MESSEBERICHT

EXPO REAL 2018: DIESMAL IST ALLES ANDERS - WIRKLICH!

Quelle: Messe München GmbH

Die Vermutung, dass so mancher Teilnehmer der Expo Real auch dem traditionell am Vortag endenden Oktoberfest in München einen Besuch abstattet, gibt es schon lange. Beweisen ließ sich diese These bislang aber nicht. Bislang, denn dank CBRE gibt es nun endlich Gewissheit: Demnach stieg der Anteil der Besucher, die sowohl das Oktoberfest als auch die Expo Real besuchten, von zwölf Prozent in den Jahren 2015 und 2016 auf 15 Prozent im Jahr 2017. Das hat der Immobiliendienstleister durch die Auswertung von Mobilfunkdaten ermittelt. Bevorzugte Anlaufstellen der Expo-Real-Besucher waren die Zelte Schottenhamel, Augustiner und Hacker.

Mit Sicherheit haben auch heuer wieder zahlreiche Aussteller und Besucher von Europas größter Immobilienfachmesse die Chance genutzt, um die beiden Großveranstaltungen erfolgversprechend zu kombinieren. Dass man dabei auf der Wiesn für eine Maß Bier inzwischen durchschnittlich stolze 11,24 Euro (plus 3,8 Prozent) berappen muss, dürfte die Immobilienprofis eher weniger geschockt haben. In ihrer täglichen Praxis sind sie mit immer weiter steigenden Preisen ja bekanntlich nur zu gut vertraut. Überhaupt sollte die Akklimatisierung vom Oktoberfest an die anschließende Expo von Jahr zu Jahr leichter fallen.

Gewiss: Die Dirndl und Trachten werden mit Messebeginn brav gegen hübsche Kostüme und maßgeschneiderte Anzüge getauscht. Davon abgesehen aber hat der einst lokale Stammtisch der deutschen Immobilienwirtschaft mittlerweile viel vom internationalen Flair der Wiesn, es herrscht ein ebenso wunderbares babylonisches Sprachgewirr und die beachtlichen Menschentrauben an den Ständen, bei den Podiumsdiskussionen und in den Gängen der sechs Messehallen ließ in diesem Jahr ebenfalls gewisse Parallelen aufkommen. "Das wohl gefragteste Asset auf der Expo Real 2018 ist eine freie Toilette", merkte Matthias Pink von Savills augenzwinkernd und doch völlig zutreffend an.

Gewohnte Effizienz

Selbst "alte Hasen" der Branche, die seit vielen Jahren das wachsende Interesse an der deutschen Immobilienmesse beobachten, dürften über das rege Treiben einigermaßen erstaunt gewesen sein. Wer weite Wege zwischen zwei dicht getakteten Terminen zurücklegen musste, verspätete sich ob des Gedrängels in den Hallen gut und gerne einige Minuten. Man brauchte bereits am Montagvormittag viel Geduld. Und selbst der sonst so ruhige letzte Messetag am Mittwoch, der primär im Zeichen der Nachwuchsrekrutierung steht, wurde in diesem Jahr intensiv zum Netzwerken und Arbeiten genutzt. Kompliment gebührt dabei den Veranstaltern: Viele Teilnehmer stellten zufrieden fest, dass man sich trotz des hohen Andrangs nicht in Klein-Klein verlor und die gewohnte Effizienz der Kontakt- und Arbeitsmesse aufrechterhalten wurde. Philip La Pierre, Head of Continental Europe bei Lasalle Investment Management kann dies bestätigen: "Das ist inzwischen meine zwanzigste Expo Real. Man käme natürlich nicht so oft hierher, wenn man keinen Mehrwert daraus zieht. Alle Entscheider sind hier vertreten und man kann das sehr effektiv nutzen, um Dinge zu klären."

Von Vorteil war dabei sicher auch, dass sich das Herbstwetter in der bayerischen Landeshauptstadt an den Messetagen noch einmal von seiner schönsten Seite zeigte. Der Nebel am Montagmorgen währte nur kurz und die anschließende Wärme lockte viele Besucher ins Freie und entlastete die vollen Messehallen ein wenig. Die letztlich aber wohl wichtigste Analogie zum Oktoberfest war die gute Stimmung, von der auch das immer wieder zu vernehmende Klirren zahlreicher Champagner- und Weingläser zeugte. Insgesamt stellten heuer mit 2 095 (2017: 2 003) so viele internationale Unternehmen, Städte und Regionen wie nie zuvor auf der Expo Real aus.

