Interview

Redaktionsgespräch mit Dirk Elberskirch und Thomas Dierkes / "Die kleineren Börsen bieten sich vor allem für nationale Spieler an"

Was würden Sie als Markenzeichen der Börse Düsseldorf bezeichnen?

Elberskirch: Die Börse Düsseldorf fokussiert sich seit 15 Jahren klar auf den privaten Anleger. Im Jahr 1999 haben wir unsere Handelsdienstleistung neu aufgestellt unter der Fragestellung, was für private Anleger wichtig ist. Die Antwort lautet: Eine Börse muss stets marktgerechte Preise bieten und - auch wenn es ein kleinerer Marktplatz ist - die jederzeitige Handelbarkeit aller Produkte sicherstellen.

Hierauf beruhen unsere Leitlinien: Die Makler in Düsseldorf haben sich schon 1999 verpflichtet, die Xetra-Preise einzuhalten. Das ist ein Schritt, den die Kollegen der Frankfurter Wertpapierbörse für die dortigen Spezialisten erst im Herbst 2013 gegangen sind. Zudem geben wir verbindlich handelbare Preise an den Markt. Diese Quotierungen sind immer mit einem handelbaren Volumen verbunden. Das unterscheidet uns beispielsweise von den Stuttgarter Kollegen, die unverbindliche Preise veröffentlichen, sogenannte Taxen. Unsere Marktausrichtung auf der Handelsseite haben wir damals unter dem Stichwort Quality Trading mit weiteren Details verbunden und während der vergangenen 15 Jahre ständig weiterentwickelt. Beispielsweise wurde die Preisstellung in Dax-Werten ohne Spread, also ohne Unterschied bei Kauf- und Verkaufspreis, hinzugenommen, bis zu einem Gegenwert von 5 000 Euro wurde die Courtage bei Aktien gestrichen und die Garantie der Vollausführung der Orders ins Programm genommen.

Wie positionieren Sie sich auf der Listing-Seite?

Elberskirch: Hier wird das Angebot ebenfalls stets überarbeitet: In den vergangenen Jahren wurden in Düsseldorf neue Marktsegmente für die Börsennotierung geschaffen, etwa der Mittelstandsmarkt und der Primärmarkt. Letzterer ist ein Segment im Freiverkehr, das sich für kleinere und jüngere Unternehmen eignet, die allerdings Kapitalmarktanforderungen im Sinne von Transparenz und Veröffentlichungen erfüllen müssen. Die Eröffnung des Primärmarktes war auch eine Reaktion auf die Schließung des Frankfurter First Quotation Boards. Das Segment dort ist wohl in einigen Fällen für kriminelle Machenschaften genutzt worden. Den ehrlichen Unternehmen, die dort gelistet waren, wollten wir eine alternative Möglichkeit bieten. Freilich haben wir dieses Angebot an eine Reihe von Kriterien gekoppelt, die die Marktqualität sicherstellen und den Anleger schützen sollen.

Dierkes: Zur Zeit der Eröffnung des Primärmarktes haben wir zudem Bedürfnisse wahrgenommen, dass etablierte Unternehmen aus dem regulierten Markt in den Freiverkehr wechseln wollen. Diesen bieten wir damit eine neue Heimat, so beispielsweise der IKB oder der Sino AG, die einen Wechsel in den Primärmarkt vollzogen haben.

Wie soll sich Ihr Geschäftsmodell entwickeln, wenn Europa weiter zusammenwächst?

Elberskirch: Dass Europa weiter zusammenwächst, ist positiv. Doch unser Geschäftsmodell ist national ausgerichtet. Während bei Xetra vor allem große, internationale Händler zu finden sind, bieten sich die kleineren Börsen vor allem für nationale Spieler an. Unser Marktgebiet ist Deutschland und hier wollen wir möglichst viele Kunden erreichen.

Sie nutzen parallel zum gemeinsamen System der deutschen Maklerbörsen Xontro auch das selbst entwickelte System Quotrix. Wo genau liegen die Unterschiede zwischen den beiden?

