BILANZVERGLEICH DER BAUSPARKASSEN 2019: NIEDRIGZINS BLEIBT FLUCH UND SEGEN

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Die Zeitreihen der Deutschen Bundesbank gehören zweifellos zu den verlässlichsten Quellen im Finanzwesen. Und doch musste einem beim Betrachten der zuletzt bereitgestellten Neugeschäftszahlen in der privaten Baufinanzierung fast der Verdacht beschleichen, dass es in der zuständigen Statistikabteilung nicht ganz mit rechten Dingen zugeht. Denn sowohl für den März als auch den April - zwei Monate geprägt von strengen Lockdown-Maßnahmen, massiv steigender Kurzarbeit und düstersten Konjunkturprognosen - mutete die Statistik doch ziemlich kontraintuitiv an: Anstatt eines Rückgangs war laut Bundesbank ein kräftiger Anstieg des Baufinanzierungsneugeschäfts zu verzeichnen - und das wohlgemerkt im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat. So stiegen die im April neu ausgereichten Wohnungsbaukredite (besichert und unbesichert) um 6,2 Prozent auf 24,5 Milliarden Euro, im März betrug das Wachstum gar 18 Prozent auf 25,31 Milliarden Euro.

Und natürlich war den Bundesbank-Statistikern dabei wie gewohnt kein Fehler unterlaufen, womit guten Gewissens festgehalten werden darf: Die Corona-Krise hat dem seit vielen Jahren währenden Boom in der Baufinanzierung kein abruptes Ende bereitet. Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass hier teilweise noch Kredite zum Abschluss kamen, die schon in Prä-Corona-Zeiten angebahnt wurden. Doch auch für die anschließenden Monate Mai und Juni kann von einer Trendwende absolut keine Rede sein, die Neuabschlüsse im Mai und Juni bewegten sich jeweils nur unwesentlich unter Vorjahresniveau.

Bemerkenswert robust ist derweil auch die Entwicklung bei den Preisen für Wohnimmobilien, ganz besonders gilt dies für selbst genutztes Wohneigentum: Nach Angaben des vdp zogen diese im zweiten Quartal 2020 um 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an, für das erste Quartal stand ein Plus von 7,0 Prozent zu Buche. Die Mitte März unter anderem von Empirica und dem IW Köln verlautbarten Kassandrarufe von bis zu 25 Prozent niedrigeren Kaufpreisen muten mittlerweile also doch arg pessimistisch an. Es scheint fast so, als hätte so mancher Researcher im Eifer des Gefechts einen wichtigen Effekt außer Acht gelassen: Selten zuvor waren die Menschen so viel daheim wie jetzt in der Corona-Krise, die Wertschätzung des eigenen Zuhauses hat dadurch zwangsläufig an Bedeutung gewonnen. Gepaart mit der hohen Wertstabilität und den anhaltend niedrigen Zinsen spricht also weiterhin alles für "Betongold".

Tabelle 1: Öffentliche Bausparkassen - "relativer" Zinsüberschuss (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 2: Private Bausparkassen - "relativer" Zinsüberschuss (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 3: Öffentliche Bausparkassen - "relativer" Jahresüberschuss (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 4: Private Bausparkassen - "relativer" Jahresüberschuss (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F

Die 19 deutschen Bausparkassen dürften die aktuelle Ausgangssituation dabei alles in allem mit einem lachenden und weinenden Auge sehen - wie bereits so oft in den vergangenen Jahren. Einerseits hat die Pandemie wie eben geschildert in vielen Menschen den Wunsch nach Wohneigentum nochmals gestärkt - die Nachfrage nach geeigneten Finanzierungsprodukten wird auf absehbare Zeit also auskömmlich hoch bleiben. Andererseits implizieren die nun geschnürten, Hunderte Milliarden Euro schweren Hilfspakete, dass das Niedrigzinsumfeld vermutlich noch viel länger als bislang gedacht Bestand haben wird - und mit ihm der Druck auf das bei Bausparkassen im Wesentlichen vom Zinsüberschuss determinierte betriebswirtschaftliche Ergebnis. Dass die Belastung an dieser Stelle eigentlich schon groß genug ist, davon zeugen einmal mehr die entsprechenden Kennzahlen in der Ertragsrechnung für das vergangene Jahr.

