Gespräch des Tages

Börse - Xontro: Am Tropf der Deutschen Börse?

Die gute Nachricht ist: Der Betrieb der Orderleit-, Handels- und Abwicklungssoftware Xontro wird weitergehen. Die deutschen Maklerbörsen in Berlin, Düsseldorf, Hamburg-Hannover und München haben im Juni dieses Jahres mit der Deutschen Börse die Fortführung des Systems ab dem 1. Januar 2016 bis zum Jahr 2020 vereinbart. Derzeit sind rund 170 Banken und 70 Makler an das System angeschlossen. Ob diese Lösung freilich langfristig für alle Beteiligten tragfähig und zufriedenstellend ist, muss sich noch herausstellen. Denn das ist die schlechte Nachricht: Die Ausgangslage für die Xontro-Nutzer darf man durchaus als schwierig bewerten.

Fraglich geworden war die Zukunft von Xontro nachdem die Börse Stuttgart angekündigt hatte, ein Handelssystem von Nasdaq OMX zu kaufen und für die eigenen Zwecke anzupassen. Da bisher die Kosten für den Betrieb des Handelssystems nach den darüber abgewickelten Trades auf die Nutzer aufgeteilt werden, waren die Stuttgarter zum Hauptzahler avanciert - seit die Frankfurter Wertpapierbörse im Mai 2011 ihren Parketthandel eingestellt hatte (siehe Redaktionsgespräch in ZfgK 11-2014). Braintrade hat sieben Gesellschafter, das sind unter anderem die genannten kleineren Börsen und die Deutsche Börse. Sie sind bei Entscheidungen gleichberechtigt, was offenbar für die Börsenbetreiber in Stuttgart unbefriedigend war. Sie finanzieren derzeit ein System mit, in dem sie keine eigenständigen Entscheidungen treffen können. In Baden-Württemberg gibt es die Hoffnung darauf, mit einem eigenen System besser auf den Markt eingehen zu können und auch gegenüber den anderen Parkettbörsen wettbewerbsfähig zu bleiben. Nicht nur angesichts des übermächtigen Systems Xetra, über das an der Deutschen Börse alleine im Mai dieses Jahres 88,4 Milliarden Euro umgesetzt wurden (in Stuttgart waren es im gleichen Zeitraum über Xontro knapp sieben Milliarden Euro), mag das wie ein Festhalten an einem an Bedeutung verlierenden Geschäftsmodell wirken. Denn die deutschen Privatanleger, an die sich die Parkettbörsen als Zielgruppe vor allem richten, haben sich in den vergangenen Jahren nicht unbedingt als Börsen-Fans hervorgetan. Und dass sie es in der näheren Zukunft tun werden, darf bezweifelt werden.

Mit dem Systemwechsel der Börse Stuttgart werden nun zumindest auch die über Xontro gehandelten Volumina noch weiter zurückgehen. Damit wird das System also für die verbleibenden Nutzer teurer. Zuletzt entfielen durchschnittlich rund 37 Prozent des Orderbuchumsatzes im deutschen Parketthandel auf Stuttgart. Beim börslichen Handel mit verbrieften Derivaten, auf den sie sich spezialisiert haben, erreichten die Schwaben im ersten Quartal 2014 gar einen Marktanteil von 62,8 Prozent in Deutschland. Beim Börsenhandel mit Unternehmensanleihen waren es rund 70 Prozent, beim Parketthandel mit Inlandsaktien etwa 20 Prozent.

Bisher ist der Parketthandel über Xontro dennoch ein wichtiges Standbein für die kleineren deutschen Börsen. Die Verantwortlichen in Berlin beispielsweise betonten, dass die Erträge hauptsächlich aus diesem Bereich des Unternehmens kommen (siehe Redaktionsgespräch in ZfgK 9-2014). Und damit hat Xontro - positiv gewendet - durchaus eine wichtige Funktion: Die Gewinne daraus geben den kleineren Börsen Zeit, sich strategisch zu verstärken und nach neuen Ertragsquellen zu suchen. In Stuttgart ist das neben einer Ausrichtung auf Zertifikate und Hebelprodukte beispielsweise der Erwerb von Cats OS, einer außerbörslichen Plattform und damit verbunden der Versuch, diese im eigenen Sinne auszubauen. In Berlin ist es der Aufbau von Equiduct, einer pan-europäischen Handelsplattform, mit der der Börsenbetreiber schon einen Marktanteil von 33 Prozent am französischen Retailhandel für sich reklamiert. Düsseldorf nutzt nicht nur Xontro, sondern entwickelt und betreibt auch das elektronische Handelssystem Quotrix, das im Dezember 2013 an die DWP-Bank und damit an die meisten deutschen Sparkassen angeschlossen wurde.

Dass die Deutsche Börse das System Xontro nicht aus reinem Altruismus fortführt und sicherlich schon gar nicht mit der Zielsetzung, den Regionalbörsen eine langfristig auskömmliche Existenzgrundlage zu schaffen, darf man als gegeben annehmen. Derzeit haben die Frankfurter das System selbst noch für Orderrouting und Abwicklung in Gebrauch. Für die deutschen Regionalbörsen, die es für den Handel nutzen, dürfte diese Perspektive aber nicht allzu beruhigend sein. Sie hängen fortan zunehmend am Tropf der Deutschen Börse. Die für 2016 abgeschlossenen Verträge laufen bis 2020. Mehr denn je stellt sich bis dahin die Frage nach einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell der deutschen Börsen - auch mit Blick auf Europa.

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