Dierkes: Xontro ist die traditionelle von den skontroführenden Börsen seit 1992 genutzte Plattform. Im Jahr 2001 haben wir mit VWD ein eigenes System geschaffen: Quotrix. Außer der Börse in Frankfurt hat derzeit keine der regionalen Börsen in Deutschland ein eigenes Handelssystem, an dieser Stelle heben wir uns durchaus ab. Mit Quotrix wollten wir den Anlegern die Möglichkeit geben, aktiv und direkt zu handeln. Bis dahin gab es lediglich außerbörsliche Direkthandelssysteme, wir haben mit Quotrix eine börsliche Plattform aufgebaut.

Im dann folgenden Marktabschwung hat das System zwar zunächst wenig Nachfrage gefunden, es läuft aber stabil seit über einem Jahrzehnt. 2006 haben wir es mit modernen Ordertypen versehen und die Courtage abgeschafft. Jüngst wurde nun die Ausrichtung auf Best Execution vollzogen. Das heißt, wir zielen auf solche Orders ab, die Kunden bei ihren Banken aufgeben, ohne einen Ausführungsplatz vorzugeben.

Die beiden Systeme fokussieren also auf verschiedene Zielgruppen?

Elberskirch: Ja, der Xontro-Handel ist für alle Banken erreichbar. Bei Quotrix ist das derzeit noch nicht der Fall. Hier sind wir aber in den vergangenen Monaten entscheidende Schritte vorangekommen: Durch den Anschluss des Systems über die DWP Bank zunächst an die Sparkassen finden wir dort seit dem 1. Juli Berücksichtigung in der Best Execution. Im Sparkassen-Bereich wird nach unserer Einschätzung die weit überwiegende Zahl der Orders nach diesem Prinzip aufgegeben und von den inländischen Aktiengruppen, die dort gebildet wurden, haben wir sieben von neun erste Plätze erreicht. Dieser Orderflow geht seit 1. Juli Richtung Düsseldorf. Das verschafft uns bundesweit mehr Aufmerksamkeit, auch für den Xontro-Handel.

Dierkes: Freilich wird aktuell über Xontro ein deutlich größeres Spektrum an Wertpapieren gehandelt. Und die Kostenstruktur von Xontro und Quotrix unterscheidet sich ebenfalls: Bei Quotrix zahlt der private Anleger kein Börsenentgelt und keine Courtage an den Makler. Insofern betrachten wir uns als direkte Konkurrenz zu anderen kostenlosen Handelsangeboten.

Ist es auf Dauer sinnvoll, die beiden Systeme parallel zu betreiben?

Elberskirch: Ja, absolut. Mit Xontro und Quotrix als zwei Standbeinen fühlen wir uns sehr gut aufgestellt im Markt.

Verteuert der Ausstieg der Stuttgarter Börse beim Handelssystem Xontro (und dessen Finanzierung) nicht das System für die verbleibenden Nutzer?

Elberskirch: Wenn alles beim Alten geblieben wäre: ja. Die Deutsche Börse wird aber Xontro zu deutlich niedrigeren Kosten weiterbetreiben, wenn die Last auf dem System durch den Umstieg der Börse Stuttgart auf Xitaro Ende 2015 sinkt. Die verbleibenden Nutzer haben langfristige Vereinbarungen mit attraktiven Konditionen über die weitere Nutzung von Xontro bis 2020 sowie eine Verlängerungsoption bis 2023 geschlossen.

Wieso hat die Deutsche Börse ein Interesse daran, das System Xontro für die kleineren Börsen günstig anzubieten?

Elberskirch: Der Deutschen Börse wären Kunden abhanden gekommen, wenn alle anderen Börsen sich Stuttgart angeschlossen hätten. Das hat sie möglicherweise motiviert, ihr Pricing zu überdenken. Hinzu kommt, dass die kleineren Börsen das System mit auslasten, das die Frankfurter selbst noch eine ganze Weile für die eigene Orderzuleitung weiter nutzen möchten.

