Schwerpunkt

Big Bang im Rentenuniversum

Das Rentenuniversum expandiert. Bildeten jahrelang Investments in Staatsanleihen westlicher Industrienationen das klassische Betätigungsfeld institutioneller Rentenmanager, so haben es diese heute mit einer Vielzahl von Anlagemöglichkeiten im Fixed-Income-Bereich zu tun. Der überschaubare und zumeist stabile Orientierungsrahmen der Vergangenheit ist damit einem sich ausweitenden Anlageuniversum mit veränderten Gesetzmäßigkeiten gewichen. Als Big Bang erwiesen sich die Finanz- und Verschuldungskrise sowie das daraus resultierende Niedrigzinsumfeld. Sie fungierten als Treiber einer Entwicklung, in deren Verlauf bisher als sicher erachtete Grundsätze wie der des risikolosen Zinses außer Kraft gesetzt wurden. Prozesse kamen in Gang, die den Blick auf weitere Rentengalaxien massiv begünstigen.

Blick auf alternative Investmentwelten

Neben den neuen Rentengalaxien rückten auch die Paralleluniversen der Kapitalanlage von der Aktie über Private Equity bis hin zu Rohstoffen und Infrastruktur verstärkt in das Blickfeld der institutionellen Investoren. Die Existenz dieser Anlagewelten ist seit Langem bekannt, der Aufbruch dorthin allerdings mit Risiken und zusätzlichem Know-how verbunden. Bislang scheuten Investoren entsprechende Schritte. Aus gutem Grund: Die Verluste aus zwei dicht aufeinander folgenden Finanzkrisen, erheblich reduzierte Risikobudgets sowie regulatorische Vorgaben und zunehmende Risikoaversion lassen nur wenig Spielraum zu. Dennoch steigt mit zunehmendem Renditedruck die Notwendigkeit, neben dem Rentenuniversum zusätzliche Investmentwelten zu erkunden und für die Anlage zu nutzen.

Dieser Prozess ist bei vielen Investoren initiiert, wird allerdings vorerst nicht in eine "große Rotation" münden. Noch sind die Anziehungskräfte der Rentenwelt zu stark, als dass sie eine schnelle Ablösung ermöglichen würden. Das Anlagedilemma muss daher bis auf Weiteres vor allem aus dem Fixed-Income-Bereich herausgelöst werden. Dies allerdings wird nicht ohne eine Neuorientierung geschehen können.

Core-Satellite auf dem Prüfstand

Die Generierung ausreichender Erträge über die Rentenmärkte ist nicht allein eine Frage der taktisch-opportunistischen Nutzung einzelner Anleihen-Segmente. Die bloße Ergänzung des Rentenbestandes um neue Produktstrategien, Investment-Stile oder Märkte ist nur die halbe Miete. Vielmehr müssen sich Investoren die grundsätzliche Frage der strategischen Aufteilung innerhalb des Rentenuniversums stellen. Folgende Überlegung macht dies deutlich. Lange Zeit verfolgten institutionelle Investoren im Fixed-Income-Bereich eine Core-Satellite-Strategie. Um einen scheinbar sicheren Kern vor allem deutscher und europäischer Staatsanleihen kreisten verschiedene Renten-Anlagevehikel mit höherem Risiko- und Rendite-Potenzial. Allerdings ist es fraglich, ob dieses Konzept angesichts der veränderten Investmentbedingungen in dieser Form noch einen Mehrwert bieten kann. Vor dem Hintergrund der teuer gewonnenen Erkenntnis, dass ein risikoloser Zins nicht wirklich existiert, sichere Häfen mithin eine Illusion sind, ist die Basis des Core-Satellite-Modells brüchig geworden. Einiges spricht dafür, dass es über kurz oder lang verschwinden könnte oder zumindest inhaltlich neu ausgestaltet werden muss.

Im Zuge der Neuorientierung könnten die bisherigen Satelliten im Portfolio künftig eine stärkere Gewichtung erfahren, wodurch sich das Verhältnis von Kern und Satellit automatisch verändern würde. Was früher Satellit war, könnte stärker zum Kern gehören und umgekehrt. Vorstellbar ist auch, dass der Kern vollständig verschwindet, die Portfoliobestandteile sich in ihrer Gewichtung also angleichen.

Mit veränderter Navigation durchs Rentenuniversum

Fest steht, dass Rentenmanager auf der Suche nach Mehrertrag eingetretene Pfade verlassen müssen. Dies ist mit Risiko verbunden. Eine Erkenntnis, die Investoren allerdings nicht mehr schrecken sollte. Die Frage, die sich stellt, lautet lediglich, wo die Risiken am besten genommen werden können. Das Gesetz der Risikoprämie hilft bei der Beantwortung. Risiken sollten danach vor allem dort genommen werden, wo die Prämien für das gewählte Maß an Risiko lukrativ sind, mit anderen Worten also dort, wo das Risiko-Rendite-Profil aus Sicht des Investors attraktiv ist. Diese Fragestellung ist der zentrale Parameter für die Navigation durch das erweiterte Rentenuniversum. Die Feinjustierung erfolgt nach Maßgabe der individuellen Rahmenbedingungen der Kapitalanlage. Denn je nach regulatorischen Vorgaben, internen Anlagerestriktionen oder spezifischen Anforderungen werden Investoren unterschiedliche Wege einschlagen müssen. Eine Gemeinsamkeit zeichnet sich dennoch ab: die Bereitschaft, sich auf Ungewohntes einzulassen.

