstum fortsetzen, da moderne Büroflächen unverändert gefragt sind. Gebremst von der schwachen Konjunktur dürfte der Anstieg jedoch langsamer als bisher erfolgen. Schlusslicht bleibt der Handel, wo sich die Mieten perspektivisch aber immerhin auf dem aktuellen Niveau stabilisieren sollten“, sagt Sabine Barthauer, Vorsitzende des Vorstands der DZ HYP.
Das anspruchsvolle wirtschaftliche Umfeld, schwache Exporte sowie Kostendruck durch hohe Energiepreise und kräftige Lohnzuwächse sorgen derzeit für Zurückhaltung beim Abschluss teurer Mietverträge auf den Büromärkten. Insofern schwächte sich die Flächenvermietung im ersten Halbjahr 2023 merklich ab. Zudem ging der Bedarf infolge der Zunahme von Homeoffice-Tätigkeiten zurück. Im Fokus der Unternehmen stehen vor allem zentral gelegene, moderne Büroflächen in nachhaltigen Gebäuden, die sich gut für die hybride Arbeitswelt eignen. Diese sind aber – auch wegen der aktuell verhaltenen Bautätigkeit bei Projektentwicklungen – kaum verfügbar. Daher legen die Spitzenmieten anders als in der Vergangenheit trotz des durch die Konjunkturflaute schwächeren Vermietungsgeschäfts und gestiegener Leerstände weiter zu. Die durchschnittliche Veränderungsrate binnen eines Jahres hat sich 2023 auf rund 10 Prozent erhöht. Zur Jahresmitte 2023 stieg die durchschnittliche Spitzenmiete auf 39,20 Euro je Quadratmeter. Das durchschnittliche jährliche Mietplus dürfte bis 2024 bei 3 bis 5 Prozent liegen.
Die Erholung im Einzelhandel nach zwei Pandemiejahren wird von der hohen Inflation verlangsamt. Selbst die krisenresiliente Nahversorgung ist durch den starken Anstieg der Lebensmittelpreise von den Kaufkrafteinbußen der privaten Haushalte betroffen. Während Lebensmittel- und Versandhandel im ersten Halbjahr 2023 Umsatzrückgänge verbuchten, erzielte der Modehandel auf niedrigem Niveau wieder ein Plus. Trotz der knapperen Budgets der Kunden sind die Einkaufsstraßen aber wieder gut frequentiert. Im Zuge der Neuausrichtung des Handels bleiben innerstädtische Flächen gefragt, wenngleich der Bedarf insgesamt sinkt. Von der intensivierten Vermietungsaktivität im ersten Halbjahr 2023 haben vor allem die Top-Standorte profitiert. Ein Teil der Umsätze ist Umzügen innerhalb eines Standorts zuzurechnen, die von den freigewordenen Verkaufsflächen ermöglicht werden. Die belebte Nachfrage nach Citylagen half, den Abwärtstrend der Spitzenmieten zu stoppen. Diese reichen 2023 von gut 200 Euro je Quadratmeter in Stuttgart bis zu knapp über 300 Euro je Quadratmeter in München. Durch ihre Größe, die Internationalität und hohe Besucherzahlen bieten sich die sieben Top-Standorte als „Einfallstor“ für neue Anbieter an. Die Standortstärke spricht gegen weiter sinkende Mieten, die angesichts der guten Flächenverfügbarkeit aber auch nicht so schnell wieder anziehen dürften.
Bei Wohnimmobilien geht die Anspannung mit steigenden Mieten einher. Weil infolge der gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten zahlreiche Neubauvorhaben gestoppt wurden, dürften die Fertigstellungszahlen ab 2024 spürbar sinken. Hinzu kommt, dass durch den Zinsanstieg viele Interessenten den Kauf einer Immobilie nicht mehr finanzieren können und so die Nachfrage nach Mietwohnungen noch verstärkt wird. Durch den beschleunigten Anstieg von Neuvertragsmieten vergrößert sich der Abstand zu den Bestandsmieten weiter, wodurch Umzüge zunehmend unattraktiv werden. Zur Jahresmitte 2023 reichten die Erstbezugsmieten von 15 Euro pro Quadratmeter in Düsseldorf bis zu 21,50 Euro in München. Bei Wiedervermietungen reicht die Spanne von 12,50 Euro je Quadratmeter in Berlin bis zu 18,50 Euro in München. Im laufenden Jahr dürften die Wohnungsmieten an den Top-Standorten um durchschnittlich rund 6 Prozent zunehmen. Ähnliche Größenordnungen sind für 2024 zu erwarten.