Dierkes: Die Deutsche Börse ist zudem als Systembetreiber weltweit für viele Börsen tätig und da ist es sicher ein gutes Signal, wenn die kleineren Börsen weiter auf ihren Systemen bleiben.

Wie sieht der Marktanteil Ihres Xontro-Handels aus?

Elberskirch: Wegen der teils sehr erklärungs- und interpretationsbedürftigen Statistiken veröffentlichen wir hierzu keine Einzelheiten.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Potenziale für den Xontro-Handel in Bezug auf Wachstum und Ertrag?

Elberskirch: Grundsätzlich entstehen Wachstumsmöglichkeiten aus der Zielsetzung, mehr Anleger an die Aktie heranzuführen. Nach den bekannten Zahlen des Deutschen Aktieninstituts ist die Zahl der direkten Aktionäre in Deutschland auf einem extrem niedrigen Niveau - und sie sinkt weiter. Doch wir bewegen uns in einem geradezu idealen Umfeld für Aktienanlagen: Die Zinsen sind und bleiben wahrscheinlich auf längere Sicht niedrig und die Indizes halten sich auf hohem Niveau. Leider hat es jeder Kunde einigermaßen schwer, der an Aktien interessiert ist und sich dazu von seiner Bank beraten lässt. Durch umfangreiche Regulierungsmaßnahmen, insbesondere Dokumentationspflichten, fahren derzeit die meisten Banken ihre Wertpapierberatung zurück. Insofern setzen wir auf denjenigen Anleger, der sich selbst um die Auswahl der Aktien kümmert und die Bank als Kommissionär nutzt. Dieses Umfeld ist nicht einfach, bietet aber dennoch Potenzial.

Dierkes: Neben dem Handel bietet auch der Listing-Bereich Wachstumsmöglichkeiten. Wir bieten Xontro als Plattform für das Listing und für die Zeichnung bei Neuemissionen an. Segmente für mittelständische Anleihen beispielsweise haben weiterhin Potenzial, auch wenn dieses derzeit nicht ganz einfach zu bewerten ist.

Sie haben als eine der ersten deutschen Börsen ein eigenes Marktsegment für Mittelstandsanleihen eröffnet. Sehen Sie dieses Segment beziehungsweise das Instrument der Mittelstandsanleihe aufgrund aktueller Entwicklungen in Gefahr?

Elberskirch: Wir waren die zweiten, die dieses Thema angegangen sind. In diesem Bereich zeigte sich eine generelle Tendenz: Wenn Kollegen sehen, dass ein Konzept funktioniert, dann werden Neuerungen sehr schnell auch an anderen Plätzen aufgegriffen und übernommen.

Dierkes: Wir haben den Mittelstandsmarkt als dauerhaftes Segment mit langfristigem Horizont gestartet und leiden seit gut einem Jahr unter diversen Ausfällen im bundesweiten Markt. Diese sind zweifelsohne sehr hoch, aber sie rechtfertigen es nicht, solche Segmente zu verdammen. Der normale allgemeine Mittelstand ist in diesen Segmenten eher unterrepräsentiert. Es dominieren Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energien und Immobilien. Bonitätsstarke Mittelständler halten sich eher zurück. Einerseits weil die Segmente im Gerede sind und andererseits, weil diese Unternehmen nahezu unbegrenzten Zugang zu günstigen Bankkrediten haben. Auch für solche Firmen wird es aber in der Zukunft wieder Phasen geben, in denen es sich positiv auswirkt, einen Zugang zum Kapitalmarkt zu haben und in denen auch die Bank es als entlastend empfindet, nicht das komplette Kreditvolumen auf der Bilanz zu haben. Das Segment soll also langfristig etabliert werden. Dabei ist unsere Börse darauf angewiesen, dass die Emittenten, die bereits am Markt sind, alles tun, um weitere Ausfälle zu vermeiden und dass die nächste Refinanzierungswelle, die in Düsseldorf 2016 anläuft, ordentlich vorbereitet und durchgeführt wird.

