Wohnungsbaufinanzierung

Baufinanzierung in der Regulierungsfalle - gut gemeinte Leitplanken werden zu Hürden

Regulatorische Belastungen - Auswirkungen auf Verbraucher Quelle: Verband der Sparda-Banken, Stand: Mai 2016

Die Immobilienpreise steigen seit mehreren Jahren in vielen Regionen Deutschlands drastisch an. Trotzdem nutzen immer mehr Verbraucher die niedrigen Zinsen für den Kauf eines Eigenheims. Die Gefahr einer Immobilienblase steigt, was auch die Aufseher auf den Plan ruft. Der Ausschuss für Finanzstabilität arbeitet derzeit vier konkrete Eingriffsmöglichkeiten vonseiten der Bankenaufsicht in die geübte Kreditvergabepraxis aus. Darüber hinaus macht der Autor fünf weitere drohende Belastungen infolge der Regulierung für die Baufinanzierung aus. Er warnt daher, dass sich die Konditionen für Baufinanzierungen aufgrund der Regulierungskosten wohl verschlechtern werden und weniger Verbraucher eine Finanzierung erhalten werden. Seine Forderung an den Gesetzgeber lautet deshalb, Regulierungsmaßnahmen wohldosiert einzusetzen und vor allem Wechselwirkungen der einzelnen Maßnahmen weitaus stärker als bisher zu beachten. Red.

Den Grundstein für die eigenen vier Wände legen viele Deutsche mit der richtigen Baufinanzierung. Diese Investition ist die größte und dauerhafteste im Leben vieler Verbraucher. Für die Kreditwirtschaft spielt die private Immobilienfinanzierung daher eine wichtige Rolle. Je nach Geschäftsmodell bestehen 40 bis 60 Prozent der Kreditbücher aus Forderungen gegen Haus- und Wohnungseigentümer. Für die Sparda-Banken ist es, neben dem Giro- und Tagesgeldkonto, das wichtigste Angebot der Palette:

Rund 60 Prozent der Aktiva verleiht die Gruppe als Baukredite an Privatkunden. Wie wichtig eine angemessene Regulierung der Kreditwirtschaft bei der Vergabe von Immobilienkrediten ist, haben unter anderem die Entwicklungen in den USA, Irland oder Spanien ab dem Ende der 1990er Jahre deutlich gezeigt. Dort wurden in Zeiten ansteigender Immobilienpreise zu leichtfertig Kredite vergeben und der Verschuldungsgrad vieler Kreditnehmer stieg exorbitant mit den bekannten Folgen. Diese Probleme gab es in Deutschland nicht. Bereits damals galten hierzulande strengere Kriterien bei der Vergabe von Immobilienkrediten. Man kann getrost festhalten, dass sich das bestehende stabile System der Baufinanzierung bewährt hat. Angesichts einer Kreditausfallrate der Sparda-Banken von 0,02 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme (DBS), gibt es keinen Grund, die Baufinanzierung mit tiefgreifenden Regulierungen zum Nachteil von Verbrauchern und Banken zu belasten.

Zweifelhafte Eingriffsrechte

Gerade diese Gefahr steht aber im Raum. So prüft der Ausschuss für Finanzstabilität derzeit, ob und wie die Gefährdung der Wirtschaft als Ganzes durch Immobilienkredite verringert werden kann. Der Ausschuss schlägt Maßnahmen vor, die sowohl einen gravierenden Eingriff in die Geschäfte der Banken bedeuten, als auch den Zugang für Verbraucher zu Wohnimmobilienkrediten beschränken würden. Es gibt Überlegungen, der BaFin neue Eingriffsrechte in den Immobilienmarkt zu erteilen. Denkbar sei beispielsweise eine vorgeschriebene Mindesthöhe des einzubringenden Eigenkapitals, wenn Immobilien mithilfe eines Kredits finanziert würden. Auch Mindesttilgungsraten für Baufinanzierungen werden diskutiert. Die derzeitige Lage am Immobilienmarkt rechtfertigt jedoch keineswegs die geplanten Eingriffe: Immobilienkredite werden in Deutschland deutlich restriktiver vergeben als in anderen Ländern. Einer Umfrage von TNS zufolge ging der Anteil der Deutschen, die ein Hypothekendarlehen besitzen, im Zehnjahresvergleich von 13 Prozent im Jahr 2005 auf 11 Prozent im vergangenen Jahr leicht zurück. In Irland und Spanien dagegen verdreifachte sich das Kreditvolumen über die Jahre vor dem Platzen der Blase. Auch dass in Deutschland Kredite für Wohnimmobilien auf lange Sicht zu festen Konditionen vergeben werden, sorgt für stabilere Verhältnisse, als es in Spanien und Irland der Fall gewesen ist.

