Interview

Redaktionsgespräch mit Jörg Walter und Artur Fischer / "Eine Börse ist die verlängerte Werkbank ihrer Teilnehmer"

Wer sind die Träger der Börse Berlin? Und wem gehören deren Plattformen Xontro und Equiduct?

Jörg Walter: Historisch betrachtet waren alle Börsen im Besitz ihrer Mitglieder, also der Handelsteilnehmer. Das ist bei der Börse Berlin wie auch bei den anderen kleineren deutschen Börsen so geblieben.

Artur Fischer: Vom Gedanken des Shareholder Value haben wir uns in Berlin mit dieser Konstruktion verabschiedet. Ziel einer Börse wie unserer sollte es nicht sein, möglichst hohe Erträge zu erzielen, sondern einen exzellenten Service zu einem akzeptablen Preis anzubieten. Das wird irgendwann dazu führen, dass wir mit den höheren Mengen unsere Transaktionskosten eher senken werden und nicht darauf abzielen, höhere Dividenden auszuzahlen. Diese Vision basiert auf der traditionellen Idee, dass eine Börse die verlängerte Werkbank ihrer Teilnehmer ist. Im Hinblick auf ihre volkswirtschaftliche Funktion im Handel ist das eine richtungsweisende Entscheidung.

Equiduct gehört zu 27 Prozent der Börse Berlin und der Rest befindet sich in der Hand der wichtigsten Mitglieder. Das ist eine typische Konstruktion, die wir hier gewählt haben.

Jörg Walter: An diesem Punkt unterscheiden sich die anderen inländischen Börsen von der Frankfurter Börse. Diese verfolgt als börsennotierte Aktiengesellschaft auch kapitalmarktorientierte Ziele.

Was ist das Markenzeichen der Börse Berlin?

Jörg Walter: Die Börse Berlin ist ein Unternehmen, das zwei Handelsplattformen betreibt, die sich zwar stark voneinander unterscheiden, die aber beide erfolgreich arbeiten. Und zwar erfolgreich sowohl in ökonomischer Hinsicht als auch mit Blick auf die Qualität des Handels. Im traditionellen Handelsumfeld fokussieren wir uns mit dem maklergestützten Handelssystem Xontro rein auf den Privatanleger. Das sind Kunden, die eine eher geringe Zahl, nämlich zwischen zehn und 30 Trades im Jahr, abschließen. Im Hinblick auf die Produkte stehen wir hier vor allem für ein umfangreiches Angebot an Auslandsaktien.

Artur Fischer: Im europäisch ausgerichteten Geschäft betreiben wir die vollelektronische Plattform Equiduct. Deren Erfolg basiert auf einem Modell, auf dessen Basis wir für jeden Trade im fragmentierten europäischen Markt rechnerisch und auch praktisch immer den besten Preis liefern können. Um diesen zu berechnen, konsolidieren wir die Orderbücher aller europäischen Börsen. Die Frage, die stets dahintersteckt: Wie hoch wäre der Preis, wenn ein Kunde in der Lage wäre, seine Orders an allen diesen sieben Börsen gleichzeitig auszuführen? Unsere Market Maker beliefern den Kunden dann zu diesem Preis. Letztlich kann auf diese Weise der Preis für eine Aktie nie schlechter sein, als wenn der Anleger sie auf dem Heimatmarkt handelt - er kann nur besser sein. Bei den Kosten wiederum sind wir zwischen 20 und 30 Prozent günstiger als konkurrierende Börsen.

Mit dem System Equiduct sind wir die einzigen, die erfolgreich in andere europäische Märkte eingedrungen sind. Das ist auch der Deutschen Börse bisher nicht gelungen. Deren Umsätze in deutschen Werten sind sehr hoch, aber in nichtdeutschen Werten mit nichtdeutschen Kunden sehr gering. Das System Xetra International Market wurde dementsprechend im Dezember 2013 wieder geschlossen.

Wie können Sie diesen niedrigeren Preis für den Kunden gewährleisten?

Artur Fischer: Es ist das Alleinstellungsmerkmal der Equiduct-Plattform, dass die Market Maker zu dem volumengewichteten besten Preis liefern, den die Börse errechnet hat. Dazu brauchen sie als Börse leistungsfähige Partner auf der Plattform. Das ist bei uns zum Beispiel der britische Broker Winterflood und KCG.

