BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2018

BAUSPAREN IN EUROPA - AKTUELLE SITUATION UND AUFGABEN

Christian König Quelle: VdPB

Man könnte meinen, Bausparen ist typisch deutsch. Denn eine englische Übersetzung dafür gibt es nicht. Selbst in englischsprachigen Texten ist meist von "Bausparen" mit der Klammerbemerkung "Contractual Savings for Housing", von "Bauspar institutions" oder "Bauspar customers" die Rede. Selbst in der Übersetzung der Europäischen Bausparkassenvereinigung heißt es: "European Federation of Building Societies". Die früheren Building Societies in Großbritannien waren in der Tat mit Bausparkassen vergleichbar, bis sie mehr sein wollten als Spezialkreditinstitute. Bausparen ist aber längst europäisch und mehr. Stand 2017 gab es EU-weit rund 40 Millionen Bausparverträge. Von daher weiß man in Brüssel mit dem Thema Bausparen längst etwas anzufangen. Und man weiß auch, dass die Branche jeweils national speziell reguliert ist. Eine angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten bei der europäischen Regulierung ist allerdings kein Selbstläufer. Ein neuer deutsch-französischer Vorstoß soll Bewegung in die Diskussion bringen. Red.

Seit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" und beginnend im Jahr 1992 wurden über 20 Bausparkassen außerhalb der klassischen Bausparländer Deutschland und Österreich gegründet. Bausparkassen finden sich heute innerhalb der Europäischen Union in Tschechien, der Slowakei, in Ungarn, Kroatien und Rumänien. Dort gibt es mittlerweile rund sechs Millionen Verträge. EU-weit sind es damit rund 40 Millionen. Aber auch in Kasachstan und in der Volksrepublik China ist Bausparen verbreitet und wird als Zinssicherungsinstrument zur Wohnungsbaufinanzierung eingesetzt und von Verbrauchern stark nachgefragt.

Marktstellung der Bausparkassen in Europa

Die Marktdurchdringung ist zum Teil enorm: Spitzenreiter ist Tschechien. Dort haben, ähnlich wie in Deutschland, gut drei von zehn Bürgern einen Bausparvertrag. In der Slowakei ist es immerhin fast jeder Fünfte. Rund 850 000 Verträge wurden in diesen fünf Ländern 2017 neu abgeschlossen. Die Finanzierungsleistung lag bei rund 3,5 Milliarden Euro. Rechnet man Deutschland und Österreich hinzu, waren es rund 3,5 Millionen neue Verträge und knapp 40 Milliarden Euro aus ausgezahlten Baugeldern.

Bausparen ist zweckgerichteter Eigenkapitalaufbau und Zinsabsicherung in einem. Der Bauspargedanke trägt europaweit dazu bei, dass Bürger keine teuren 100-Prozent-Finanzierungen in Anspruch nehmen müssen, bei denen Normalverdiener oft ein 100-Prozent-Risiko eingehen. Sie haben dann viel zu verlieren. Dieses Prinzip, das man in den USA als "skin in the game" bezeichnet, führt regelmäßig zu höheren Ausfallquoten - anders als bei Bausparkassen, die die niedrigsten aller Kreditinstitutsgruppen haben.

Die europäischen Bausparkassen bewegen sich dabei auf Wohnungsmärkten, die teils ganz erhebliche Unterschiede aufweisen. Das betrifft vor allem die Dynamik der Bautätigkeit. In Österreich expandiert der Neubau von Wohnungen seit einigen Jahren mit konstanten und durchaus beachtlichen Raten. In Deutschland ziehen die gestiegenen Immobilienpreise nun endlich auch eine Ausweitung des Angebots nach sich; doch schon jetzt zeichnet sich wieder eine Verlangsamung ab.

Differenzierte nationale Wohnungsmärkte

In Ungarn gab es zuletzt bei den Fertigstellungen ein Plus von schätzungsweise 80 Prozent und für 2018 wird eine Steigerung in fast gleicher Größenordnung erwartet - dort allerdings ausgehend von einem extrem niedrigen Niveau nach einer schweren Immobilienkrise. In der Slowakei und der Tschechischen Republik folgt der Wohnungsbau keinem Trend, sondern ist seit längerem unregelmäßigen Schwankungen unterworfen.