Den größten Länderzuwachs gab es dabei aus Großbritannien und Nordirland zu verzeichnen, die Ausstellerzahl stieg hier um 16 auf 47. Auch die bisherige Rekord-Teilnehmerzahl aus dem Vorjahr (41 775) wurde mühelos getoppt: 44 536 Menschen aus 72 Ländern folgten 2018 dem Ruf in das Internationale Congress Center München (ICM). Mit der Expo Real verhält es sich also ganz so wie mit der Immobilienwirtschaft: Wenn man denkt, es kann nicht mehr weiter bergauf aufgehen, wird noch eins draufgesetzt und die eben aufgestellten Rekorde aus dem Vorjahr sind schon wieder Geschichte.

Schade, dass Horst Seehofer (bei Redaktionsschluss noch amtierender Bundesbauminister) von alldem nichts mitbekam. Er cancelte seine drei Auftritte auf der Messe ohne offizielle Begründung. Dass für ihn andere Themen als die Bau- und Immobilienbranche meist höhere Priorität genießen, war bereits mit Blick auf seine kurzfristige Terminabsage auf dem Deutschen Immobilientag Mitte Juni zu erahnen. Die Entscheidung löste bei den Messeteilnehmern dennoch reichlich Kopfschütteln aus. Sicher hätte Seehofer auf der Expo Real viele gute Denkanstöße zur Ankurbelung des Wohnungsbaus gefunden, denn dieses Thema wurde heuer so intensiv wie lange nicht mehr diskutiert.

Wohnen ist die zentrale soziale Frage

Dafür stellte sich einmal mehr der in der Immobilienbranche hoch geschätzte Staatssekretär Gunther Adler der Verantwortung: "Mit einem gemeinsamen Maßnahmenpaket von Bund, Ländern, Kommunen und Verbänden müssen wir die soziale Frage angehen. 1,5 Millionen Wohnungen wollen wir in dieser Legislaturperiode neu bauen, durch steuerliche Anreize und bezahlbares Bauen. Denn nur bezahlbares Bauen ermöglicht auch bezahlbares Wohnen." Wahre Worte, doch bislang kennen die Baukosten weiter nur eine Richtung: steil nach oben. Seit dem Endbericht der Baukostensenkungskommission im November 2016, deren Vorschläge bislang nicht umgesetzt wurden, sind die Baupreise um mehr als zehn Prozent gestiegen. In den vergangenen zehn Jahren betrug die Kostensteigerung am Bau sogar 33 Prozent. Doch anstatt sich etwa an die Entschlackung der tausenden gesetzlichen Baunormen in Deutschland zu machen, setzt die GroKo dieser Tage vor allem auf ziemlich planlos wirkende Markteingriffe - sehr zum Unmut der Immobilienwirtschaft. Mit Blick auf die jüngst verschärfte Mietpreisbremse und den SPD-Überlegungen eines kompletten Mietpreisstopps spricht Kai Wolfram, Geschäftsführender Gesellschafter bei Engel & Völkers Investment Consulting, von einer "völlig verfehlten Politik": "Wir wollen doch alle, dass in den Städten für alle Einkommensgruppen und Gesellschaftsschichten bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist. Aber dann muss der Staat auch selbst bauen. Das hat er früher doch auch getan. Oder er muss Sozialwohnungen wieder so fördern, dass es für einen privaten Investor realistisch darstellbar ist. Man erreicht es jedenfalls nicht durch eine partielle Enteignung der Eigentümer."

Ganz ähnlich beurteilt Philip La Pierre die aktuellen Entwicklungen: "Jegliche Markteingriffe lassen Investoren überlegen: Packe ich mein Geld da rein oder nicht? Jeder erwartet für seine Investition eine Rendite und zwar im Idealfall die, die der Markt frei bestimmt. Ich verstehe die politische Sorge, dass steigende Mieten am sozialen Gefüge zerren. Instrumente wie die Mietpreisbremse oder das Baukindergeld werden dieses Problem aber nicht lösen." "Noch sind gesetzliche Restriktionen wie beispielsweise die Mietpreisbremse aber kein Dämpfer für die Nachfrage", wie Stefan Rockel, Geschäftsführer der Universal-Investment, die in diesem Sommer wieder ihre große Investorenumfrage durchgeführt hat, weiß.

Das belegen auch die aktuellen Zahlen: Laut JLL summierte sich der Umsatz auf dem hiesigen gewerblichen Wohntransaktionsmarkt von Januar bis Ende September 2018 auf 14,9 Milliarden Euro - das sind stolze 81 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen Dekade.