Wie profitieren Ihre Partner davon, dass sie ein Wertpapier zu einem von Ihnen vorgegebenen Preis kaufen, den sie letztlich vielleicht gar nicht an den Märkten umsetzen können?

Artur Fischer: Der springende Punkt im Equiduct-Marktmodell ist der, dass der in wenigen Millisekunden errechnete Preis

wahrhaftig ist. Das heißt, wenn der Market Maker entscheidet, die Position nicht halten zu wollen, dann kann er sie tatsächlich zu diesem Preis veräußern. Der einzige Verlust, den er dabei macht, wenn er die Position sofort wieder glatt stellt, sind der Spread und die Transaktionskosten. Unsere Market Maker nehmen Risiko aufgrund ihrer handelsstrategischen Überlegungen in ihre Bücher. Anhand einer ausgefeilten Prognose beurteilen sie, ob es besser ist, das Geschäft zu halten oder es direkt wieder abzustoßen.

Welche Maßnahmen müssen Sie ergreifen, damit die Market Maker dem von Ihnen errechneten Preis vertrauen? Er kann ja in diesen Millisekunden kaum überprüft werden.

Artur Fischer: Der Aufwand hierfür ist in der Tat erheblich. Zum einen muss dem Market Maker, den wir Liquiditäts-Provider nennen, dokumentiert werden, dass die Technologie zuverlässig ist und die Preisberechnung stimmt. Weiterhin geben wir monatlich die Liste der einzelnen Orders an die Flow Provider weiter. Diese überprüfen bei jeder einzelnen Position, dass diese nicht schlechter als am Heimatmarkt ausgeführt wurde. Bisher konnte uns kein einziger Fehler nachgewiesen werden und das bei rund 50 000 Trades am Tag und einem monatlichen Umsatz von beispielsweise 230 Millionen Euro im März 2014.

Welche Daseinsberechtigung hat eine kleinere Börse wie Ihre in Zeiten zunehmender Globalisierung und Konsolidierung? Wie entwickelt sich diese in einem weiter zusammenwachsenden Europa?

Jörg Walter: Die Argumente für unser Dasein sind stets unsere Kunden, die die Plattformen nutzen. Bezogen auf den Xontro-Handel muss man freilich feststellen, dass die Zahl der Nutzer in den vergangenen Jahren und fast schon Jahrzehnten abgenommen hat und mit ihnen die Bedeutung der kleineren Börsen. Und das trotz großer Anstrengungen von unserer Seite. Dennoch gibt es weiterhin viele Anleger, die diese Börsen gerne nutzen. Weil sie Dienstleistungen für bestimmte Kundengruppen anbieten, die sehr geschätzt werden.

Artur Fischer: Für Equiduct auf der anderen Seite muss man betonen, dass diese Plattform nur deswegen gegründet werden konnte, weil Europa enger zusammenwächst und weil es MiFID gibt. Erst seit dem Jahr 2007 gilt die sogenannte Concentration Rule nicht mehr, die Vielfalt verschiedener Börsenplätze wird dadurch gestützt. Mitgliedstaaten der EU können seither Investmentfirmen nicht mehr dazu verpflichten, Orders nur an Börsen mit den größten Umsätzen zu leiten. Multilateral Trading Facilities (MTFs) haben den Wettbewerb gestärkt. Vor diesem Hintergrund hat die Börse Berlin als regulierter Markt mit Equiduct ein Angebot entwickelt, das von Marktteilnehmern in Frankreich, Italien, Benelux und Großbritannien sehr gut angenommen wird. In Frankreich beispielsweise beträgt ihr Marktanteil am Retailhandel etwa 33 Prozent.

Der alte Begriff Regionalbörse ist also für Berlin nicht mehr zutreffend?

Jörg Walter: Nein. Diese Bezeichnung ist veraltet, sie stimmte bis vor einigen Jahren. Die Börse Berlin ist sicherlich eine Hauptstadtbörse, aber als Regionalbörse darf man sie nicht abstempeln. Unser Marktplatz Xontro ist national und sicherlich in mancher Hinsicht auch regional ausgerichtet. Equiduct hingegen ist rein europäisch ausgerichtet.

Ist dann der kleinere, national und regional ausgerichtete Teil ein Auslaufmodell?

