Crowdinvesting - erste Insolvenz droht

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Die makellose Erfolgsbilanz der Immobilien-Schwarmfinanzierer droht ihren ersten Kratzer zu bekommen. Wie tief dieser letztlich sein wird, ist allerdings noch völlig unklar, denn der Insolvenzantrag zweier Projektgesellschaften, die für ein Wohnungsbauvorhaben in Berlin (Apartmentanlage "Luvebelle") über die Plattform Zinsland in zwei Tranchen insgesamt 1,25 Millionen Euro von 286 Kleinanlegern eingesammelt haben, gibt Rätsel auf. Das Crowdprojekt erschien zu Beginn nämlich vergleichsweise solide und wenig riskant, geschweige denn spekulativ. In einer Anlegerpräsentation zur Finanzierungsstruktur des 7,5 Millionen Euro teuren "Luvebelle" war ein (ungewöhnlich hoher) Eigenkapitalanteil des Projektentwicklers von 2,2 Millionen Euro vorgesehen, ergänzt um Bankkredite in Höhe von 4,8 Millionen Euro. Besonders komfortabel: Die Liegenschaft war im Rahmen eines Forward-Deals an Aviarent Capital Management für rund acht Millionen Euro bereits zu einem frühen Zeitpunkt verkauft worden.

Diese günstige Ausgangslage veranlasste die Projektentwicklungsgesellschaften dann aber offensichtlich dazu, eine deutlich geringere Summe einzubringen. Wie Stiftung Warentest berichtet, wurde tatsächlich nur eine Million Euro an Eigenkapital eingebracht, von denen die Hälfte durch das Crowddarlehen abgelöst worden sei. Dieser Reduzierung des Eigenkapitals stimmte Zinsland zu, schließlich war das Risikoprofil nach Ansicht von Zinsland-Geschäftsführer Carl von Stechow infolge des Vorabverkaufs deutlich geringer gewesen. Und doch sind nun scheinbar schwerwiegende Komplikationen aufgetreten, die den für beide Gesellschaften verantwortlichen Geschäftsführer Heinz Michael Groh Mitte September dazu bewegt haben, einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München einzureichen. Wie Zinsland mitteilt, ist die Liquiditätssituation nach Aussage des Projektentwicklers "derzeit nicht gesichert". Stechow traf die Botschaft völlig unvorbereitet, für ihn ist der Antrag nach wie vor nicht nachvollziehbar, weshalb er auch weiter an einer erfolgreichen Beendigung des Bauvorhabens arbeitet. Sieben beziehungsweise neun Prozent pro Jahr sollten die 286 Schwarmfinanzierer bei Luvebelle bekommen, nun droht der Totalverlust. Denn es handelt es sich um die für Crowdfunding-Projekte gängigen Nachrangdarlehen, die im Insolvenzfall hinter anderen Forderungen wie Bankkrediten zurückstehen. Doch noch besteht Hoffnung auf ein versöhnliches Ende. Dafür müssen zunächst jedoch essenzielle Fragen beantwortet werden. Etwa die, warum das bislang nicht eingebrachte Eigenkapital nicht zur Überbrückung des Liquiditätsengpasses fließt. Unklar ist auch, wie werthaltig eine für die Crowdanleger gegebene Bürgschaft ist und ob sie überhaupt gezogen werden kann.

In Gesprächen mit dieser Zeitschrift betonten sowohl Stechow als auch Exporo-Mitgründer Julian Oertzen stets, wie wichtig Sorgsamkeit bei der Auswahl der Projekte und anschließenden Zusammenarbeit mit den Entwicklern sei. Der vorliegende Fall ist nicht der erste, bei dem dieser Maxime nicht gänzlich Rechnung getragen wurde. Die infolge eines Ermittlungsverfahrens gegen die Eigentümer der Projektgesellschaften in Misskredit geratenen Vorhaben "Kantoneum" (ebenfalls von Zinsland) und "Nordkap" (Bergfürst) hatten in jüngerer Vergangenheit bereits für Unruhe gesorgt. Zumindest für diese beiden Sorgenkinder kann aber Entwarnung gegebenen werden: Beide sind mittlerweile zurückgezahlt worden.

Unabhängig vom Ausgang des Projekts "Luvebelle" sollten sich die jungen Startups bei aller Aufbruchsstimmung und dem damit verbundenen Tatendrang nicht übernehmen. Zinsland wurde vor gerade einmal drei Jahren gegründet, und hat allein in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres bereits 22 Projekte realisiert - 2015 und 2016 waren es insgesamt 15. Wohlgemerkt handelte es sich dabei sowohl um wohnwirtschaftliche als auch gewerbliche Bauvorhaben. Eine Fokussierung auf eine Assetklasse wurde trotz der jeweils unterschiedlichen und komplexen Due-Diligence-Prüfungen bislang (noch) nicht für nötig befunden. Das ist insofern überraschend, als Crowdfunding vorwiegend von Entwicklern in Anspruch genommen wird, denen es typischerweise an herkömmlichen Liquiditätsquellen mangelt. Wenn eine Bank nicht bereit ist, für sieben oder gar neun Prozent zu finanzieren, spricht das hinsichtlich der zugrunde liegenden Risiken Bände. Auch Prof. Dr. Dirk Schiereck, Prof. Dr. Jochen Panzer und Rias Wardak machten in der I & F (Heft 9, 2017) bereits auf dieses "inhärente Qualitätsproblem" bei Crowdfunding-Projekten aufmerksam.

Um die negative Publicity möglichst frühzeitig im Keim zu ersticken, geht der Markttrend aktuell interessanterweise in Richtung der im Vergleich zu Nachrangdarlehen weniger riskanten Anlageform der Anleihe: Die Plattform iFunded bemüht sich für das Projekt "Eisenzahnstraße" in Berlin derzeit darum, zehn Millionen Euro über Anleihen von der Crowd einzusammeln. Einziger Wermutstropfen: Finanzierungen über Wertpapiere sind laut Kleinanlegerschutzgesetz nicht von der Prospektpflicht ausgenommen. Es handelt sich somit um einen mit Kosten verbundenen Schritt, der jedoch empfehlenswert ist: Nur so kann das Segment den weniger regulierten "grauen Kapitalmarkt" verlassen und sich ernsthaft mit etablierten Immobilien-Investmentformen messen. ph

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