Facility Management - systemrelevant

Philipp Hafner, Redakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

Den achten Meistertitel in Folge hat der FC Bayern in dieser Bundesligasaison eingefahren. Während diese beispiellose Dominanz bei den Münchner Anhängern für anhaltende Verzückung sorgt, sehnt sich der neutrale Fußballfan langsam aber sicher wieder nach etwas mehr Konkurrenz an der Spitze der höchsten deutschen Spielklasse. Eine Entwicklung ähnlich wie in der Lünendonk-Liste, quasi das "Bundesliga-Pendant" für die 25 führenden Unternehmen im Bereich Facility Management, wäre der Spannung sicher dienlich. Denn hier herrscht nach ebenfalls vielen Jahren der Eintönigkeit, in denen Apleona (vormals Bilfinger HSG) einsam seine Kreise zog, mittlerweile ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen.

Verantwortlich dafür ist die Spie Deutschland & Zentraleuropa GmbH aus Ratingen, die im vergangenen Jahr zum zweiten Mal nach 2017 wieder die Führung in dem nach Inlandsumsatz sortieren Ranking übernommen hat. Das Unternehmen steigerte 2019 insbesondere dank zweier weiterer Übernahmen (Osmo-Anlagenbau und Telba Gruppe) den in Deutschland erzielten Umsatz um knapp zehn Prozent auf 1,70 Milliarden Euro und zog somit knapp an Apleona vorbei, das rein organisch um sechs Prozent auf 1,66 Milliarden Euro wuchs. Auch für das Gros der übrigen FM-Dienstleister stand das Jahr 2019 ganz im Zeichen ordentlichen Wachstums - teils organischer, teils anorganischer Natur: So konnten 23 der 25 Unternehmen in der Lünendonk-Liste ihren Umsatz steigern, im Mittel lag das Plus bei ansehnlichen 5,9 (2018: 4,1) Prozent - mit Ausnahme des von einer Sonderkonjunktur geprägten Jahres 2015 (Stichwort "Flüchtlingsversorgung") entspricht dies dem stärksten Wachstum der FM-Branche im vergangenen Jahrzehnt. Lediglich Dussmann (minus 5,6 Prozent) und die Strabag PFS, die aufgrund des Verlusts des Großkunden Deutsche Telekom an ISS einen besonders einschneidenden Rückgang (minus 23,5 Prozent) zu verzeichnen hatte, tanzten hier aus der Reihe.

Unterm Strich stieg der kumulierte Inlandsumsatz der 25 Listenunternehmen von 12,8 auf 13,5 Milliarden Euro, wobei mindestens 200 Millionen Euro des Anstiegs auf die Integration von vorher nicht in der Liste berücksichtigten Unternehmen zurückzuführen sind. Thomas Ball, Partner bei Lünendonk & Hossenfelder, sieht darin ein klares Zeichen, dass die Marktkonsolidierung im deutschen FM-Markt nach einer zwischenzeitlichen Verlangsamung wieder an Fahrt aufnimmt: "Das Wachstum der führenden Unternehmen geht zulasten der zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Insolvenzen der Deutschen R + S sowie der Clemens Kleine im vergangenen Jahr sind ein Hinweis darauf, dass die Transformation des Marktes hin zu Multidienstleistungen und Digitalisierung belastbare Geschäftsmodelle und eine klare Strategie erfordert."

Zusätzlichen Schub könnte dieser Verdrängungswettbewerb derweil durch die Corona-Krise erfahren. Zwar sind die Auswirkungen - je nach Kundenstruktur und angebotener Dienstleistungen - sehr heterogen, eine große Mehrheit erwartet laut Lünendonk-Umfrage aber empfindliche Umsatzrückgänge für das laufende Jahr: 40 Prozent der Befragten rechnen gar mit einem Corona-bedingten Minus von mehr als zehn Prozent im Vergleich zum ursprünglich avisierten Jahresumsatz 2020. Nichtsdestotrotz waren sich die bei der Präsentation anwesenden Vertreter von Apleona, Gegenbauer/RGM, Piepenbrock, Strabag und Wisag einig darin, dass die Branche relativ robust durch diese anspruchsvollen Zeiten kommen wird - ähnlich wie in der Finanzkrise 2008/2009. Strabag-Chef Martin Schenk hält es sogar für möglich, dass die Facility Manager gestärkt daraus hervorgehen, da die von ihnen erbrachten Dienstleistungen nun eine höhere Wertschätzung erfahren würden: "Wir haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass wir als FM-Dienstleister systemrelevant sind," so Schenk selbstbewusst.

Tatsächlich dürfte es inzwischen so ziemlich allen Unternehmen gedämmert haben, wie wichtig krisenfeste Konzepte insbesondere in den Bereichen Reinigung, Hygiene und Sicherheit sind. Gleichzeitig würde es nicht verwundern, wenn hier aufseiten vieler FM-Auftraggeber nach Jahren des eisernen Sparens erheblicher Nachholbedarf besteht. Die Chancen stehen somit nicht schlecht, dass die vom Mitte Mai leider viel zu früh verstorbenen Wisag-Chef Ralf Hempel entworfene Zukunftsvision für die FM-Branche - "Vom Kostenfaktor zum Überlebensfaktor" (siehe I & F-Ausgabe 11/2018) - endlich in der Realität ankommt. ph

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