Jörg Walter: Das können wir so nicht feststellen! Wir haben in diesem Unternehmensteil viele Kunden und eine wirtschaftlich gesunde Aufstellung. Es mag der öffentlichen Wahrnehmung entsprechen, dass die Regionalbörsen Auslaufmodelle sind. Aber das wird schon seit mehr als 30 Jahren kolportiert und hat sich bisher nicht bewahrheitet.

Artur Fischer: Es existieren ja verschiedene Modelle. Equiduct hat zwar sehr viele Umsätze und Kunden, aber das Geschäftsmodell Xontro meines Kollegen ist im Hinblick auf die Erträge erfolgreicher.

Wie sieht der Marktanteil Ihres Xontro-Handels aus?

Jörg Walter: Der Marktanteil des Xon tro-Handels ist mit ein bis zwei Prozent eher niedrig. Alleine die Frage danach ist jedoch letztlich nicht zielführend. Der Frankfurter Umsatz beispielsweise wird zu rund 50 Prozent vom algorithmischen Handel getrieben. Wir sind hingegen klar auf Privatanleger ausgerichtet und nicht auf Algo-Trader. Das beeinflusst die Statistik erheblich. Aber das Handelsmodell funktioniert, das Unternehmen ist wirtschaftlich gesund, und wir können diese Leistungen dauerhaft anbieten.

Artur Fischer: Betrachten Sie einmal das Gesamtunternehmen Börse Berlin und damit die beiden Systeme Xontro und Equiduct zusammen. In der Jahresstatistik von 2013 sind wir dann beispielsweise größer als Tradegate. Obwohl Tradegate angibt, die größte deutsche Retailbörse zu sein, haben wir mehr Umsätze gemacht.

Jörg Walter: Diese Sichtweise ist angebracht, denn letztlich ist die Börse Berlin ein einheitliches Unternehmen, das auch einheitlich geführt wird. Auch in Frankfurt wurde jahrelang eine Plattform namens Xetra betrieben und eine Plattform namens Xontro. Diese waren vereint unter dem Dach der Deutschen Börse. Das wurde aber nicht so differenziert betrachtet. Über viele Jahre hinweg war in Frankfurt der Xontro-Handel der Erlösbringer und nicht der Xetra-Handel.

Spielt es eine Rolle, ob das von Ihnen skizzierte Gesamtunternehmen Börse Berlin tatsächlich in Berlin sitzt oder eben anderswo?

Jörg Walter: Börsenhandel kann heute von jedem Standort in der Welt angeboten werden. Insofern ist der Standort Berlin eher zweitrangig.

Hat die Politik in der Hauptstadt ein Interesse an der Börse, um einen wie auch immer gearteten "Finanzplatz Berlin" zu unterstützen?

Jörg Walter: Das Land Berlin schätzt es sehr, dass es eine Börse in Berlin gibt, so nehmen wir es wahr. Jede ideelle Unterstützung, die der Senat gewähren kann, bietet er uns, wenn wir darum nachsuchen. Bei sehr wichtigen Projekten haben wir das in der Vergangenheit bereits erlebt. Wir sind sehr zufrieden mit dem konstruktiven Verhältnis, das wir zur Aufsichtsbehörde und zum Senat haben. In Stuttgart gibt es eine sehr starke Unterstützung der Börse durch das Land und dessen Organe. Das Land schmückt sich auch gerne mit der Börse. In München ist die Situation etwas anders, aber die Börse ist stark in Bayern verankert.

Artur Fischer: Wenn Sie einmal die europäische Ebene betrachten, dann erfahren wir vom Land Berlin starke Unterstützung. Unter der Derivaterichtlinie EMIR werden alle europäischen Clearinghäuser zentral zugelassen.

Die Berliner Börsenaufsicht hat sich für die Zulassung des britischen und des französischen Clearinghauses sehr eingesetzt, weil die Börse Berlin die Dienstleistungen dieser Häuser in Anspruch nimmt.

Das Börsengeschäft ist stark von Mengeneffekten geprägt. Erreichen Sie diese in Ihren Geschäftsfeldern? Ab welcher Grenze würde sich das Geschäft nicht mehr tragen?

