Neue Fed - neue EZB?

Realkredite: Konditionen Stand 22. September 2020 Quelle: Interhyp AG

Im Nordwesten des US-Bundesstaates Wyoming, südlich vom Yellowstone-Nationalpark, liegt die Bergkette Teton Range, die sich majestätisch über ein als "Jackson Hole" bekanntes Tal erhebt. Neben Wanderern, Bergsteigern und Skifahrern versammeln sich hier einmal im Jahr, gegen Ende August, traditionell auch die weltweit führenden Notenbanker, um über die großen Fragen der Geldpolitik zu beraten. Doch wie so viele andere Dinge auch, musste das seit 1982 stattfindende Stelldichein der Notenbankelite heuer Corona-bedingt erstmals in die virtuelle Welt verlegt werden, die natürlich bei Weitem nicht den Charme dieser pittoresken US-Naturidylle hat.

Dass die Tagung zumindest inhaltlich betrachtet aber trotzdem in nachhaltiger Erinnerung bleiben wird, ist im Wesentlichen der Rede des Gastgebers Colin Powell geschuldet. Der Fed-Präsident hatte nämlich die abschließenden Ergebnisse der im November 2018 angestoßenen Strategieüberprüfung im Gepäck, die sich in einigen durchaus weitreichenden Anpassungen der US-Geldpolitik niederschlagen werden. Die mit Sicherheit entscheidende Neuerung besteht in der Etablierung "einer flexiblen Form der durchschnittlichen Inflationssteuerung", wie Powell es etwas kryptisch formulierte. Im Klartext bedeutet dies nicht weniger, als dass die Fed künftig eine Inflationsrate von "moderat" über zwei Prozent anpeilen wird, wenn die Teuerungsrate zuvor für eine längere Zeit unter zwei Prozent gelegen hat. Einen weiteren bedeutenden Strategieschwenk betrifft die Aufwertung des Ziels "Vollbeschäftigung": So werden Powell & Co., um ein höchstmögliches Beschäftigungsniveau zu erreichen, in Zukunft durchaus ein gewisses "Heißlaufen" auf dem Arbeitsmarkt tolerieren, ohne dabei gleich aufgrund von Inflationsängsten gegenzusteuern. Und schließlich behalten es sich US-Währungshüter vor, Maßnahmen zur Kontrolle der Zinskurve zu ergreifen.

De facto hat sich die Fed damit also in die Lage versetzt, deutlich länger als im Rahmen ihrer bisherigen Strategie an einer expansiven Geldpolitik festhalten zu können. "Lower for longer", dieser von Powell und seiner Vorgängerin Janet Yellen gern bemühte Slogan für die Fed-Leitzinspolitik kann damit wohl guten Gewissens in "low for very long" - manche mutmaßen gar "low forever" - umgemünzt werden. Abzuwarten bleibt unterdessen, welchen Einfluss der Fed-Strategieschwenk auf andere Notenbanken haben wird, insbesondere natürlich auch auf die EZB, die ihrerseits erst vor kurzem in die Überprüfungsphase der eigenen Ausrichtung eingetreten ist. Der französische Notenbankpräsident Villeroy de Galhau lobte die Rede Powells in Jackson Hole jedenfalls als "wichtigen" Beitrag, gleichwohl wollte er sich - ähnlich wie EZB-Chefvolkswirt Lane - nicht festlegen, inwieweit im Frankfurter Skytower ähnliches geplant ist. Man sollte sich diesbezüglich aber keinen allzu großen Illusionen hingeben: Vor allem im Lager der Tauben wird man für einen nochmals expansiveren Ansatz, der ein zeitweiliges Überschießen der Inflationsrate toleriert, reichlich Sympathien haben.

Bis es tatsächlich zu einem solchen "Overshooting" kommt, wird aber voraussichtlich noch sehr viel Zeit ins (Euro-)Land ziehen. Auf kurze Sicht drohen eher gar deflationäre Kräfte die Oberhand zu gewinnen. So lagen im August die Euro-Verbraucherpreise erstmals seit über vier Jahren wieder niedriger als im entsprechenden Vorjahresmonat (minus 0,2 Prozent). Besonders stark fiel dabei der Rückgang der Kernrate von 1,2 auf 0,4 Prozent aus - ein historischer Tiefstand. An den Märkten erwartete man daraufhin, dass der EZB-Rat bereits auf seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause eine Aufstockung des 1,35 Billionen schweren Notfallprogramms PEPP verkünden würde, um dem vermeintlichen Schreckgespenst Deflation Herr zu werden. Doch dazu kam es vorerst nicht. Lagarde betonte, dass die schwache Inflationsentwicklung auf Sondereffekte wie die hierzulande beschlossene Mehrwertsteuersenkung zurückzuführen sei. Letztlich sollte man sich allerdings auch an dieser Stelle keine Illusionen machen: Spätestens zur Jahreswende dürfte die EZB zusätzliche Maßnahmen verkünden - erst recht, wenn die jüngst eingesetzte Aufwertung des Euro weiter anhält. ph

Realkredite: Konditionen Stand 22. September 2020 Quelle: Interhyp AG
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