Was würde ein Scheitern dieses Konzeptes für Ihr Haus bedeuten und können Sie Gegenmaßnahmen ergreifen?

Elberskirch: Wir sehen kein Scheitern des Konzeptes, sondern eher, dass die Marktbereinigung bereits im Gange ist. Die Investoren, beispielsweise Family Offices und Vermögensverwalter, schauen sehr genau hin, bevor sie ihr Geld anlegen. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Im Hinblick darauf ist auch die aktuelle Diskussion über Ratings in diesem Bereich nahezu wieder hinfällig. Ratings werden zwar gerne gelesen, doch sie sind nicht das allein Ausschlag gebende Kriterium für einen Einstieg in eine solche Anlage.

Dierkes: Mit unseren Kapitalmarktpartnern, die Emissionen begleiten, diskutieren wir intensiv, wie bonitätsstarke Unternehmen an den Kapitalmarkt herangeführt werden können. Letztlich sind für viele dieser Firmen die Zinserwartungen zu groß. Dass das nicht so sein müsste, kann man daran erkennen, dass Emittenten, die bereits in den Märkten vertreten sind, im Sekundärmarkt oftmals zu angemessenen Zinssätzen von um die vier Prozent gehandelt werden. Es besteht also unverändert Potential für diese Segmente.

Welche Rolle spielen Innovationen für eine Erweiterung Ihres Geschäftes als Regionalbörse? Bleibt ein Vorteil bestehen, wenn andere Marktteilnehmer bei funktionierenden Ideen nachziehen?

Elberskirch: Ein Vorteil bleibt vielleicht für wenige Monate bestehen, wenn sie eine funktionierende Idee im nichttechnischen Bereich umgesetzt haben. Spätestens dann ziehen die Deutsche Börse oder andere nach. Der Marktführer muss eben nicht an der Spitze der Bewegung stehen, er kann sich ansehen, welche Konzepte aufgehen und dann mit einsteigen. Oft zieht er dann allein aufgrund seiner Größe Geschäft an sich. Wenn man diese Neuerungen ansieht, dann sind alle Innovationen im Handel an den kleineren Plätzen entstanden. Bei Systeminnovationen sieht es anders aus. Diese sind wie zum Beispiel Quotrix nicht so einfach zu kopieren. Dieser Wettbewerb geht also immer weiter und der Markt insgesamt profitiert davon erheblich.

Sind größere Börsenbetreiber bei Investitionsvolumina für neue Projekte/technische Weiterentwicklungen nicht im Vorteil? Sie können leichter Mittel und Arbeitskräfte für die Entwicklung neuer Systeme bereitstellen als ein kleineres Unternehmen?

Elberskirch: Die Ressourcen werden bei der Deutschen Börse wahrscheinlich immer erst dann bereitgestellt, wenn sich eine Idee als Erfolgsmodell erwiesen hat. Bei der Einführung des Fondshandels an den kleineren Börsen beispielsweise waren die Banken über diese Neuerung gelinde gesagt nicht begeistert und drohten damit, Orders an andere Plätze zu geben. Die Deutsche Börse hätte sich dadurch leicht auch Probleme in anderen Geschäftsfeldern einhandeln können. So konnte sie aber hinterher paddeln, nachdem andere das Eis gebrochen hatten. Dass dann die Masse auch wirkt, ist nicht verwunderlich.

Dierkes: Dazu kommt, dass private Anleger - und auf diese beziehen sich die Innovationen der regionalen Börsen - in Frankfurt zumindest bis zu ihrer Neuausrichtung im Herbst des vergangenen Jahres - weniger im Blick standen. Dort sind die großen, institutionellen Anleger wichtig, die große

Volumina bringen und Algo-Trader, die sehr viele Trades ins System geben. Mit dem Aufkommen von Privatanlegern ist das nicht zu erreichen.