Marc Pamin, Director Fund Management bei der Aberdeen Standard Investments Deutschland AG, verwundert das nicht: "Es sind gute Zeiten für institutionelle Investoren, um in das Thema Wohnen einzusteigen. Die Nachfrage ist vielerorts sehr hoch, gerade in den von der Urbanisierung betroffenen Städten Europas reicht das Angebot oftmals nicht annähernd aus. Das spricht für stabile Cashflows bei verhältnismäßig geringem Risiko und die Aussicht auf steigende Mieteinnahmen."

Auch deshalb hat Aberdeen vor wenigen Monaten seinen ersten europaweiten Wohnimmobilienfonds für institutionelle Investoren aufgelegt. Barings Real Estate Advisers wird künftig ebenfalls in den "Private Residential Sector" (PRS) investieren: "Wir konnten vor kurzem bereits in Finnland und UK entsprechende Objekte erwerben. Zielinvestitionsländer sind in einem ersten Schritt Finnland, Schweden, Frankreich, UK und Spanien", erklärt Gunther Deutsch, Head of Investment Transactions Europe bei Barings.

Deutschland bleibt "solid rock" in Europa

Wesentlich zu dem hohen Transaktionsvolumen in Deutschland beigetragen haben im Übrigen internationale Investoren, etwa im Rahmen eines 900 Millionen Euro schweren Wohnportfoliodeals mit 3 600 Einheiten, die ein dänischer Pensionsfonds von Industria erwarb. "Auch andere internationale Investoren suchen den Eintritt in den deutschen Wohnungsmarkt, selbst um den Preis einer geringen Anfangsrendite", so Dr. Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment bei JLL Germany. Neben den Dänen waren 2018 vor allem Investoren aus den USA (700 Millionen Euro), Großbritannien (660) und Frankreich (470) aktiv.

Dass ausländische Investoren in Zeiten großer Unsicherheiten ihre Aktivitäten auf dem deutschen Immobilienmarkt offensichtlich nochmals zu intensivieren gedenken, verwunderte auf der Messe denn auch niemanden so wirklich. Der Ruf als "solid rock in Europe" eilt dem Land voraus. Sascha Klaus, CEO der Berlin Hyp AG, schätzt die Lage wie folgt ein: "Deutschland gilt als stabiler Markt, das Interesse ausländischer Investoren ist momentan sehr hoch. Gleichzeitig birgt das aber auch eine gewisse Gefahr: Denn wenn sich die Zinslandschaft im Ausland einmal ändert, könnte es zu Kapitalabflüssen kommen."

Derzeit ist das allerdings noch Zukunftsmusik und der hiesige Immobilieninvestmentmarkt kann sich vor Liquidität kaum retten. Das gilt natürlich auch im Bereich der Gewerbeimmobilien: Hier liegt das Transaktionsvolumen laut JLL nach neun Monaten bei 42 Milliarden Euro - acht Prozent über dem Vorjahresniveau. Und noch sind einige größere Tickets in der Pipeline, sodass JLL und Savills für das Gesamtjahr unisono mit einer neuen Rekordmarke von 60 Milliarden Euro (2017: 56,8 Milliarden Euro) rechnen. Zu Jahresbeginn war das übrigens noch ganz anders: Da blickten die meisten Maklerhäuser deutlich zurückhaltender auf das anstehende Jahr 2018, die Schätzungen lagen selten über 50 Milliarden Euro. Doch einmal mehr hat sich gezeigt, dass weder der Mangel an Anlageobjekten, noch Trump, Handelskrieg, Brexit oder sonst etwas den Anlegern den Appetit auf deutsches Betongold verderben können, im Gegenteil: Die zahlreichen Unsicherheitsfaktoren scheinen das Ansteuern des "sicheren Hafens" noch attraktiver zu machen.

Kai Wolfram ist überzeugt: "Einen so stabilen Zyklus wie den aktuellen gab es noch nie." Und an ein zeitnahes Ende der bereits so lange währenden Party glauben auf der Expo nur die wenigsten, auch nicht Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden bei der HSH Nordbank AG: "Wann der Zyklus endet, hängt letztlich von zwei Faktoren ab: Der Geldpolitik und der Konjunktur. Stark steigende Zinsen und eine abflauende Konjunktur würden zu spürbar sinkenden Preisen und Mieten führen. Allerdings ist ein solches Szenario momentan wenig realistisch."

