Das Ende der Märkte?

Realkredite: Konditionen Anfang Mai 2015 Quelle: Dr. Klein & Co. AG

Eigentlich ist die Europäische Zentralbank erst ein paar Wochen als Käufer im Markt aktiv. Und trotz aller Erfolgsmeldungen und Eigenlobversuche aus dem Frankfurter Tower halten sich die Käufe von Staatsanleihen und Covered Bonds auch noch im Rahmen. Allerdings haben schon die ersten Aktionen der EZB gereicht, einige Märkte in Aufruhr zu versetzen und erste Marktsegmente zu beschädigen, wenn nicht sogar zu zerstören. Denn die Zentralbank hat sich mit den vollmundigen Ankündigungen unter Druck gesetzt und darf nicht zimperlich sein, um die selbstgesteckten Ziele auch zu erreichen.

Die Liste der "geschädigten" Märkte ist lang. Beispiel 1: Negative Zinsen für europäische Staatsanleihen. Das, verbunden mit kaum noch vorhandenen Renditedifferenzen, ist eigentlich undenkbar und volkswirtschaftlich ungesund. Und das gilt keineswegs mehr nur für Papiere der südeuropäischen Krisenstaaten, sondern Investoren müssen sogar an Finanzminister Schäuble Geld zahlen, wenn sie Bundesanleihen haben möchten. Dies gilt derzeit noch für die Laufzeiten unterhalb von zehn Jahren, doch wie lange noch? Auch die zehnjährige Bundesanleihe ist seit längerem im freien Fall und hält sich nur gerade noch oberhalb der Nulllinie.

Beispiel 2: Der deutsche Pfandbriefmarkt. Viele Titel mit Laufzeiten von bis zu fünf Jahren weisen im Sekundärmarkt negative Renditen auf. Damit ist es den Emittenten momentan nicht möglich, neue Bonds auf den Markt zu bringen, ohne Investoren mit Negativzinsen zu belasten. Häuser wie die LBBW sind deswegen bereits auf den US-Dollar ausgewichen. Dann: Die aggressiven Ankäufe der EZB, die auf bis zu 40 Prozent jeder Neuemission drängt, sorgen dafür, dass traditionelle Investoren bei den neu auf den Markt kommenden Titeln nicht mehr die gewünschte Ware zugeteilt bekommen. Hier liegt es aber an den Emittenten selber, die Zuteilungspolitik zu verändern. Niemand zwingt einen Treasurer, seine Bonds bevorzugt der EZB anzudienen, auch wenn deren Wunsch natürlich Gewicht hat.

Beispiel 3: Ein weiteres Problemfeld sind die variabel verzinslichen Anleihen. Da am 21. April dieses Jahres beim Fixing des 3-Monats-Euribor erstmals eine negative Verzinsung (minus 0,001 Prozent) herauskam, stellt sich nun die Frage, ob auch bei variabel verzinslichen Anleihen Investoren "belastet" werden müssten. Einige Emittenten haben vorsorglich ihre Programme angepasst, um dies auszuschließen. Sofern vertraglich eine Zinsuntergrenze (Floor) nicht explizit ausgeschlossen ist, bewegt man sich in der Tat in einer Art Grauzone. Angesichts der methodischen Probleme beim Erheben negativer Kuponzahlungen (eine Kürzung des Rückzahlungsbetrags erscheint theoretisch denkbar, könnte aber die Frage eines Kreditereignisses aufwerfen) und möglicher Reputationsrisiken für den Emittenten bleibt es aber unwahrscheinlich, dass Anleger künftig negative Kupons für variabel verzinsliche Anleihen fürchten müssen. Ausgeschlossen werden kann es dieser Tage wie so vieles andere aber nicht.

Beispiel 4: Der Repomarkt für europäische Staatsanleihen. Wenn schon von diesem eigentlich extrem liquiden und für die kurzfristige Refinanzierung der Banken so wichtigen Markt Warnsignale kommen, dass die Liquidität, sprich die andienungsfähigen Wertpapiere, auszugehen drohen, sollten eigentlich überall die Alarmglocken schrillen. Tun sie aber nicht. Zumindest nicht laut genug.

Dabei sollten die weltweiten Notenbanken ein großes Interesse an der Aufrechterhaltung stabiler Marktstrukturen haben. Sie können nicht dauerhaft die Meister des Universums bleiben. Zumindest die US-Notenbank plant erkennbar den Ausstieg aus dem Quantitative Easing. Zinsen erhöhen mag noch gehen, aber wie sollen die angesammelten Bestände ohne funktionierende Märkte abgebaut werden? Für EZB-Chef Mario Draghi wäre es dagegen noch nicht zu spät, die Chancen seiner Politik gegen die möglichen Schäden an der Marktinfrastruktur abzuwägen. Sonst droht das Ende der Märkte, wie wir sie jetzt kennen. Leidtragende sind die Bürger Europas, die auf Einnahmen aus ihrer privaten Altersvorsorge angewiesen sind. Immerhin können sie sich über günstige Baufinanzierungskonditionen freuen. Ein schwacher Trost! ber

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