Jörg Walter: Eine feste Grenze gibt es hierzu nicht. Für die Höhe des Ertrages spielt es eine entscheidende Rolle, wie viele Trades auf unseren Systemen abgeschlossen werden. Die Umsätze sind weniger entscheidend. Im maklergestützten Xontro-Handel wurden im ersten Vierteljahr 2,7 Milliarden Euro umgesetzt. Das entspricht einem Plus von fast vier Prozent im Vergleich zum letzten Quartal 2013 mit 2,6 Milliarden Euro. Die Anzahl der Geschäfte nahm um etwas über 14 Prozent auf 47 390 zu. Im vierten Quartal 2013 waren es 41558.

Artur Fischer: Im ersten Quartal dieses Jahres haben wir bei Equiduct einen nicht unerheblichen Anstieg an Trades und Umsätzen verzeichnet. Nach 12,7 Milliarden Euro im vierten Quartal 2013 wurden im ersten Quartal 2014 16,5 Milliarden Euro umgesetzt, eine Steigerung um 30 Prozent. Die Anzahl der Geschäfte nahm um 50 Prozent zu, von 1,6 Millionen auf 2,4 Millionen. Bei einem Blick auf die Strukturen der Plattform zeigt sich: Ohne die Systeme oder die Mitarbeiterzahl auszubauen, könnten wir das Vierfache des aktuellen Umsatzes verarbeiten. Das ist unser Aufwärtspotenzial.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Potenziale für den Xontro-Handel?

Jörg Walter: Wirtschaftlich betrachtet lebt jede Börse von Trades und Umsätzen in allen Gattungen. Es gibt keine Börse in Deutschland, an der mehr Gattungen handelbar sind, als in Berlin - wenn man einmal von den Derivaten absieht. Hier sehen wir unser Potenzial: Wir wollen die Anleger dafür gewinnen, in die bei uns handelbaren Papiere zu investieren und damit unsere Bedeutung und den Ertrag steigern. Das gelingt freilich nicht immer.

In den vergangenen Jahren ist der deutsche Privatanleger dem Aktienmarkt nicht besonders zugewandt gewesen: Das Niveau der Direktanlagen in Aktien ist bei dieser Gruppe beklagenswert niedrig. An dieser Stelle wachsen die Bäume nicht in den Himmel, und das kann eine Börse allein auch nicht ändern. Insgesamt hängt das Interesse der Anleger auch davon ab, wie sich die Märkte zukünftig entwickeln.

Also verfolgen Sie als Nischenstrategie weiterhin eine Konzentration auf exotische Werte?

Jörg Walter: Bezogen auf den Xontro-Handel ist das eine Nischenstrategie. Deswegen haben wir schon vor Jahren damit begonnen, uns auf den Auslandsmarkt zu konzentrieren. Auf der anderen Seite sind wir aber auch ein Full-Service-Anbieter: Jede andere Gattung, die in Deutschland interessant sein kann - von den Dax-Werten begonnen bis hin zu den M-Dax-Werten oder anderen kleinen Wertpapieren - ist bei uns auch handelbar.

Wie sehen die Wachstumsbereiche bei Equiduct aus?

Artur Fischer: Bei Equiduct sind die Freiheitsgrade größer. Geografisch haben wir uns für das laufende und das kommende Jahr Spanien vorgenommen. Dort kostet ein Trade durchschnittlich 16 Euro. Wir können diesen aber für einen Bruchteil der Kosten, voraussichtlich etwa zwei bis drei Euro anbieten. Es gibt sehr viele Interessenten, die auf diesem Markt einen solchen Preisvorteil nutzen möchten. Derzeit setzen wir uns intensiv mit dem regulatorischen Umfeld in Spanien auseinander.

Im Hinblick auf die Assetklassen sind Optionsscheine (Warrants) sehr interessant, diese werden wir in Frankreich im Laufe dieses Jahres anbieten. Auf der Equity-Seite sind Margen in Small Mid Caps und ETFs am größten. Hier versuchen wir unser Angebot zu erweitern, weil es pro Trade einen höheren Ertrag bringt.

Welche Rolle spielen Innovationen für eine Erweiterung Ihres Geschäftes?