Leicht steigende Zinsen sind kein Problem

In der Tat haben es die europäischen Währungshüter um Mario Draghi nicht eilig mit einer Abkehr von der Nullzinspolitik, frühestens im Herbst 2019 könnte ein erster, zaghafter Zinsschritt erfolgen. Das müsste die Branche locker verkraften können, so der allgemeine Tenor. Darüber hinaus haben viele Unternehmen die aktuelle Zinslage dazu genutzt, ihre Refinanzierung zu optimieren. "Wir haben in den vergangenen eineinhalb Jahren knapp 50 Prozent unserer gesamten Finanzverbindlichkeiten refinanziert. Im Durchschnitt beträgt unser Fremdkapitalzins nun knapp zwei Prozent bei neun Jahren Laufzeit", berichtet Martin Thiel, CFO der TAG Immobilien AG.

Auch mit Blick auf die Anteilsscheine seines im M-Dax notierten Unternehmens ist er entspannt. Erfahrungsgemäß übe ein Zinsanstieg zwar einen gewissen Druck auf die Aktienkurse von Immobilien-AGs aus, viele Investoren hätten inzwischen aber einen differenzierten Blick auf das Segment: "Argumente wie steigende Mieten und Kaufpreise rücken in den Vordergrund und sprechen für die positive Entwicklung von Immobilien-AGs. Im Übrigen sind steigende Zinsen ja nicht per se negativ, denn sie gehen oftmals mit einer guten konjunkturellen Entwicklung und einer steigenden Kaufkraft einher."

Auf diesen Aspekt macht auch Thomas Körfgen, Geschäftsführer und Leiter indirekte Immobilienanlage der Savills Investment Management KVG GmbH, aufmerksam. Seit Jahren wirbt das "Urgestein" der Immobilieninvestmentbranche um erhöhte Aufmerksamkeit seitens deutscher Profiinvestoren für die Assetklasse der REITs und betont: "Das Marktumfeld bei steigenden Zinsen ist gut für REITs. Denn sie sind ein Indiz dafür, dass es der Wirtschaft gut geht, der Konsum hoch ist und entsprechend mehr Mietflächen in allen Sektoren - Büro, Logistik, Einzelhandel und Wohnen - nachgefragt werden. Dies führe zu höheren Mieten und somit zu steigenden Gewinnen von REITs, die auch unmittelbar an die Anleger ausgeschüttet werden müssen. Vielleicht verfängt dieses Argument ja bei den deutschen Investoren, Körfgen sammelt aktuell Gelder für einen neuen REIT-Fonds von Savills ein.

Während REITs über zehn Jahre nach ihrer Einführung hierzulande noch immer ein Schattendasein fristen, gedeiht das Segment der Immobilienfonds bekanntlich prächtig. Das gilt insbesondere für die offenen Vehikel, doch selbst die tot geglaubte Spezies der geschlossenen Immobilienfonds scheint eine gewisse Renaissance zu erleben. So kündigte auf der Expo beispielsweise die Real I.S. AG für Anfang 2019 die Neuauflage eines solchen Produktes für Privatanleger an und auch Wealthcap, die Tochter der Hypo Vereinsbank, wird hier wieder aktiv.

Selbstredend, dass sich die fortgesetzte Investment-Rallye unterdessen weiter in der Renditeentwicklung bemerkbar macht. Laut BNP Paribas sind die Netto-Spitzenrenditen für die nach wie vor mit Abstand beliebteste Assetklasse Büro, auf die zirka 45 Prozent des bisherigen Transaktionsvolumens im Jahr 2018 entfiel, weiter unter Druck. In Berlin und München ist diese inzwischen mit gerade einmal noch 2,90 Prozent anzusetzen - das ist nicht mehr viel mehr als die Inflation, aber noch immer besser als die unverändert mauen Aussichten am Rentenmarkt. Dr. Georg Reul, CEO von Hamburg Trust, sieht diese Entwicklung zunehmend kritisch: "Die Renditen von Core-Immobilien sind so stark gesunken, dass dies allein mit den Fundamentaldaten der Immobilien - Vermietungssituation, Mietprognosen, Unterhaltungskosten - nicht zu erklären ist. Dieses Marktsegment hat sich zu einem Derivat der Finanzmärkte entwickelt: Die Kaufpreise werden durch niedrige Kreditzinsen und durch die Renditen anderer Anlageklassen wie Staats- und Unternehmensanleihen bestimmt."

