RISIKOMANAGEMENT

BAUMONITORING: WIE KREDITGEBER PROJEKTE VERLÄSSLICH ÜBERWACHEN KÖNNEN

Daniel Hinz, Foto: Arcadis

Die Corona-Krise bringt gerade auch für die Baubranche erhebliche neue Risiken und Unwägbarkeiten mit sich, die im schlimmsten Fall zu einer Insolvenz führen können. Für Banken als Kreditgeber hätte das weitreichende Folgen. Ein effizientes und möglichst umfassendes Baumonitoring ist für sie deshalb besonders wichtig. Nach Einschätzung des Autors fehlen den Instituten jedoch oftmals entscheidende Details, um den bei Projektentwicklungen auftretenden Risiken angemessen Rechnung zu tragen. Abhilfe könnte beispielsweise eine neu entwickelte Systematik der Initiative "BauMonitoring e.V." (BMeV) schaffen. Red.

Immobilien gehören weiterhin zu den attraktivsten Anlageklassen - doch es mehren sich die Zeichen für Marktüberhitzungen. Real-Estate-Spezialisten der Schweizer Großbank UBS warnen vor einer Immobilienblase in europäischen Städten, die auch Deutschland betrifft. Explizit ist die Rede von Frankfurt am Main und München, die im EU-weiten Städtevergleich sogar die stärksten Warnsignale zeigen. Grund für die unnatürlich hohen Preissteigerungen sind niedrige Zinsen und die Tatsache, dass Investoren trotz Konjunktureinbruch unverändert stark auf "Betongold" setzen - unter anderem aufgrund der erhöhten Nachfrage nach privatem Wohneigentum in attraktiven Gebieten.

Der Markt bildet bisher nicht ab, dass das Einkommensniveau aufgrund der Corona-Krise mittel- bis langfristig sinken wird. Dann können keine flächendeckend hohen Mieten mehr erwirtschaftet werden, auch beim Verkauf von Immobilien sind kaum noch hohe Wertsteigerungen möglich. Hinzu kommt die hohe Auslastung der Bauunternehmen. Hohe Baukosten sind nur eine Folge davon. Die Betriebe haben Probleme, ausreichend Fachkräfte zu finden und Arbeiten pünktlich und in gebotener Qualität abzuschließen - erst recht in Pandemiezeiten.

Kreditinstitute unterliegen strengen Eigenkapitalauflagen und müssen ihre Ausfallrisiken genau kennen. Risiken von Immobilieninvestitionen werden anhand des tagesaktuellen Marktwertes berechnet. Neubauprojekte, deren Finanzierungen noch vor der Pandemie abgeschlossen wurden, sollten einem "Re-Check" unterzogen werden, insbesondere, wenn sie aus den Bereichen Shopping, Hotellerie, Gastronomie oder Office stammen. Je nach Projektstatus lassen sich Nutzungskonzepte und bauliche Maßnahmen unter Absprache aller beteiligten Parteien gegebenenfalls noch an die veränderten Marktbedingungen anpassen. Andernfalls drohen drastisch reduzierte Renditen und hohe Ausfallrisiken.

Risikoanalyse - komplexer denn je

Die einer Finanzierung vorangehende Risikoanalyse ist heute komplexer denn je. Immer wichtiger werden dabei beispielsweise auch Nachhaltigkeitsfaktoren, etwa eine CO2-arme Bauweise und ein möglichst energieeffizienter Betrieb der Immobilie. Hier ist perspektivisch mit einer Verschärfung von Bauvorgaben, Förderkriterien und Besteuerung zu rechnen. Diese absehbaren Entwicklungen können prognostizierte Nebenkosten spürbar erhöhen und die Rendite schmälern - was ebenfalls die Kreditbedienung gefährden kann. Grundsätzlich ist empfehlenswert, neben einer reinen Baubeschreibung, die nicht selten aus einer Kopie der Baugenehmigung besteht, konkrete technische Qualitätsmerkmale für das zu finanzierende Objekt festzuhalten.

