Interhyp: superspannend

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Steigende Zinsen, regulatorische Daumenschrauben, KfW-Förderstopp, digitales Wettrüsten - auf den deutschen Baufinanzierungsmarkt sind in den vergangenen Wochen so viele Themen gleichzeitig eingeprasselt wie davor in vielen Jahren zusammengenommen nicht. Von einem "superspannenden Zeitpunkt" sprach denn auch Interhyp-CEO Jörg Utecht im Rahmen der Bilanzpressekonferenz seines Hauses für das zurückliegende Jahr 2021. So superspannend, dass er erst ziemlich gegen Ende der knapp einstündigen Veranstaltung - quasi als Randnotiz - auf die Geschäftsentwicklung seines Unternehmens zu sprechen kam.

Dabei war die nicht minder superspannend, schließlich gelang es dem Münchner "Ur-Fintech" abermals, bei allen relevanten Kennziffern kräftig zuzulegen: Das abgeschlossene Baufinanzierungsvolumen stieg um 19 Prozent auf 34,2 (2020: 28,8) Milliarden Euro - das ist fast fünfmal mehr als der gesamtdeutsche Baufinanzierungsmarkt, der 2021 auf ein Wachstum von "nur" 3,9 Prozent kam. Damit erhöhte die Interhyp Gruppe ihren Marktanteil per Ende 2021 von 10,2 auf 11,7 Prozent. Zudem kletterte der Rohertrag um 13 Prozent auf 287 (2020: 254) Millionen Euro und der operative Vorsteuergewinn verbesserte sich um 15 Prozent auf 107 (2020: 93) Millionen Euro.

"Es ist uns gelungen, 2021 das Rekordergebnis aus dem Vorjahr noch einmal zu überbieten. Trotz der Corona-Pandemie markiert 2021 das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte", frohlockte Utecht, der mit der (endgültigen) Gewissheit eines hervorragend funktionierenden Geschäftsmodells erstmals auch ganz konkrete Wachstumsambitionen zu Protokoll gab: "Bis 2028 soll jede fünfte Baufinanzierung in Deutschland über Interhyp laufen." Dafür wolle man sich insbesondere noch stärker an den Kundenwünschen orientieren. Und immer mehr an Bedeutung gewinnt laut Utecht in diesem Zusammenhang der Faktor "Schnelligkeit": "Die schnelle Kreditzusage entscheidet mittlerweile in vielen Fällen darüber, ob Immobilieninteressenten an ihr Wunschobjekt kommen oder nicht."

Stand heute nimmt dieser Prozess in der Baufinanzierung aber noch mehrere Tage oder sogar Wochen in Anspruch, vor allem weil das technische Zusammenspiel zwischen Plattformbetreibern und Kreditgebern beim Thema Bonitätsprüfung nicht ausgereift ist. Genau wie der "Erzrivale" Hypoport arbeitet Interhyp deshalb unter Hochdruck daran, solche fehlenden Puzzleteile in der Wertschöpfungskette zu digitalisieren. Gemeinsam mit der Münchener Hypothekenbank wird beispielsweise seit September 2021 in einem Pilotprojekt untersucht, ob die konventionelle Haushaltsrechnung einschließlich der klassischen Bonitätsunterlagen durch eine automatisierte Prüfung abgelöst werden kann. Die relevanten Informationen dafür stellen Kunden über eine neu geschaffene PSD2-Schnittstelle bereit. Ebenfalls ein "superspannendes" Projekt also, nicht zuletzt wenn man bedenkt, dass sich laut einer Statista-Umfrage inzwischen ein Fünftel der Bundesbürger den rein digitalen Abschluss ihrer Baufinanzierung vorstellen können.

Das Ziel eines Marktanteils von 20 Prozent bis 2028 steht somit unter einem guten Stern. Zum Verhängnis auf dem Weg dorthin könnten Interhyp wenn überhaupt die hierzulande immer größer werdenden Hürden auf dem Weg in die eigenen vier Wände werden. "Es ist höchst bedenklich, wenn am Ende der Kontostand der Eltern maßgeblich darüber entscheidet, wer sich in Deutschland Immobilieneigentum leisten kann", kritisiert Utecht und hat dabei natürlich in erster Linie die in seinen Augen unzulängliche Förderpolitik im Sinn. Neben der zeitnahen Wiederaufnahme der KfW-Förderprogramme mahnt er deshalb die zügige Umsetzung der im Koalitionsvertrag skizzierten, durchaus begrüßenswerten Maßnahmen zur Verbesserung der Wohneigentumsbildung an, etwa eigenkapitalersetzende Darlehen durch die KfW oder Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer. Es bleibt also superspannend. ph

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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