Und dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: In allen Staaten ist der Trend hin zur Urbanisierung ungebrochen. Vor allem, aber nicht allein die Hauptstadtregionen wachsen. Während sich in den Wachstumsregionen die Wohnungsknappheit verschärft, sehen sich umgekehrt ländliche Regionen einem Einwohnerschwund ausgesetzt. Beide Entwicklungen erfordern Antworten der Politik.

Deutsch-französische Zweckspar-Partnerschaft

Wer in Brüssel etwas bewegen will, braucht Verbündete. Hier bietet sich auch Frankreich mit dem épargne logement an. Die Systematik ist im Prinzip die gleiche wie beim Bausparen. In beiden Fällen wird für zweckgerichtetes Vorsparen geworben. Der Zweck kann sein: eigene vier Wände als präferierte Wohnform, eine "Zusatzrente" im Alter, die Ausbildung der eigenen Kinder oder Vorsorge für den Pflegefall. Wer sich ein finanzielles Polster aufbaut, schützt sich zudem davor, in einer schwierigen Lebenslage in eine Überschuldungsfalle zu tappen. Auch zeigt alle Erfahrung: Selbstverordnetes Sparen ist für breite Bevölkerungsschichten oft der einzige Weg zu einem Vermögensaufbau. Und die Spaltung einer Gesellschaft in Arm und Reich kann niemand wollen.

Gemeinsam mit dem in Paris ansässigen Observatoire de l'Epargne Européenne (OEE) und seinem Präsidenten Jacques de Larosière, ehemaliger Direktor des Internationalen Währungsfonds sowie ehemaliger Präsident der französischen Nationalbank, arbeitet die Europäische Bausparkassenvereinigung daran, das Thema der Vermögensbildung durch zweckgerichtetes Sparen in den Vordergrund der europäischen Debatten zu rücken. Dabei werden mit Blick auf die Sparkultur auch gegenüber der EU-Kommission und dem EU-Parlament die Risiken und Nebenwirkungen der aktuellen EZB-Zinspolitik angesprochen.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise haben sich immer wieder Länder auch außerhalb Europas für das Bausparsystem interessiert: in Afrika, Mittel- und Südostasien, aber auch in Lateinamerika. Innerhalb der EU zeigt jetzt Polen erneut Interesse an diesem System. Dort hat man den Beleihungswert für Immobilien auf 85 Prozent begrenzt. Jetzt wird überlegt, wie polnische Bürger ausreichend Eigenkapital ansparen können, um sich für einen Darlehensvertrag zum Erwerb von Wohneigentum zu qualifizieren.

Neben der Diskussion über eine mögliche Einführung eines Bausparkassensystems im polnischen Senat unterstützt die Regierung die Idee des regelmäßigen Sparens zu Wohneigentumszwecken. Die negativen Erfahrungen mit Fremdwährungskrediten aufgrund der ihnen inhärenten Wechselkursrisiken haben aber nicht nur in Warschau zu einem Umdenken geführt, was den Wert stabiler Wohnungsbaufinanzierungsformen angeht, die weniger auf den schnellen, sondern auf einen nachhaltigen Erfolg setzen.

Kritik an Teilen der Bankenunion und Kapitalmarktunion

Zentrales Thema in Brüssel sind nach wie vor Regulierungsfragen. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hat kürzlich mit Blick auf den Koalitionsvertrag in Deutschland erklärt: Zu den Prioritäten zählten die Vervollständigung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion. Bis Juni sollte ein Einverständnis mit Deutschland erzielt werden. Was die Bankenunion betrifft, gilt auch für die Bausparkassen: Bei der Einlagensicherung dürfen Risiko und Haftung keinesfalls auseinanderfallen. Gerade die deutschen Sparer reagieren hier zu Recht sehr sensibel. Mit einem Schnellschuss würde man der Europaidee einen echten Bärendienst erweisen und die antieuropäischen Kräfte stärken.