Die Folge ist, dass manche Anbieter auf andere Segmente ausweichen: "Um eine attraktive Rendite erwirtschaften zu können, bewegen wir uns überwiegend im Bereich Core+ und Value-Add und darüber hinaus in ausgesuchten Märkten sogar im opportunistischen Risiko/Rendite-Profil. Ankäufe im Core-Segment werden dieses Jahr voraussichtlich weniger als die Hälfte unseres Gesamtinvestitionsvolumens betragen", sagt beispielsweise Gunther Deutsch von Barings Real Estate Advisors.

Büro bleibt "everybody's darling"

Aber wer weiß: Vielleicht blickt die Branche in einigen Jahren auf die heutige Zeit zurück und stellt sich die Frage, wie damals nur so hohe Preise gezahlt werden konnten. Fakt ist: Betrachtet man beispielsweise die Entwicklung des German Property Index (GPI) von Bulwiengesa, so offenbart sich in den vergangenen drei Jahren eine zunehmende Entkopplung von Miet- und Investmentmarkt bei deutschen Immobilien. Anlass zur Sorge würde dies vor allem dann liefern, wenn die Schere nicht durch steigende Mieten wieder geschlossen werden kann. Philip La Pierre ist diesbezüglich aber optimistisch: "Nehmen Sie die fünf größten deutschen Bürostandorte: Die Leerstandsquoten liegen dort - mit Ausnahme von Frankfurt - zwischen zwei und fünf Prozent. Um einen normalen Markt zu ermöglichen, bräuchte es aber ein deutlich höheres Grundrauschen an Leerstand. Da dies aber nicht gegeben ist, kommt es automatisch zu dynamisch steigenden Mietpreisen."

Timo Tschammler, CEO von JLL Germany, pflichtet ihm bei: "Der Incentive-Puffer für Verhandlungen ist in den vergangenen Quartalen restlos aufgebraucht worden. Geringe Leerstände bieten wenig Gründe für mietfreie Zeiten oder Umbauzuschüsse - die Eigentümer sitzen am längeren Hebel." Piotr Bienkowski von BNP Paribas Real Estate Germany sieht sogar bisherige Rekorde erreichbar: "Wir werden noch in diesem Zyklus mit über 50 Euro ähnliche Spitzenmieten wie Anfang der neunziger Jahre sehen." Ein Faktor dabei sei der immer stärker werdende Wettbewerb um Talente. Dies führt laut Bienkowski dazu, dass sowohl die Old als auch die New Economy bereit sei hohe Mieten zu akzeptieren, um attraktive Arbeitsplätze in attraktiven Lagen zu bekommen. Lediglich das nicht verfügbare Angebot an Objekten könnte den Vermietungsmotor nach Ansicht der Experten etwas ins Stottern bringen.

Hauptproblem sind und bleiben die (nicht) verfügbaren Flächen vor allem in den Ballungszentren. Durch den starken politischen Fokus auf das Thema Wohnen entwickelt sich dieses Segment zunehmend zum kaum mehr bezwingbaren Wettbewerber um die Grundstücke für den Bau von Gewerbeobjekten. Das erfordert Kreativität: "Die Immobilienbranche muss innovativer werden, um dem Flächenproblem zu begegnen - gemischt genutzte Objekte wie Wohnen über Retail oder Hotel über Parken werden stärker kommen", glaubt Dr. Christine Bernhofer, Geschäftsführerin der Swiss Life Kapitalanlagegesellschaft mbH.

Stimmen, wonach heraufziehende konjunkturelle Gewitterwolken den optimistischen Annahmen zur Mietpreisentwicklung einen Strich durch die Rechnung machen könnten, waren indes eher selten zu vernehmen. Sebastiano Ferrante, Head of Germany and Italy bei PGIM Real Estate, war einer derjenigen, die zu Vorsicht mahnten: "Deutschlands anhaltende Wirtschaftsstärke ist nach wie vor stark exportgetrieben und somit abhängig von einem reibungslos funktionierenden Welthandel." Dass der zuspitzende Handelskrieg dafür natürlich Gift ist, bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Ferrante hält im Übrigen auch den jüngsten Konjunkturbericht des IWF für eine lesenswerte Lektüre: "Der Peak scheint hinter uns zu liegen und das globale Wachstum schwächt sich spürbar ab."