Gibt es zwischen Ihnen und den anderen inländischen Börsen eine Arbeitsteilung? Hat sich diese in den vergangenen Jahren stark verändert?

Dierkes: Im Listing-Bereich existiert eine Arbeitsteilung. Früher gab es eine gemeinsame Zulassungsstelle von Dax-Titeln mit der Deutschen Börse. Diese wird seit 2008 von den kleineren deutschen Börsen gemeinsam betrieben. Und im Handel informieren wir uns beispielsweise gegenseitig über Aussetzungen aufgrund wichtiger kursrelevanter Nachrichten. Auch bei Regulierungsthemen wird ein gemeinsames Vorgehen in Richtung Bundesgesetzgeber und EU fallweise abgestimmt, zuletzt beispielsweise bei der Finanztransaktionssteuer.

Zählen Sie auch Investmentbanken zu Ihren Wettbewerbern, Stichwort Internalisierung?

Elberskirch: Weniger, weil wir uns an den Privatanleger wenden.

Stichpunkt Wirtschaftliche Tragfähigkeit: Das Börsengeschäft ist stark von Mengeneffekten geprägt. Erreichen Sie diese in Ihren Geschäftsfeldern? Ab welcher Grenze würde sich das Geschäft nicht mehr tragen?

Elberskirch: Die Börse Düsseldorf hat im Jahr 2001 ihren Trägerverein in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Vereinsmitglieder, das sind 40 Banken aus der ganzen Republik, sind nun direkte Aktionäre. Selbstverständlich agiert unser Unternehmen mit der Zielsetzung, im operativen Geschäft schwarze Zahlen zu schreiben, die Aktionäre zufrieden zu stellen und schafft das seither, auch wenn das Geschäft etwas kleiner geworden ist.

An den anderen kleineren deutschen Börsen gibt es dieses Regulativ nicht, dort sind die noch bestehenden Vereine hundertprozentige Eigner der Aktiengesellschaften. In einem Verein kann aber nicht ausgeschüttet werden, hier müssen sie thesaurieren, oder für neue Projekte investieren, die hoffentlich zielführend und ökonomisch erfolgreich sind. Nicht immer gelingt das. In Berlin ist beispielsweise sehr viel Geld in die Plattform Equiduct gesteckt worden. Die Idee dahinter war sicherlich nicht schlecht, doch die Börse ist inzwischen nur noch zu einem sehr geringen Teil an dem Unternehmen beteiligt. Oder die in München gestartete Börse für Emissionsrechte wurde wieder eingestellt.

Hat die Landespolitik ein Interesse an der Börse, um einen wie auch immer gearteten "Finanzplatz Düsseldorf" zu unterstützen?

Elberskirch: Die Politik hat in Nordrhein-Westfalen, wie in jedem Bundesland, ein Interesse an Börse und Finanzplatz. Wie sich eine Unterstützung manifestiert, das kann variieren. An manchen Orten bleibt es bei politischen Aussagen allgemeinerer Natur, an anderen hörte man von konkreten Maßnahmen. So habe der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Teufel Briefe geschrieben an die großen Banken vor Ort mit dem Hinweis, jede Wertpapierorder auch in Stuttgart zur Ausführung zu bringen. Das gab es in anderen Ländern so nicht. Dennoch kann sich keine Börse in Deutschland über mangelnde Unterstützung seitens der Politik beschweren und wir in Düsseldorf schon gar nicht, arbeiten wir doch schon immer eng und vertrauensvoll zusammen.

Welche Rolle spielt eine regional ausgerichtete Börse für die wirtschaftliche Entwicklung der Region? Gibt es so etwas wie einen öffentlichen Auftrag für die Region?

Elberskirch: Die Regionalität führt keiner mehr vor sich her. Wir vermeiden ja auch den Begriff Regionalbörse. Unser Marktantritt ist ein bundesweiter. Das gilt auch für unseren Mittelstandsmarkt, hier haben wir auch Emittenten aus dem Osten, dem Norden und dem Süden. Natürlich kommen auch einige aus dem Westen, die uns geografisch nahe sind und uns besser kennen. Aber die Angebote richten sich an die komplette Republik.

