Ressourcenschonende Revitalisierung ist aktiver Klimaschutz

Timo Brehme
Quelle: Wolf Heider-Sawall

Die in den vergangenen 15 Monaten als Reaktion auf das Pariser Klimaabkommen in Kraft getretenen Gesetze zu Bundesklimaschutz (KSG) und Gebäudeenergie (GEG) stellen bedeutsame Schritte auf dem Weg, den European Green Deal zu verwirklichen, dar. Damit die Gesetze ihre volle Wirkung entfalten können, müssen wir sie gemeinsam gehen. Zudem ist es wichtig, den Fokus von Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr auf den Gebäudesektor auszuweiten. Auf den entfallen nämlich rund 35 Prozent des Energieverbrauchs sowie etwa 30 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen. Dabei greift es zu kurz, hier lediglich Dämmung und Heizung auf den neuesten Stand zu bringen. Denn so lange Gewerbegebäude etwa viermal so häufig abgerissen werden wie Wohngebäude, bleibt die Erreichung der Klimaschutzziele ein Wunschtraum. Der Grund dafür liegt in den immensen Mengen sogenannter "grauer Energie", die notwendig sind, um ein Gebäude neu zu errichten - also die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung der einzelnen Baustoffe und Produkte benötigte Energie. Sobald diese in die Berechnung von Treibhausgasemissionen bei Neubauten miteinfließt, wird deutlich, wie groß die Einsparpotenziale bei einer stattdessen vorangetriebenen Revitalisierung sein können. Deshalb bin ich überzeugt: Erst wenn wir unsere Sanierungsquote von aktuell einem Prozent auf 3 bis 4 Prozent hochschrauben, wird Klimaneutralität von der gut gemeinten Forderung zur Wirklichkeit.

Ein riesiger Hebel zu ihrer Durchsetzung liegt in der Revitalisierung älterer Bürogebäude. Entscheidend ist dabei der "Cradle-to-Cradle"-Ansatz. Er gibt der Sanierung den Vorzug vor dem Abriss und sieht vor, existierendes Baumaterial wiederzuverwenden. Insbesondere dem Bestandsbeton muss als Währung für eine klimaneutrale Zukunft eine maßgebliche Rolle zugedacht werden. Und der ressourcenschonende Erhalt der Gebäudestruktur ist mit rund 80 bis 90 Prozent Einsparungen in Sachen ökologischer Fußabdruck längst nicht nur umweltpolitisch von entscheidender Bedeutung. Auch ökonomisch ergeben die rund 40 Prozent, die sich so an Kosten einsparen lassen, Sinn. Zwar fallen bei Sanierung oder kompletter Umnutzung ebenso wie bei Abriss und Neubau Rückbaukosten an. Doch sparen sich Eigentümer durch die Erhaltung der Bausubstanz die kompletten Aushub- sowie Rohbaukosten. Je nach Objekt lassen sich da schnell mehrere Millionen Euro einsparen. Am wichtigsten ist jedoch, dass Mieter ihre Flächen flexibel und zukunftssicher gestalten können, um dem Paradigmenwechsel durch Digitalisierung und Globalisierung standzuhalten.

Noch nicht eingerechnet ist dabei der Imagegewinn für den jeweiligen Bauträger. Denn da der ökologische Fußabdruck für immer mehr Unternehmen und Mitarbeiter wichtig ist, werden grüne Immobilien in Zukunft noch gefragter sein. Gelingt es uns, das enorme Potenzial im Gebäudebestand zu heben, geht die Baubranche insgesamt einen ganz entscheidenden Schritt in eine klimafreundlichere Zukunft. Und das ausgerechnet mit einer Bausubstanz als Fundament, deren Image gemeinhin nicht gerade mit ökologischen Ideen in Verbindung gebracht wird. 20 Millionen Bestandsgebäude eröffnen einen großen Handlungsspielraum.

Timo Brehme, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter, CSMM GmbH, München

Timo Brehme , Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Consulting- und Architekturbüros CSMM
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