Viel Eigenkapital im Markt

Solche Kassandrarufe verhallten in den Messehallen aber relativ schnell. Überhaupt bestand unter den meisten Messeteilnehmern Konsens darin, dass die in der Vergangenheit so manches Mal irrtümlich strapazierte Phrase "Diesmal ist alles anders" auf den momentanen Boom tatsächlich zutrifft. Kai Wolfram sieht gerade die Investoren deutlich besser gerüstet: "Nach 2008 hat sich alles professionalisiert. Die Teilnehmer, die heute auf dem Immobilieninvestmentmarkt unterwegs sind, sind hinsichtlich Administration deutlich besser aufgestellt, sie bewirtschaften überwiegend selbst ohne Dritte."

Außerdem seien sie viel besser finanziert als vor dem Jahr 2008, der Eigenkapitalanteil liege deutlich höher. "Die Möglichkeit, dass eine negative Entwicklung ihr Geschäftsmodell beeinflusst, hat also eine erheblich geringere Bedeutung."

Sebastiano Ferrante bestätigt dies: "Das derzeit größte potenzielle Risiko bei Immobilieninvestitionen ist die Liquidität. Und da mache ich mir wenig Sorgen. Der Leverage im System ist deutlich niedriger als vor rund zehn Jahren und die Eigenkapitalpositionen entsprechend stark. Dadurch sollten Investoren auch in einer Krisensituation die Kontrolle über ihre Asset behalten."

Dass signifikant mehr Eigenkapital bei Investments vorhanden ist, kann auch Sascha Klaus, CEO der Berlin Hyp AG, berichten: "Vor der letzten Finanzkrise waren insbesondere bei den Bestandsfinanzierungen die Ausläufe um einiges höher als heute."

Peter Axmann macht sich vor diesem Hintergrund um die Zunft der Immobilienfinanzierer ebenfalls keine Sorgen: "Wenn es zu einer Korrektur am Markt kommt - und die wird es früher oder später geben -, wird es als erstes die Investoren treffen. Und das ist ja auch richtig so: Der Investor hat schließlich die Chancen auf Wertsteigerungen und sollte deshalb auch das unternehmerische Risiko tragen."

Dass die gewerblichen Immobilienfinanzierer aktuell sehr behutsam unterwegs sind, unterstreichen auch die jüngst von JLL veröffentlichten Zahlen für das erste Halbjahr 2018 der 13 führenden Kreditinstitute. Demnach sank das in Deutschland realisierte Neugeschäftsvolumen gegenüber dem Vorjahreszeitraum deutlich um zehn Prozent auf 17,6 Milliarden Euro. "Der unverändert hohe Konkurrenz- und Margendruck führt offenbar nicht dazu, dass pauschal risikoreichere Finanzierungen in die Bücher genommen werden" so Anke Herz, Team Leader Debt Advisory bei JLL Germany.

Die Frage, ob sich an dem von Anke Herz erwähnten "Konkurrenz- und Margendruck", zeitnah etwas ändert, treibt naturgemäß viele Immobilienfinanzierer um. Laut dem "German Debt Project" von IREBS sind die Bruttomargen weiter im Sinkflug und dürften in diesem Jahr auf gerade einmal noch 121 Basispunkte fallen.

Für Core-Objekte würden gar nur mehr "Mikromargen" zwischen 50 bis 70 Basispunkte gezahlt. Sascha Klaus sieht das Ende der Fahnenstange erreicht: "Deutschland ist mit der kompetitivste Markt in Europa. Inzwischen dürfte aber eine Bodenbildung erreicht sein und so langsam sollten die Margen auch einmal wieder steigen."

Druck auf etablierte Finanzierer bleibt hoch

Aber wie sieht es mit der Konkurrenz aus? Hier dürfte der Druck auf die Hypothekenbanken hoch bleiben, wenn nicht sogar weiter steigen. Der Grund dafür liegt auch darin, dass neue Player wie Versicherungen und Pensionskassen das Segment seit einigen Jahren verstärkt bearbeiten. Nach Schätzungen der BF.Direkt AG entfallen bei Immobilienprojekten derzeit bereits zehn Prozent aller Fremdfinanzierungen auf Nicht-Banken. Ein sehr aktiver Player ist hier beispielsweise die Allianz Real Estate: Seit Anfang 2017 legte deren Immobilienfinanzierungsgeschäft um 5,1 auf 17,6 Milliarden Euro zu. Jeweils rund die Hälfte dieses Wachstums entfiel auf Europa und die USA. Und es dürfte erst der Anfang sein.