Jörg Walter: Wenn Sie als Marktteilnehmer Innovationen entwickeln, die gut funktionieren, dann werden Sie Nachahmer finden. Wenn diese Nachahmer sehr große Wettbewerber sind, dann wandert das Mehrgeschäft, das Sie durch diese Veränderungen gewonnen haben, schnell wieder ab. Das wiederum führt dazu, dass

Sie im Markt ständig Ideen einführen und etablieren müssen, um neues Geschäft anzuziehen. An dieser Stelle haben die Maklerbörsen seit wenigen Jahren eine natürliche Grenze erreicht. Das ist eine Entwicklung, die wir mit Sorge betrachten.

Artur Fischer: Aus Sicht der Equiduct bestehen Innovationen vor allem darin, sich an regulatorische Maßnahmen anzupassen. Die Situationen sind hier in den verschiedenen europäischen Ländern doch zum Teil sehr unterschiedlich. Die Esma vermehrt ihre Anstrengungen, um an dieser Stelle Vereinheitlichungen zu erreichen beziehungsweise durchzusetzen. Von unserer Seite erfordert das ein konstruktives Mitziehen. Jede regulatorische Hürde bedeutet gleichzeitig auch die Chance, schnell und gut ein Produkt anbieten zu können, das dieser Hürde gerecht wird.

Gibt es zwischen Ihnen und den anderen inländischen Börsen eine (wenn auch unausgesprochene) Arbeitsteilung?

Jörg Walter: Eine Arbeitsteilung existiert nicht, aber eine gute Zusammenarbeit. Insbesondere der Betrieb des Handelssystems Xontro läuft seit dem Jahr 2000 in einer gemeinsamen Tochtergesellschaft der inländischen Maklerbörsen. Darüber hinaus gibt es Einzelbereiche, in denen diese Börsen kooperieren. Damit kann vermieden werden, dass alle Börsen dieselben Aufgaben parallel erledigen. Beispielsweise im Bereich der Zulassungsstelle oder der Nutzung von Handelsüberwachungssystemen.

Kooperieren Sie auch mit anderen nicht-deutschen Börsen?

Jörg Walter: Nein, das tun wir nicht, weder der Xontro-Teil noch die Equiduct-Plattform.

Wie beschreiben Sie die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Ihrem Haus und den kleineren Börsen beziehungsweise der Deutschen Börse?

Jörg Walter: Wir haben ein kollegiales Verhältnis zur Deutschen Börse und dem Frankfurter Markt. Das ein Wettbewerbsverhältnis zu nennen, ist - aus Xontro-Sicht - zu hoch gegriffen. Denn die Größenverhältnisse sprechen hier für sich. Hier besetzen wir ganz klar eine Nische. Zu den anderen kleineren Börsen, den Maklerbörsen besteht ein normales Wettbewerbsverhältnis. Nichtsdestotrotz arbeiten wir wie beschrieben an vielen Stellen zum gegenseitigen Nutzen zusammen.

Artur Fischer: Hauptkonkurrent der Equiduct ist Euronext. Die Deutsche Börse verhält sich gegenüber Equiduct neutral. Beim Clearingsystem Eurex hatten wir Reibungspunkte: Die Preissetzung des Unternehmens hat letztlich dazu geführt, dass wir an den deutschen Clearingdienst Eurex nicht angeschlossen sind und auch in Deutschland kein Equiduct-Produkt anbieten. Equiduct ist jedoch an mehrere europäische Clearinghäuser angeschlossen. Aktuell sind dies LCH Clearnet SA (für französische, belgische, niederländische und portugiesische Werte), LCH Clearnet Ltd. (für britische Titel) und Six xclear AG (für deutsche und schweizerische Werte) und den EUROCCP NV, der insbesondere durch seine Fähigkeit der Interoperabilität (Verbindung der Clearinghäuser untereinander) für unsere Kunden interessant ist.

Zählen Sie auch Investmentbanken zu Ihren Wettbewerbern, Stichwort Internalisierung?

Artur Fischer: Absolut. Meine Kunden sind meine größten Konkurrenten. Letztlich haben die Börsen in jedem Fall einen geringen Anteil am Geschäft der Banken. Diese verarbeiten möglichst viele Transaktion intern oder bilateral. Hoffentlich wird der Gesetzgeber den bereits eingeschlagenen Weg fortsetzen und dafür sorgen, dass die Bedeutung der Börsen gestärkt wird. Denn eine Börse hat keinerlei Interesse an dem festgestellten Preis, außer dass er marktgerecht sein soll. Banken hingegen möchten an beiden Seiten verdienen: einerseits an dem Preis, der gemacht wird und andererseits an den Gebühren, die gezahlt werden.