Es herrscht Einigkeit mit dem EU-Parlament, dass zunächst einmal die bislang verabschiedeten Regeln vollständig umgesetzt werden müssen. Die hohen Volumina notleidender Kredite in den Bankbilanzen in einigen Mitgliedsstaaten ist keinesfalls hinnehmbar. Zudem muss auf europäischer Ebene eine Antwort auf die Frage der Risikobewertung von Staatsanleihen gefunden werden. Erst danach kann man gegebenenfalls darüber nachdenken, inwiefern ein Rückversicherungssystem für die nationale Einlagensicherung, was nicht mit einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme verwechselt werden darf, politisch überhaupt Sinn machen könnte.

Ein waches Auge muss man auch auf die Kapitalmarktunion haben. Die Kritik der Europäischen Bausparkassenvereinigung bezog sich darauf, dass erklärt wurde, der europäische Bürger möge doch Einlagen von Sparkonten abziehen, um sie höherverzinslich auf dem Kapitalmarkt zu investieren. Gerade auch das Sparen zum Zweck des Immobilienerwerbs wurde von der EU-Kommission trotz des unbestreitbaren Effekts für die Vermögensbildung von Normalverdienern als unattraktiv bewertet. Die Entscheidung, wofür man wie viel spart, sollte aber doch bitte dem Einzelnen überlassen bleiben. Nicht jeder liebt das Risiko. Und die Politik sollte auch nicht der Versuchung unterliegen, Menschen finanziell ins Risiko zu locken.

"Grüne Siegel" und green finance

Mit ihrem kürzlich vorgelegten Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums will die EU-Kommission nicht nur den Klimawandel bekämpfen und die Umwelt schützen. Es geht ihr auch um die Vermeidung von sozialer Ungleichheit. Grundsätzlich ist dieser Diskussionsanstoß zu begrüßen, wobei mit Spannung der Ausarbeitung von Vorgaben für "grüne Siegel" entgegengesehen werden muss. Bausparkassen haben seit langem nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern gerade auch in den mittel- und osteuropäischen Bausparländern einen erheblichen Anteil an der Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen im Wohnungsbau. Der Bausparvertrag ist auch dort längst zum Energiesparvertrag geworden.

Der Brüsseler Versuch, jetzt nachzuweisen, dass "grüne Finanzierungen" weniger ausfallgefährdet sind und deshalb bei Eigenkapitalanforderungen privilegiert werden könnten, ist abzuwarten. Ihn jetzt pauschal abzulehnen, erscheint verfrüht. Mit etwas Sorge sind aktuelle Überlegungen der EU-Kommission zu sehen, im Zuge der anstehenden Revision der Verbraucherkreditrichtlinie erneut das Thema Kreditwürdigkeitsprüfung anzupacken. Dabei ist die Wohnimmobilienkreditrichtlinie noch gar nicht überall umgesetzt, weshalb verschiedene Vertragsverletzungsverfahren laufen.

Kreditwürdigkeitsprüfung

Eine Anpassung der in der Verbraucherkreditrichtlinie nur rudimentären Vorschriften zur Kreditwürdigkeitsprüfung an die Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie wirft die Frage auf, welcher Maßstab denn dann gelten soll. Denn leider haben einige Mitgliedsstaaten die europäischen Vorgaben nicht eins zu eins, sondern überschießend umgesetzt, so auch Deutschland.

Passieren in Österreich und Frankreich Fehler bei der Kreditwürdigkeitsprüfung, kann dort ein aufsichtsrechtliches Bußgeld verlangt werden. Verbraucher in Deutschland können demgegenüber ihr Darlehen vorzeitig und ohne Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen - mit dem Risiko für den Kreditgeber, dass ganze Bestände im Nachhinein rückabgewickelt werden müssen, weil die Rechtsprechung möglicherweise Kriterien erarbeitet, die zum Zeitpunkt der Kreditwürdigkeitsprüfung nicht vorhersehbar waren.

Bevor jetzt ein weiteres Rad gedreht wird, mit dem im Zweifel ein neues Binnenmarkthindernis entsteht, sollten zum Beispiel in Deutschland erst die noch erforderlichen Nachbesserungen und Konkretisierungen, vor allem bei der Frage der Kreditwürdigkeit junger Familien und der Frage, ob das statistische Lebensalter ein Ausschlusskriterium bei der Kreditvergabe sein muss, zügig von der Bundesregierung auf dem Verordnungsweg geklärt werden.

DER AUTOR CHRISTIAN KÖNIG Geschäftsführender Direktor, Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
Christian König , Geschäftsführender Direktor , Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
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