Wandel nicht über Nacht

Ungeachtet aller Dynamik dürfte der Big Bang die Rentenportfolios deutscher institutioneller Anleger nicht mit einem Paukenschlag durcheinander wirbeln. Vieles wird sich vielmehr sukzessive entwickeln. Insbesondere Euroland Staatsanleihen behalten aus Absicherungsgründen vorerst noch ihre herausgehobene Stellung. Wichtige Performance-Quellen lassen sich aber auch hier nur erschließen, wenn das Anlageuniversum nicht zu eng gesteckt ist. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass in den Core-Ländern der Eurozone künftig steilere Zinsstrukturkurven und deutlich höhere Zinsen am langen Ende mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kurse zu erwarten sind. Investments in die Peripherie können hier einen Ausgleich schaffen.

Investments in Staatsanleihen sollten nach Möglichkeit auch eine globale Komponente berücksichtigen. Hier bieten sich Global-Bond-Konzepte an. Mit ihnen haben Anleger die Chance, von einer Kombination aus Währungs- und Anleihestrategien zu profitieren. Auch in diesem Segment sorgen neue Ideen für frischen Wind, etwa durch eine veränderte Berechnung bei der In dexgewichtung. Entsprechend alternativ zusammengesetzte Benchmarks haben durchaus ihren Nutzen. Denn innerhalb der gängigen Indizes erhalten zumeist solche Länder einen besonders hohen Stellenwert, welche die meisten Anleihen begeben und somit in der Regel auch über eine hohe Verschuldung verfügen. Große Schuldner werden demnach über-, kleinere Emittenten mit geringerer Verschuldung hingegen untergewichtet.

Vor diesem Hintergrund hat Bayern-Invest eine alternative Benchmark entwickelt, welche die tatsächliche Güte des Emittenten widerspiegeln soll. Im Zentrum der Überlegung steht die fiskalische Stärke eines Landes, also die Beurteilung eines Staates als Wirtschaftssubjekt beziehungsweise dessen Fähigkeit, seine Schulden zurückzahlen zu können. Für die entsprechende Analyse werden insgesamt sechs Schlüsselfaktoren eingehend untersucht. Globale Staatsanleihen-Portfolios, die nach dieser Methode gemanagt werden, sind gegenüber solchen, denen ein marktkapitalisierter Index zugrunde liegt, im Vorteil. Berechnungen unter Berücksichtigung des JP Morgen GBI Global belegen eine deutlich reduzierte Volatilität bei gleichzeitiger Renditeverbesserung.

Schwellenländer ins Portfolio

Lukrative Risikoprämien finden sich vor allem in den Schwellenländern. Daran hat sich vor dem Hintergrund der jüngsten Marktturbulenzen grundsätzlich nichts geändert. Immer noch bieten Investment-Grade Unternehmensanleihen aus den Emerging Markets mit über 200 Basispunkten eine höhere Risikoprämie als US-Unternehmensanleihen mit knapp 100 Basispunkten. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Bereich der Staatsanleihen. Hier ermöglicht die Anlage in die Emerging Markets einen um über 200 Basispunkte höheren Mehrertrag gegenüber einer Investition in US-Staatsanleihen. Im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen liegt die Risikoprämie mit fast 300 Basispunkten sogar noch höher. Der Renditevorsprung von Emerging-Markets-Anleihen dürfte ungeachtet gewisser Schwankungen auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Hierfür spricht zunächst die Einschätzung, dass sich die gegenüber den entwickelten Volkswirtschaften besseren Wachstumsperspektiven in den vergangenen Monaten aus fundamentaler Sicht nicht nachhaltig verändert haben. Die Emerging Markets werden daher voraussichtlich der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft bleiben und Investoren weiterhin die Chance auf den notwendigen Mehrertrag bieten.

Wann und in welchem Ausmaß eine Abkehr von der lockeren Geldpolitik in den entwickelten Industriestaaten dort zu einer Zinserhöhung führen wird, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem nicht vorhersagen. Ein schnelles und grundlegendes Umsteuern der Notenbanken ist allerdings aus heutiger Sicht nicht wahrscheinlich. Denn noch hängen sowohl die wirtschaftliche Erholung als auch die Finanzierung der Staatsverschuldung in den entwickelten Ländern unverkennbar am Tropf niedriger Zinsen.

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