An welcher Stelle sind Sie als Börse besonders stark von Regulierung betroffen?

Dierkes: Betroffen sind wir zunächst von Best Execution, was bei uns im Zusammenhang mit Quotrix wie bereits ausgeführt bedeutsame Auswirkungen hatte. Diese Regelung ist vergleichsweise jung:

Seit 2007 sind die Banken gezwungen Ausführungsgrundsätze aufzustellen.

Diese gelten in Fällen, in denen die Kunden keinen Marktplatz zur Ausführung ihrer Orders vorgeben. Den Markt hat das deutlich bewegt und zu Veränderungen in den Umsätzen der Börsen geführt. Denn große Transaktionsbanken, wie beispielsweise die DWP Bank, leben eine sehr digitale Umsetzung dieser Vorgaben.

Selbstverständlich leiden wir auch unter Kosten, die durch Regulierung entstehen. Beispielsweise beim Thema Hochfrequenzhandel. Hier mussten wir im vergangenen Jahr Maßnahmen umsetzen, obwohl die regionalen Börsen mit ihren geschlossenen Orderbüchern für Hochfrequenzhändler völlig uninteressant sind. Die Erfüllung von technischen Anforderungen in diesem Bereich hebt die Kostenbasis durchaus an.

Derzeit arbeiten wir intern noch die Papierberge ab, die im Zuge neuester EU-Regulierung entstanden sind: MiFID II und MiFIR. Diese Dokumente müssen daraufhin geprüft werden, an welchen Stellen sie für uns relevant werden können. Häufig schlagen sich solche neuen Regeln in technischen Änderungen nieder. An dieser Stelle können wir uns aber glücklicherweise auch mit anderen Börsen über die Anforderungen austauschen.

Verstehen Sie Regulierung eher als Wachstumschance oder eher als Belastung?

Elberskirch: Wir sehen darin eher Chancen. Die Probleme in der Vergangenheit kamen nicht von den regulierten Börsen. Diese haben auch während der größten Krisen immer funktioniert. Nun gibt es dementsprechend in der Regulierung eine gewisse Tendenz zurück zu den regulierten Märkten. Mit dieser Richtung fühlen wir uns durchaus wohl.

Dierkes: In Einzelfragen gibt es natürlich immer auch einmal Belastungen. Obwohl wir bei Best Execution den Wettbewerb angenommen haben, heißen wir zum Beispiel eine digitale Umsetzung nicht unbedingt gut. Im Gesetz gibt es eine Reihe von Kriterien, die man bei der Ausformulierung dieser Ausführungsgrundsätze berücksichtigen könnte. Das sind insbesondere weichere Faktoren, die sich nicht in Excel-Sheets abbilden lassen, beispielsweise die Frage, ob eine Preisstellung verbindlich oder unverbindlich ist. Mit Banken und der Aufsicht diskutieren wir solche Themen intensiv. Die BaFin hat in der MaComp Hinweise und Erläuterungen zu den Best Execution Policies gegeben. Hier sind einige unserer Anregungen aufgenommen worden. Das hat aber noch nicht dazu geführt, dass die bestehenden Unterschiede bei den Börsenplätzen im Hinblick auf den Anlegerschutz gänzlich gewürdigt werden, wie es eigentlich der Fall sein könnte und müsste.

Ein Bereich, in dem Regulierung durchaus kritisch gesehen werden muss, ist die bereits erwähnte Wertpapierberatung bei Privatkunden. Produktinformationsblätter und Beratungsprotokolle führen dazu, dass die Banken ihre Beratung an dieser Stelle einschränken, für sie wird eine vernünftige Wertpapierberatung immer schwieriger. Dies steht im krassen Gegensatz zu der regelmäßigen Feststellung, dass die Deutschen Probleme mit ihrer Aktienkultur haben und zu wenig in Wertpapiere investieren. Hier wären Erleichterungen sinnvoll.

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