Die Immobilienpreise sind in vielen Teilen Deutschlands, insbesondere in den Ballungszentren, in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Ohne Frage ist es deshalb wichtig, Mechanismen parat zu haben, die die Baufinanzierung und Verbraucher in Deutschland absichern. Wir sind aber mit dem auch heute schon zur Verfügung stehenden Instrumentarium für solche Situationen gut gerüstet. Ganz im Gegenteil, wir laufen durch die Vielzahl der angedachten und kommenden Maßnahmen im Bereich der Baufinanzierung Gefahr, das bestehende stabile System zu untergraben.

Der gesetzliche Rahmen für die Baufinanzierung droht für Verbraucher und Banken durch zahlreiche Regelungen deutlich enger zu werden. Alleine fünf Maßnahmen machen dies deutlich. Erstens: Am 21. März 2016 ist das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie ohne große mediale Aufmerksamkeit in Kraft getreten. Künftig müssen Banken jedem Kreditnehmer bei einer ganz normalen Baufinanzierung 20 Vertragsseiten mehr aushändigen. Das sind zum Beispiel umfangreiche Angaben und Hinweise zur vorzeitigen Rückzahlung und zur Vorfälligkeitsentschädigung.

Diese Sonderfallregelungen gelten also für jeden - unabhängig davon, ob sie gebraucht werden oder nicht. Pro Jahr erstellt und übergibt die Sparda-Gruppe eine Million Seiten Papier zusätzlich an ihre Kunden. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Kunde das alles liest und auch versteht. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Kreditverträge für die Verbraucher durch diese bürokratische Mehrbelastung unübersichtlicher und weniger transparent werden.

Die zweite Belastung der Baufinanzierung könnte sich aus dem Europäischen Standard zur Ermittlung des Beleihungswerts ergeben. Wenn eine Innenbesichtigung von Wohnobjekten, wie geplant, obligatorisch würde, führte dies zu einem Mehraufwand für die Sparda-Gruppe von 130 000 Stunden beziehungsweise 81 zusätzlichen Vollzeitmitarbeitern im Jahr. Strengere Beleihungswertermittlungsregeln reduzieren tendenziell den Beleihungswert und erhöhen die Eigenkapitalquote.

Die dritte Belastung, die sich derzeit noch in der Planung befindet, resultiert aus der Datenabfrage von Ana Credit, dem europäischen Kreditregister. Die EZB plant, dass das Kreditregister durch die Kreditinstitute gepflegt wird. Für jeden Kredit müssten hunderte Informationen teils händisch zusammengetragen werden, weil diese heute nicht oder nicht in der geforderten Form verfügbar sind. Für die Sparda-Banken werden schätzungsweise mehr als 50 Prozent der angeforderten Daten und deren Quellen mit erheblichem Mehraufwand manuell zu erfassen sein. Um die Voraussetzungen für dieses Meldewesen zu schaffen und zu unterhalten, müssten die Sparda-Banken, wie viele andere mittlere und kleine Banken auch, Investitionen in Millionenhöhe aufbringen. Dass dies letztendlich auch der Kreditnehmer mitfinanzieren muss, ist leider unabdingbar.

Die vierte Belastung ist eine, vor der die kleinen und mittleren Banken seit Beginn der indirekten Aufsicht durch die EZB gewarnt haben. Die BaFin hat angekündigt, das sogenannte SREP-Konzept in diesem Jahr auch auf die kleinen und mittleren Banken anzuwenden. Wenn die BaFin einer Bank wegen Zinsänderungsrisiken einen Kapitalzuschlag auferlegt, wird dies mittelbar auch die Zinskonditionen für Baukredite verteuern.