Tabelle 9: Ertragsrechnung der öffentlichen Bausparkassen im Vergleich (I) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 10: Ertragsrechnung der privaten Bausparkassen im Vergleich (I) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 11: Ertragsrechnung der öffentlichen Bausparkassen (II) und Kennzahlen im Vergleich Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 12: Ertragsrechnung der privaten Bausparkassen (II) und Kennzahlen im Vergleich Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F

So schmolz der aggregierte Zinsüberschuss 2019 ein weiteres Stückchen auf knapp 2,44 Milliarden Euro ab. Erwähnenswert ist, dass das Minus bei den privaten Bausparkassen mit 11,5 Prozent deutlich ausgeprägter war als bei den Landesbausparkassen (minus 1,5 Prozent). Erstgenannte mussten denn auch beim Provisionsergebnis (minus 13,1 Prozent) einen deutlich größeren Rückgang verschmerzen. Folgerichtig gibt die LBS-Familie hinsichtlich Rohertrag und (Teil-)Betriebsergebnis mehrheitlich eine deutlich bessere Figur ab. Dieser Befund gilt weitestgehend auch für den Vergleich der Profitabilität: So verdeutlicht zum einen Abbildung 3, dass es den LBSen tendenziell erneut besser gelungen ist, ihr Neugeschäft zu geringeren Kosten zu akquirieren. Zum anderen offenbart Abbildung 5, dass die öffentlichen Bausparkassen bei der Kosten-Ertrag-Relation überwiegend die vorderen Plätze einnehmen.

Abbildung 3: Provisions- und Personalaufwand zu Nettoneugeschäft 2019 (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Abbildung 4: Befüllung der Fonds zur bauspartechnischen Absicherung* (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Abbildung 5: Entwicklung der Kosten-Ertrag-Relation (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Abbildung 6: Kosten-Ertrag-Relation inklusive außerordentlicher Erträge und Aufwendungen (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F

Im Bausparneugeschäft behielt 2019 dagegen das private Lager die Oberhand: Bausparverträge über eine Gesamtsumme von netto knapp 56,7 Milliarden Euro (plus 3,7 Prozent) wurden hier im vergangenen Jahr neu eingelöst - da konnten die LBSen mit einem Zuwachs von 0,6 Prozent auf gut 32,9 Milliarden Euro nicht ganz mithalten. Prozentual gesehen haben im vergangenen Jahr insbesondere die Debeka Bausparkasse (plus 96,8 Prozent), die Alte Leipziger (plus 45,9 Prozent) sowie aufseiten der öffentlichen Institute die LBS Ost (plus 11,2 Prozent) ihre Vertriebsaktivitäten intensiviert. Die stärksten Rückgänge im Bausparneugeschäft hatte dagegen mit einem dicken Minus von 51,7 Prozent die seit September 2018 zur österreichischen Bawag PSK gehörende start:bausparkasse (vormals Deutscher Ring Bausparkasse) zu verschmerzen, gefolgt von der Mitte 2020 auf Wüstenrot verschmolzenen Aachener Bausparkasse (minus 25,8 Prozent).

Tabelle 5: Die Geschäftsentwicklung der öffentlichen Bausparkassen im Vergleich Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 6: Die Geschäftsentwicklung der privaten Bausparkassen im Vergleich Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 7: Die öffentlichen Bausparkassen im Kennzahlenvergleich Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 8: Die privaten Bausparkassen im Kennzahlenvergleich Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F

Gesamtheitlich betrachtet verzeichnete die Branche damit unterm Strich das zweite Jahr in Folge ein Wachstum in ihrem Kerngeschäftsfeld. Bezüglich der Frage, ob dieser Aufwärtstrend im laufenden Jahr eine Fortsetzung findet, geben sich die Branchenvertreter indes bedeckt - zu nebulös sei die Lage noch aufgrund von Corona. Weitgehend Einigkeit herrscht in diesem Zusammenhang letztlich nur für das kommende Jahr: Von der ab 1. Januar 2021 deutlich verbesserten Wohnungsbauprämie verspricht sich die Branche einen signifikanten zusätzlichen Auftrieb im Bausparneugeschäft. "Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren ein- bis eineinhalb Millionen Menschen neu anfangen, gefördert zu sparen", verriet Bernd Hertweck diesbezüglich im Interview mit I & F Anfang April.