Am sichersten ist die Vereinbarung einer Bauweise entsprechend der Zertifikatsvorgaben, zum Beispiel DGNB, LEED und BREEAM. Alternativ sollten zumindest Vorgaben zur anvisierten Energieeffizienz, zum CO2-Ausstoß sowie zur Qualität der verwendeten Baumaterialien in die Besicherung aufgenommen werden. Die frühzeitige Einbindung bautechnischer Expertise rentiert sich auch beim späteren Baumonitoring zur Überprüfung von Baufortschritt und Qualität. Denn: Wenn der Finanzierung lediglich eine rudimentäre Baubeschreibung zugrunde liegt, ist es bei mangelhafter technischer Umsetzung deutlich schwieriger, Ersatzansprüche geltend zu machen.

Mangel an Bauexpertise in den Kreditinstituten

Der Wert einer Immobilie ist risikoimmanent für ein Institut. Wenn das zu bauende Objekt in der Qualität nicht dem zu finanzierenden Wert entspricht, kann im Fall einer Zwangsveräußerung der bereits finanzierte Wert nicht erzielt werden. Es muss also laufend sichergestellt werden, dass die bauliche Substanz vor Ort dem derzeit freigegebenen Kreditvolumen entspricht. Um Diskrepanzen frühzeitig zu erkennen, braucht es vor allem bautechnische Expertise.

Doch in den Finanzinstituten arbeiten kaum noch Fachleute mit bautechnischem Hintergrund. Baumonitorings zum Controlling von Bauprojekten werden daher standardmäßig ausgelagert - was kein Problem darstellt, solange die vereinbarten Leistungen alle relevanten Aspekte abdecken. In der Praxis hat jedoch fast jedes Kreditinstitut seinen eigenen Anforderungskatalog entwickelt, der nicht immer auf dem neuesten Stand ist und meistens auch keine vollumfängliche Systematik abbildet.

Welche Aspekte sollten idealerweise Bestandteil des Monitorings sein? Bislang gab es für Baumonitorings keinen Standard, der über alle Projektstufen hinweg vollständig die relevanten Aspekte abbildete. Aus diesem Grund haben sich mehr als 50 marktrelevante Vertreter der Finanzierungsbranche, versierte Monitoring-Dienstleister und der Forschung in der Initiative "BauMonitoring e.V." (BMeV) zusammengeschlossen, um Standards auf Grundlage bestehender Gesetze, Normen und Richtlinien im Markt zu entwickeln und damit eine allgemeinverbindliche Grundlage für eine hohe Qualität im Baumonitoring zu leisten. Das Ergebnis ist eine auf etablierten Prinzipien des Projektmanagements basierende Systematik, die alle relevanten Bereiche abdeckt und dabei den hohen Anforderungskriterien von Kreditinstituten gerecht wird. Für alle drei Projektstufen eines Baus, also die Planungs- und Vorbereitungsphase, die Ausführungsphase sowie die Projektabschluss- und Übergabephase, wurden die jeweils relevanten Prüfungskriterien ausgearbeitet, und zwar entlang der folgenden acht übergreifenden Handlungsdimensionen: Organisation, Risikomanagement, Kosten, Termine, Vergaben/Verträge, Qualität, Versicherungen sowie Vermarktung. In jeder Handlungsdimension gibt es Unteraspekte, die zu überprüfen, plausibilisieren, dokumentieren oder zusammenzufassen sind.

Mit dieser Systematik wird sichergestellt, dass technische und wirtschaftliche Risiken in ihrer Gesamtheit beziehungsweise Abhängigkeit zueinander gesteuert werden. Zur Erfüllung von Terminpflichten werden im Bauprozess beispielsweise häufig bewusst Risiken eingegangen. Diese sollten für die finanzierende Partei immer transparent dargelegt sein. Planänderungen im Laufe des Bauprozesses können ebenfalls finanzielle Risiken nach sich ziehen, wenn es etwa zum Wegfall oder zu Änderungen von Räumlichkeiten kommt, die sich negativ auf die Flächenbilanz auswirken.