Die fünfte Belastung droht mit der Überarbeitung des Kreditrisikostandardansatzes (KSA). Hier sind für verschiedene Baufinanzierungen höhere Anforderungen an die Eigenmittelunterlegung zu erwarten. Beispielhaft seien hier Kredite für Grundstückskäufe genannt. Diese sollen nach den Vorstellungen des Regulators künftig mit einem mehr als viermal so hohen Risikogewicht eingestuft werden. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass die Eigenmittelanforderungen an solche Kredite ansteigen und die zusätzlichen Eigenkapitalkosten die Finanzierung für den Kunden verteuern.

Wechselwirkungen beachten

Jede der dargestellten regulatorischen Maßnahmen mag für sich in Teilen begründbar sein und hat, isoliert betrachtet, keinen massiven Einfluss auf die Baufinanzierung. Allerdings summieren sich die Auswirkungen und in der Gesamtschau führen die Maßnahmen zu beträchtlichen Nachteilen, nicht nur für Banken, sondern gerade auch für die Verbraucher. Jeder, der einen Vertrag für eine Baufinanzierung unterzeichnet oder begleitet hat, weiß, wie viel Bürokratie jetzt schon in den Prozessen steckt. Und der Aufwand wird mehr: längere Verträge mit mehr Informationen, die den Vorgang noch komplexer machen. Dazu wird jeder, der einen Baufinanzierungsvertrag abschließt, mit Angaben belastet, die für die meisten irrelevant sind. Eine Wertermittlung durch eine ergänzende Innenbesichtigung macht den Finanzierungsablauf komplexer, teurer und zeitaufwändiger. Im schlechtesten Fall wurde die Immobilie schon an einen anderen Interessenten verkauft, wenn die Baufinanzierung dann endlich zugesagt ist.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich die Konditionen für Baufinanzierungen aufgrund der Regulierungskosten verschlechtern. Hinzu kommt, dass weniger Verbraucher eine Baufinanzierung erhalten können. Denn der Zugang würde zum Beispiel durch Vorgaben zur Höhe des eingebrachten Eigenkapitals erheblich erschwert. Dazu werden Anreize verringert, in Kreditverträgen längere Sollzinsbindungen einzugehen, obwohl diese von den Kunden bevorzugt werden und auch stabilisierend auf den Immobilienmarkt wirken. Die regulatorischen Maßnahmen werden große wie mittlere und kleine Banken zwingen, ihre Geschäftsmodelle zu vereinheitlichen. Der Trend geht zur Baufinanzierung von der Stange statt individuell und nach Maß. Das eigentliche Ziel der Regulatorik, die Finanzstabilität zu erhöhen, wird mit dieser Gleichmacherei ad absurdum geführt.

Individuelle Lösungen statt Gleichmacherei

Um den europäischen Finanzmarkt im Zuge der Finanzkrise zu stabilisieren, haben Politik und Regelsetzer viele verschiedene Regulierungen für Banken erlassen. Oft hat die Zeit gefehlt, um die Folgen und Wechselwirkungen umfassend zu analysieren. Besonders wichtig erscheint die Warnung vor einer gesetzlichen Standardisierung von Finanzprodukten. Gerade bei Kreditprodukten wie der Baufinanzierung ist das Zuschneiden des Darlehens auf das individuelle Kundenbedürfnis von zentraler Bedeutung, denn die wirtschaftlichen und persönlichen Lebenssituationen sind unendlich vielfältig.

Allen wäre geholfen, wenn die Regulierungsmaßnahmen wohldosiert umgesetzt würden - was die Anzahl angeht, aber auch die Intensität. Einige Maßnahmen wären bei der Kreditvergabe keine Leitplanken, sondern Hürden. Davon würden weder die Verbraucher, noch die Kredit- und Volkswirtschaft profitieren.

Der Autor Prof. Dr. Joachim Wuermeling Vorstandsvorsitzender, Verband der Sparda-Banken e.V., Frankfurt am Main
Prof. Dr. Joachim Wuermeling , Mitglied des Vorstands , Deutsche Bundesbank

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