Ganz aktuell hat die Allianz Real Estate nämlich ihren ersten Immobilien-Finanzierungsfonds vorgestellt. Der Anlass dafür: "Die steigende Nachfrage aus der Allianz-Gruppe nach Debt-Investments zu befriedigen." Auch PGIM Real Estate Finance, die in den USA mit einem Volumen von über 90 Milliarden US-Dollar bereits eine der größten Non-Banking-Lender im Bereich Senior Debt sind, haben Expansionspläne, wie Sebastiano Ferrante verrät: "Auf Basis einer kombinierten Plattform, bestehend aus PGIM Real Estate und PGIM Real Estate Finance, planen wir, dieses Geschäft in Europa und Asien auszubauen."

Profiteure dieses regen Wettbewerbs sind die Kreditnehmer, nicht zuletzt die kapitalintensive Branche der Projektentwickler, wie Gregor Volk, Geschäftsführer von Ratisbona Handelsimmobilien, bestätigt: "Neben den klassischen Finanzierungspartnern wird zunehmend Kapital aus inländischen Vorsorgeunternehmen sowie unterschiedlichen Quellen wie Fonds und Family Offices aus dem Ausland zur Verfügung gestellt. Hierbei wird die ganze Risikobandbreite abgedeckt." Christoph Reschke, Geschäftsführer von Hines Immobilien Deutschland, stimmt dem zu: "Equity ist das neue Debt: Versicherungen verfügen über reichlich Eigenkapital und suchen dafür händeringend nach Anlagemöglichkeiten - zunehmend auch in der gewerblichen Immobilienfinanzierung."

Abgesehen davon wird das Geschäft der Projektentwickler allerdings immer teurer: "Wir sehen auch 2018 noch neue Grundstücke auf dem Markt, man muss dafür nur oftmals mehr Geld bezahlen als früher", so die Einschätzung von Reschke. Könnte das vielleicht auch an der viel zitierten Spekulation mit Grund und Boden liegen? Gänzlich ausschließen möchte das Alexander Möll, ebenfalls Geschäftsführer von Hines Immobilien Deutschland, nicht: "Es gibt Einzelfälle, in denen man ein Grundstück zum vierten oder fünften Mal im Angebot sieht, ohne dass es zum Bau gekommen ist." Er zeigt deshalb Verständnis für die Verärgerung von Städten und Gemeinden, die Baurecht schaffen in der Hoffnung, dass neuer Wohnraum entsteht. Gleichwohl sieht er aktuelle Überlegungen, wonach das Baurecht an eine Bauverpflichtung gekoppelt werden soll, skeptisch: "Das dürfte in der Praxis rechtlich nur schwer umzusetzen zu sein."

"Wie die Pilze"

Davon abgesehen kam man auf der diesjährigen Expo Real an einem Thema nicht vorbei: der Digitalisierung. Viele technische Innovationen waren an den Messeständen zu bewundern und in zahlreichen Panels wurden Ansätze für die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft diskutiert. Nicht fehlen durften dabei natürlich die Proptechs. Über 60 junge Start-ups präsentierten sich auf dem Real Estate Innovation Forum, das mit rund 750 Quadratmetern doppelt so groß war wie im Vorjahr. Das verdeutlicht, dass das digitale Angriffspotenzial in der Branche hoch ist: "Proptechs treiben die etablierten Player und kommen mit innovativen Ideen, die insbesondere in der Immobilienbranche dringend benötigt werden. In vielen Teilen ist unsere Industrie noch immer recht verstaubt," meint Alexandre Grellier, CEO der Drooms GmbH.

Ganze 300 Real-Estate-Start-ups zählt Nikolai Roth von Proptech.de mittlerweile allein in Deutschland, vor einem halben Jahr waren es 246, im Dezember 2017 noch 200. Wie die Pilze schießen sie momentan aus dem Boden und ob am Ende wirklich jedes seine Daseinsberechtigung hat, muss freilich abgewartet werden. Dr. Thomas Beyerle von Catella prophezeite gegenüber I & F vor einigen Monaten, dass 90 Prozent der Proptechs am Ende des Tages nicht alleine am Markt bestehen könnten. Vermutlich deshalb lassen sich auch immer mehr Kooperationen zwischen Etablierten und Newcomern beobachten.

Beispiele dafür gibt es zuhauf, etwa Union Investment, die eine strategische Beteiligung am Datenraumanbieter Architrave besitzen oder ganz aktuell Patrizia, die als strategischer Lead-Investor bei dem ebenfalls im Datenmanagement angesiedelten Proptech Evana einsteigen. Und auch die gewerblichen Immobilienfinanzierer kommen offensichtlich immer mehr auf den Geschmack. Besonders aktiv ist hier die Berlin Hyp, die trotz ihres mittlerweile stolzen Alters von 150 Jahren zu den aufgeschlossensten Akteuren gehört. Neben einer Kooperation mit dem Schweizer Proptech Carbon Delta ist das Institut als Investor bei 21st Real Estate sowie Brickvest aktiv.

