Crowdfinanzierer werden erwachsen

Seit dem 1. Dezember 2017 herrscht traurige Gewissheit: Das erste deutsche Immobilien-Crowdinvesting-Projekt ist pleite. Erwischt hat es das von der Plattform Zinsland betreute Wohnungsvorhaben "Luvebelle" in Berlin (siehe auch I & F 20/2017). Das Amtsgericht München eröffnete an diesem Tag offiziell das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung für das zuständige Bauunternehmen, die Conrem Ingenieure GmbH. Alle Bemühungen von Zinsland-Chef Carl-Friedrich von Stechow, Conrem-Geschäftsführer Heinz Michael Grohe von einer Rücknahme des Insolvenzantrags zu überzeugen, blieben wirkungslos. Aus dem Anfang September 2017 "rein vorsorglich" gestellten Insolvenzantrag ist somit der Ernstfall geworden: Den 274 privaten Schwarminvestoren, die Conrem für das Bauprojekt 499 500 Euro geliehen haben, droht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Totalverlust. Sie haben dem Schuldner die bei Crowdinvesting üblichen Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellt und müssen deshalb auf eine ausreichend große Insolvenzmasse hoffen. Diesbezüglich sieht es jedoch düster aus: Der zuständige Insolvenzverwalter teilte Finanztest mit, dass die Insolvenzmasse nach derzeitigem Stand nicht einmal ausreiche, um die erstrangigen Gläubiger voll zu befriedigen.

Der Verlust der weißen Weste kommt für die junge Schwarmgemeinde auf den ersten Blick zu einem psychologisch ungünstigen Zeitpunkt. Wie von Exporo-Vorstandsmitglied Julian Oertzen im Interview mit I & F (Heft 05/06) prognostiziert, konnte im vergangenen Jahr 2017 erstmals die wichtige 100-Millionen-Euro-Schwelle überschritten werden: Laut crowdinvest.de betrug das für Immobilienprojekte bereitgestellte Schwarmkapital 131,7 Millionen Euro - ein Plus von knapp 230 Prozent gegenüber dem Jahr 2016. Inmitten dieser Aufbruchsstimmung ist die durch "Luvebelle" verursachte negative Publicity eigentlich Gift. Eigentlich, denn bei genauerem Hinsehen lässt sich hinsichtlich etwaiger Sorgen um einen Vertrauensverlust schnell Entwarnung geben. Die Privatinvestoren haben dem Segment nicht den Rücken gekehrt, im Gegenteil: Alleine im November 2017, also wenige Wochen nach Bekanntwerden der Probleme bei "Luvebelle", sammelten die Crowdinvesting-Plattformen insgesamt 20 Millionen Euro ein - ein neuer Monatsrekord. Dass Anbieter ihre Fundingaktivitäten wie gewohnt innerhalb kurzer Zeit erfolgreich beenden können, liegt dabei nicht zuletzt an den unverändert günstigen Rahmenbedingungen für ihr Geschäftsmodell: Neben dem florierenden deutschen Immobilienmarkt sind es die anhaltend mauen Sparzinsen, die Privatanleger in das Segment treiben: Die bei schwarmfinanzierten Immobilienprojekten üblicherweise in Aussicht gestellten Renditen zwischen 5,5 und 9,0 Prozent (bei "Luvebelle" waren es 7,0 Prozent) könnten derzeit nicht verlockender sein.

Die damit verbundenen Risiken werden da bereitwillig ausgeblendet. Noch, denn der Wunsch der deutschen Kunden nach besser regulierten Produkten abseits des "grauen Kapitalmarkts" ist dem Vernehmen nach mittlerweile sehr groß. Hinzu kommt, dass Projektentwickler teilweise gerne deutlich größere Summen von der Crowd in Anspruch nehmen würden. Diesen Wünschen können die Anbieter bislang jedoch nicht nachkommen, da sie innerhalb der engen Grenzen des unregulierten "grauen" Kapitalmarktes agieren. Dieser sieht ein maximales Investmentvolumen der Schwarmgemeinde in Höhe von 2,5 Millionen Euro vor. Alles was darüber liegt, würde unter anderem eine mit signifikanten Kosten verbundene Prospektflicht zur verbesserten Aufklärung der Kunden erforderlich machen. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben erscheint der mühsame Schritt vom "grauen" in den "weißen" Kapitalmarkt dennoch ratsam. Nur so können die Crowdinvesting-Plattformen attraktiver für Projektentwickler werden und mithilfe neuer Produkte auch besser besichern als jetzt. Vermutlich deshalb arbeiten derzeit mehrere Anbieter intensiv an der Etablierung entsprechender Strukturen. Das erste Unternehmen, das nun Nägel mit Köpfen gemacht hat, ist der Marktführer Exporo. Das Hamburger Fintech hat vor wenigen Wochen die Voraussetzungen zur Begebung von Anleihen - also vollregulierten Wertpapieren inklusive Prospektpflicht - geschaffen. Die dafür benötigte KWG-Lizenz erhielt das Unternehmen von der BaFin Mitte Dezember 2017. Vermittelt werden sollen die Anleihen über die neu gegründete Exporo Investment GmbH und für die digitale Konto- und Depotführung der Kunden konnte die Baader Bank gewonnen werden.

Kurz nach Erfüllung dieser Voraussetzungen hat dann auch die Fundingphase für das erste anleihebasierte Finanzierungsprojekt begonnen: Laut dem unserer Redaktion vorliegenden Exposé handelt es sich dabei um den Erwerb von vier vollvermieteten Bestandshäusern in zentraler Lage von Hannover mit insgesamt 54 Wohnungen und fünf Gewerbeeinheiten. Insgesamt soll die Crowd dafür ein Volumen von 4, 963 Millionen Euro via Anleihen bereitstellen. Die erwartete Gesamtrendite durch Mietausschüttungen und Verkaufsgewinnbeteiligung beziffert Exporo auf über sechs Prozent pro Jahr. Zustande kommt diese attraktive Verzinsung wohlgemerkt einmal mehr durch den Einsatz nachrangiger Besicherungen für die Crowd. Das Unternehmen weist deshalb explizit darauf hin, dass "das Investment mit Risiken verbunden" ist. Vermutlich wird die Anleihe aber erneut schnell gezeichnet sein. Denn die Anleger scheinen für solche Warnungen in der durch die EZB geschaffenen Nullzins-Welt, die das Gefühl für Preise und Risiken stark verzerrt hat, nicht mehr wirklich empfänglich zu sein. ph

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