Klimastudie: frische und lohnenswerte Denkanstöße

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Auf der australischen Insel Tasmanien entsteht derzeit eine 10 · 4 · 3 Meter große Stahlkonstruktion, die als "Blackbox der Erde" für künftige Generationen detailliert dokumentieren soll, wie wir im Hier und Jetzt mit der Klimakrise umgegangen sind. Der Hintergrund des Projekts ist ziemlich düster, denn im Prinzip handelt es sich um ein Aufzeichnungsgerät, das im schlimmsten Fall einer postapokalyptischen Gesellschaft zeigt, wie es zum Klimakollaps kommen konnte. Noch ist es aber nicht so weit und es bleibt die Hoffnung, dass das Pariser Klimaschutzziel, das bekanntlich eine Erderwärmung von maximal 1,5 Grad vorsieht, irgendwie erreicht werden kann. "Irgendwie" ist dabei natürlich kein wirklich vernünftiger Ansatz, weshalb in allen Lebensbereichen fortlaufend und fieberhaft nach wissenschaftlich fundierten, zugleich aber auch praktikablen, sozial ausgewogenen sowie schnellstmöglich wirksamen Maßnahmen zur Emissionsreduktion von Treibhausgasen (THG) gesucht wird.

Frische Denkanstöße, wie diese Quadratur des Kreises im Fall des deutschen Gebäudesektors gelingen kann, liefert eine brandneue Studie der Professoren Manfred Norbert Fisch (Steinbeis-Innovationszentrum Energieplus) und Kunibert Lennerts (Karlsruher Institut für Technologie) im Auftrag des ZIA. Zur Erinnerung: Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021 wurden die Einsparziele für alle Sektoren nochmals deutlich verschärft. Für den Gebäudebereich bedeutet dies, dass bereits bis 2030 eine Halbierung der Treibhausgasemissionen erreicht werden muss. Die größten Hebel auf dem Weg dorthin identifizieren Fisch und Lennerts in der Betriebsoptimierung, der Solarisierung der Dachflächen zur Stromproduktion, dem Ausbau beziehungsweise Anschluss an Fernwärmenetze sowie dem Umstieg auf Wärmepumpen. Allein mit der Betriebsoptimierung ließen sich bei Wirtschaftsimmobilien im Mittel bis zu 30 Prozent der Endenergie einsparen, für Wohnimmobilien seien 8 bis 10 Prozent realistisch. Die Professoren fordern deshalb eine deutliche Erhöhung des aktuell bei 20 Prozent liegenden Fördersatzes für Effizienzmaßnahmen an der Anlagentechnik.

Wenig überraschend enthält die Studie viele weitere Ratschläge in Richtung der Politik, sei es eine langfristig festgelegte Einspeisevergütung für Solarstrom, der Abbau regulatorischer Hürden für Mieterstrommodelle oder die Anreizsetzung zur besseren Nutzung von PV-Flächenpotenzialen auf großen Gewerbe- oder Industrieimmobilien. Ganz grundsätzlich wünschen sich Fisch und Lennerts vor allem eine Harmonisierung beziehungsweise grundlegende Vereinfachung der heterogenen Gesetzeslage. "Mehr als 3 000 Seiten Vorschriften zum Klimaschutz hat der geneigte Leser zu bewältigen, die für den Gebäudebereich relevant sind", klagte Fisch im Rahmen der Studienpräsentation, wobei diese Zahl noch gar nicht die zugehörigen technischen oder sonstigen Anhänge umfasse (allein der Anhang des finalen Berichts zur Taxonomie der EU umfasst über 590 Seiten). Darüber hinaus müsse die gesamte Regulatorik stringent von Primärenergiebedarf auf THG-Emissionen umgestellt werden, denn nur so sei eine effektive Erfolgsmessung möglich. Die für 2022 geplante Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sehen sie als erste wichtige Weichenstellung in diesem Zusammenhang. Klara Geywitz wird zum Start in das neue Amt als Bundesbauministerin sicher einen riesigen Berg an Lektüre auf ihrem Schreibtisch vorfinden. Es wäre nicht schlecht, wenn die Studie von Fisch und Lennerts möglichst weit oben auf dem Stapel landet. Denn so umfassend und ideologiefrei hat sich schon lange niemand mehr der Gretchenfrage nach den besten Rahmenbedingungen zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors gewidmet. ph

Noch keine Bewertungen vorhanden


X