Gerade das Geschäftsmodell der Londoner Investmentplattform Brickvest scheint vielversprechend, denn auch die Aareal Bank hat nun auf der Expo Real verkündet, im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung einzusteigen. Das voll regulierte Proptech sammelt auf seiner digitalen Plattform Eigenkapital und Fremdkapital für gewerbliche Immobilienfinanzierungen ein. Was in der privaten Wohnungsbaufinanzierung längst Standard ist, gestaltet sich im gewerblichen Bereich aufgrund der hohen Komplexität des Geschäfts aber als deutlich schwieriger.

Sascha Klaus sieht deshalb auch keine Bedrohung von Brickvest ausgehen, gleichwohl ist er der Überzeugung, dass derartige Konzepte an Bedeutung gewinnen werden: "Wir gehen davon aus, dass perspektivisch ein gewisser Prozentsatz über solche Plattformen laufen wird - sowohl im Bereich Equity als auch Fremdkapital. Brickvest setzt an dieser Stelle an und wir loten gemeinsam die Potenziale aus." Dass sich nun auch die Aareal Bank bei Brickvest engagiert, freut ihn im Übrigen.

Gut zu sehen, dass die Branche bei diesem wichtigen Zukunftsthema endlich in die Gänge kommt. Dies lässt sich im Übrigen auch mit Blick auf den Bereich Nachhaltigkeit feststellen. Dass das Thema für Investoren nicht mehr wegzudenken ist, zeigt sich beispielsweise an dem rasant steigenden Transaktionsvolumen mit zertifizierten Green Buildings. Laut einem Report von BNP Paribas Real Estate summierte sich dieses bei den in die Analyse einbezogenen Single Deals in Deutschland auf knapp 7,92 Milliarden Euro. Bezogen auf die rund 38,9 Milliarden Euro, die bundesweit in Einzelobjekte investiert wurden, beläuft sich der Anteil zertifizierter Gebäude somit bereits auf gut 20 Prozent. Philip La Pierre ist überzeugt, dass es sich für Investoren lohnt, nachhaltigen Aspekten Priorität einzuräumen: "Sie wirken positiv auf vielen zeitlich verschiedenen Ebenen eines Immobilien-Lebenszyklus. Auf lange Sicht zahlt sich die Investition in nachhaltig konzipierte Gebäude aus." Sascha Klaus pflichtet ihm bei: "Das Thema Nachhaltigkeit genießt in der Immobilien- und Finanzbranche mittlerweile hohe Priorität und dieser Trend wird - nicht zuletzt aufgrund des gesetzgeberischen Drucks - anhalten."

Dem Kater vorbeugen

Was bleibt nach den drei intensiven Messetagen in München also festzuhalten? Der Immobilienbranche geht es unverändert sehr gut und entsprechend war auch die Stimmung unter den Ausstellern und Besuchern. Trotz des knappen Angebots findet die Investment-Rallye auf dem deutschen Markt bei anhaltend hoher Nachfrage und Liquidität eine Fortsetzung. Die Voraussetzungen für ein weiteres Rekordjahr sind gegeben. "Gerade in starken Marktphasen wie diesen sind Weitblick und Augenmaß jedoch unerlässlich", wie Timo Tschammler anmerkt.

Wie stark diese Attribute bei den Marktteilnehmern ausgeprägt sind, wird sich möglicherweise bereits in den nächsten zwölf Monaten zeigen. Die EZB dreht voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2019 - ungefähr zum Zeitpunkt der nächsten Expo Real - erstmals leicht an der Zinsschraube. Hier ist die Branche allem Anschein nach gut gerüstet. Gleichzeitig gibt es erste Anzeichen für eine konjunkturelle Eintrübung im Euroraum. Die Branche könnte also relativ schnell vor veränderte, sprich schwierigere Rahmenbedingungen gestellt werden. "Das erfordert Strategie, genaue Marktkenntnis und unabhängiges Urteilsvermögen, damit auf ein erneutes Rekordjahr nicht ein kapitaler Kater auf der Expo Real 2019 folgt", sagt Timo Tschammler. ph/PO

Die nächste EXPO REAL findet von Montag, den 7. Oktober, bis Mittwoch, den 9. Oktober 2019, wie gewohnt in den Münchener Messehallen statt.

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