Abbildung 2a: Marktanteile im kollektiven Darlehensgeschäft 2019 (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Abbildung 2b: Marktanteile im außerkollektiven Darlehensgeschäft 2019 (in Prozent) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F

Weitgehend in Einklang mit den Vorjahren war 2019 derweil die Entwicklung im Kreditgeschäft. So wuchs der Gesamtbestand an Baudarlehen über alle Institute hinweg im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent auf 146,8 Milliarden Euro. Einmal mehr konnte somit der - inzwischen allerdings nur noch geringfügige - Rückgang im kollektiven Darlehensgeschäft mithilfe kräftiger Zuwächse bei den Vor- und Zwischenkrediten sowie sonstigen Baudarlehen überkompensiert werden. Wie unausgewogen das Verhältnis zwischen kollektivem und außerkollektivem Darlehensgeschäft mittlerweile ist, offenbart sich in den Tabellen 17 und 18: Zum Jahresende 2019 fiel der Anteil der Bauspardarlehen an den gesamten Baudarlehen im Durchschnitt auf kümmerliche 7,9 Prozent, in Relation zu den Bauspareinlagen (= Anlagegrad) sind es gar nur mehr 6,3 Prozent.

Tabelle 13: Die öffentlichen Bausparkassen im Bilanzvergleich (Aktivseite) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 14: Die privaten Bausparkassen im Bilanzvergleich (Aktivseite) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 15: Die öffentlichen Bausparkassen im Bilanzvergleich (Passivseite) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 16: Die privaten Bausparkassen im Bilanzvergleich (Passivseite) Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 17: Kennzahlen der öffentlichen Bausparkassen im Vergleich Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen der I & F
Tabelle 18: Kennzahlen der privaten Bausparkassen im Vergleich

Dieses Dilemma kaum in Anspruch genommener Bauspardarlehen wird sich freilich nicht über Nacht auflösen. Doch immerhin deutet mittlerweile einiges darauf hin, dass eine Trendwende nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen dürfte - nicht auch zuletzt deshalb, weil die Bausparkassen natürlich längst auf die veränderten Rahmenbedingungen am Markt reagiert haben. So sind nachrangig abgesicherte Bauspardarlehen mit einem Zins von nur noch einem Prozent inzwischen keine Seltenheit mehr - attraktive Angebote dieser Art sollten selbst im hart umkämpften Baufinanzierungswettbewerb reichlich Abnehmer finden. Dass bei den Neukunden ohnehin wieder eindeutig das klassische, auf Finanzierung und Zinssicherheit ausgerichtete Bausparen im Fokus steht, offenbart im Übrigen auch der 2019 nochmals deutliche Anstieg der durchschnittlichen Bausparsumme im Neugeschäft auf nunmehr 55 473 Euro.

Sobald diese Tarifgeneration in einigen Jahren zur Zuteilung reif sein wird, sollte sich das dann auch in steigenden Marktanteilen in der hiesigen Wohnungsbaufinanzierung widerspiegeln. Hier konnten die Bausparkassen im vergangenen Jahr zwar leicht auf 10,14 Prozent zulegen, insgesamt verharren sie damit aber als viertstärkste Kraft seit mehr als zehn Jahren bei rund zehn Prozent . Unangefochtener Spitzenreiter bleibt die Sparkassenorganisation mit einem Marktanteil von 32,66 Prozent, gefolgt von den Kreditbanken (23,45 Prozent) und dem Genossenschaftsverbund (22,67 Prozent). ph

Abbildung 1: Entwicklung der Marktanteile in der Wohnungsbaufinanzierung von 2009 bis 2019* (in Prozent) Quelle: Deutsche Bundesbank, GDV, eigene Berechnungen der I & F

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X