Jörg Walter: Im traditionellen Börsenbereich ist die Situation sogar noch ein wenig extremer: Die Banken sind nicht daran interessiert, dass ihre Kunden direkt in Aktien oder Investmentfonds investieren.

Sie werden in diesem Bereich mit einem regulatorischen Wust überzogen, dessen Abarbeitung kaum noch zu leisten ist. Aus dieser Perspektive ist es verständlich, dass keine Bank versucht, diesen Bereich besonders stark nach vorne zu bringen. Ausnahme sind hier Online-Banken, die Execution only machen.

An welcher Stelle sind Sie als Börse besonders stark von Regulierung betroffen? EMIR und damit die europaweite Zulassung von Clearing-Häusern kommt Ihnen doch durchaus entgegen?

Artur Fischer: Das Thema Clearing ist für Equiduct besonders virulent. Bisher benötigen ausländische Clearinghäuser eine Sondergenehmigung der BaFin, um ihre Leistungen in Deutschland anbieten zu können. Das führte bei uns zum Teil zu langwierigen Prozessen. Beim italienischen Clearinghaus beispielsweise haben wir zwei Jahre auf die Genehmigung gewartet, dann kam eine Ablehnung. Die europäische Lizenz für Clearinghäuser unter EMIR wird uns sehr helfen, auch andere europäische Clearinghäuser an unsere Börse zu bringen.

Eine andere Stelle ist der Hochfrequenzhandel, für den in Deutschland bereits eine Gesetzgebung existiert. Andere europäische Teilnehmer, die hier am Markt aktiv werden möchten, müssen sich dieser bereits unterwerfen. Das hat anfänglich zu Reibungen geführt. Unsere Regeln in diesem Bereich haben wir aber für Equiduct, ähnlich wie die Deutsche Börse, aufgestellt. Diese hatte genug Marktmacht, um sie auch durchzusetzen. Wenn es nun durch MiFID II zu Neuregelungen im Bereich HFT kommt, müssen wir uns hierzulande damit hoffentlich etwas weniger stark beschäftigen, weil wir Teile davon schon umgesetzt haben.

Der dritte Punkt sind die Überlegungen des Gesetzgebers, das OTC-Geschäft in ein eigenes regulatorisches Umfeld zu bringen. Wir hoffen, dass mit MiFID II durch die Begrenzungen bei Dark Pools mehr Geschäft zu uns regulierten Börsen kommt. Es würde uns helfen, wenn weniger Geschäft ins Crossing Network und den Systematic Internalisor geht. Ein weiteres Thema ist die Finanztransaktionssteuer. Hier gibt es Länder, die erwägen, bei OTC-Geschäften einen höheren Satz zu erheben als bei Börsengeschäften. Das würde uns ebenfalls Vorteile bringen.

Welche Maßnahmen betreiben Sie zur Sicherung der Systemstabilität auf Ihren beiden Plattformen?

Jörg Walter: Xontro läuft seit 14 Jahren mit einer Verfügbarkeit von 99,99 Prozent. Es gab in diesen Jahren genau einen Ausfall, der auch den Handel betroffen hat. Hier sehen wir in Bezug auf Sicherungsmaßnahmen derzeit keinen Handlungsbedarf.

Artur Fischer: Auf Betreiben der Esma, aber freilich auch aus eigenem Antrieb betreiben wir für Equiduct einen großen Aufwand, um beispielsweise die Auslastung unseres Systems in Relation zur Kapazität zu beleuchten. Hier sind wir aber weit von unseren Grenzen entfernt. In Bezug darauf haben wir eine sogenannte Excessive Usage Fees für die Marktteilnehmer eingeführt. Das bedeutet, dass jeder unserer Kunden ein Kontingent an Nachrichten hat. Dieses darf er ausnutzen und wenn er es überschreitet, muss er eine Strafzahlung leisten. Die Verfügbarkeit von Equiduct lag über die Jahre 2010 bis 2013 gerechnet bei durchschnittlich 99,98 Prozent. In den Jahren 2012 und 2013 waren es sogar 100 Prozent.

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