Klassisch sind auch unerwartet hohe Kosten durch Unwägbarkeiten wie zum Beispiel das Baugrundrisiko in Form der Bodenbeschaffenheit. Dabei lassen sich die Bau- und Baunebenkosten wie Abbruch, Erdarbeiten oder Gutachtergebühren mit nötiger Expertise eigentlich relativ genau kalkulieren. Selbst vermeintlich offensichtliche Mängel wie das Fehlen haustechnischer Einheiten oder - im Extremfall - eines ganzen Geschosses, kommen in der Praxis vor, wenn das Baumonitoring unzureichend ist.

Qualifikationen der Gutachter transparent machen

Die standardisierten Überwachungskriterien stellen ein ganzheitliches Monitoring unter Berücksichtigung aller relevanten Risiken unabhängig vom zugrunde liegenden Finanzierungsmodell sicher. Wird das Projekt beispielsweise von einem Joint Venture aus Investor und Projektentwickler realisiert, so steht dennoch der Projektentwickler im Fokus des Controllings - und das Reporting erfolgt an das auftraggebende Kreditinstitut . Die Finanzierer erhalten durch den neu entwickelten Standard weiterhin die Möglichkeit, bei ausgeschriebenen Baumonitorings die Vollständigkeit und Qualitätstiefe der angebotenen Leistungen zu überprüfen. Bislang variiert der Leistungskatalog der verschiedenen Anbieter jedoch stark. Ob der Monitorer sich beispielsweise auch mit der Projektierung und Umsetzung nachhaltiger, CO2-armer Immobilien und damit verbundener Vorschriften auskennt, zeigt sich oft erst nach Auftragsvergabe.

Abbildung 1: Projektentwickler als Investor Quelle: Arcadis
Abbildung 2: Joint Venture zwischen Projektentwickler und Investor Quelle: Arcadis

Als Grundvoraussetzungen für einen kompetenten Baumonitorer können überprüfbare Grundlagenkenntnisse und langjährige Berufserfahrung in mindestens einem der folgenden Bereiche angesetzt werden: technisches Bauwissen, kaufmännisches Bauwissen, juristisches Bauwissen, Bankwissen zur Immobilienfinanzierung, Bankenregulatorik sowie alternativ oder ergänzend der Methodik "Risikoorientierte Prüfung" im Sinne des IDW Prüfungsstandards. Dies ist Teil der vom BMeV zusammengestellten Mindestanforderungen an die Qualifikation, die den Auftraggebern die Identifikation von Baumonitorern ermöglichen, die speziell den regulatorischen Anforderungen von Kreditinstituten gerecht werden. Nach einem einheitlichen und standardisierten Akkreditierungs- und Zertifizierungssystems, das der BMeV derzeit entwickelt, soll die Qualifikation dieser Gutachter überprüft und sichergestellt werden. Zudem arbeiten die Verbandsmitglieder an einem einheitlichen Bewertungssystem der Baumonitoring-Leistungen. Ein daraus abgeleitetes Honorarmodell soll sowohl den Gutachtern als auch den auftraggebenden Kreditinstituten Sicherheit geben und langwierige Detailverhandlungen überflüssig machen.

Etablieren sich die neuen Standards von Leistungskatalog und Qualifikationsanforderungen, können die Kreditinstitute die Risiken ihrer Finanzierungen von Neubauprojekten besser managen - zumindest in Planung und Realisierung. Dies verschafft ihnen Sicherheit und Handlungsspielraum, und sie haben nicht zuletzt die Möglichkeit, konkrete Ansprüche durchzusetzen, wenn wichtige Aspekte im Monitoring unberücksichtigt bleiben sollten.

DER AUTOR DANIEL HINZ Head of Department, Arcadis Germany GmbH, Hamburg, und Mitglied des Vorstands, BauMonitoring e.V., München

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