BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2021

BAUSPAREN AUS PERSPEKTIVE DER "SHARING ECONOMY"

Prof. Dr. Hans-Peter Burghof, Foto: privat

Bausparen und Sharing Economy - das sind zwei Themenkomplexe, die vermutlich nur die wenigsten auf Anhieb miteinander in Verbindung bringen würden. Tatsächlich offenbaren sich bei genauerem Hinsehen aber einige erstaunliche Parallelen zwischen diesen beiden Welten. Die Autoren stellen im folgenden Beitrag die wichtigsten gemeinsamen Merkmale vor. Das von Befürwortern der Sharing Economy im Finance-Bereich gerne angeführte Argument der "Demokratisierung der Kapitalmärkte" sehen sie dabei unter Verweis auf den aktuellen Gamestop-Fall durchaus kritisch. Red.

Sie sind die Aristokraten der neuen Wirtschaftsordnung: Elon Musk, Mark Cuban oder Chamath Palihapitiya - Unternehmensgründer und Schöpfer neuer Geschäftsmodelle, Multimilliardäre, Lieblinge der Internet-Community und voller aristokratischem Spleen, den sich kein Normalbürger jemals wird leisten können. Und ausgerechnet diese drei riefen Ende Januar 2021 die "Demokratisierung des Börsenhandels und des Kapitals" aus.1)

Der Fall Gamestop als Paradebeispiel

Tatsächlich machten sich, befeuert über das Messaging Board Reddit, tausende Kleinanleger auf, um den strauchelnden Videospielehändler Gamestop vor drastischen Kursverlusten durch massive Leerverkäufe professioneller Anleger zu bewahren. Sie zerstörten den vorher bestehenden Marktkonsens, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens überholt sei und schickten den Kurs der Aktie auf eine halsbrecherische Achterbahnfahrt. Im vergangenen Jahr hätte man Gamestop-Aktien zu Preisen zwischen 2,63 und 419,19 Dollar handeln können, ein Preisdifferential, das einige Hedgefonds an den Rand des Untergangs brachte.

Viele sahen in diesem Geschehen einen Paradigmenwechsel. Sie feierten den Siegeszug einer populären und demokratischen Sharing Economy über den Egoismus Einzelner: Eine große Zahl kleiner Investoren treten auf einer digitalen Plattform zusammen, um aus einem koordinierten Verhalten am Kapitalmarkt einen individuellen Nutzen zu ziehen. Damit setzen sie sich gegen die Großen am Markt durch, gegen Hedgefonds, Investmentbanker und professionelle Analysten, die das von den Kleinanleger so hoch geschätzte Unternehmen schon abgeschrieben hatten.

Dass die dazu meist genutzte Handelsplattform keine Gebühren nimmt und den Namen "Robinhood" trägt, verdichtete den Eindruck: Hier war ein Aufstand der kleinen Leute gegen die Mächtigen im Gange, ein "Sturm auf die Bastille"2) des Finanzkapitalismus. Wer da mitmachte war ein Held, und musste sich dafür nicht einmal in eine grüne Strumpfhose zwängen.

Hoffnungsträger beim Thema Nachhaltigkeit

Die Sharing Economy entfaltet in vielen Bereichen der Wirtschaft im Rahmen der Digitalisierung großes Potenzial. Sie ermöglicht die koordinierte und optimierte Nutzung von Ressourcen durch viele Menschen. Das Modell wird auf Wohnraum, Transportleistungen (Carsharing und Reisen), aber auch Software, Musik, Bücher und andere Güter und Dienstleistungen angewandt.

Im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte besteht die Hoffnung, dass auf diesem Wege der Ressourcenverbrauch deutlich verringert und zugleich über die günstigere Verfügbarkeit der Güter und Dienstleistungen der Lebensstandard der Menschen erhöht werden kann. Offenbar eine echte Win-win-Situation. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Sharing Economy, und umso bedeutsamer erscheint es, dass diese Bewegung nun auch den Kapitalmarkt erreicht hat.

Aber ist das alles tatsächlich so neu? Natürlich erleichtert das Internet die Koordination der Bedürfniserfüllung. Aber auch in der Vergangenheit wohnte man in fremden Städten nicht zwangsläufig im Hotel, reiste gerne bei anderen mit, oder gab ausgelesene Bücher, abgelegte Kleidung und ausrangierte Möbel mit oder ohne Entgelt an Freunde und Fremde weiter. Und auch an den Finanzmärkten gab es immer wieder Situationen, in denen sich Menschen zusammenfanden und neue Formen der Kooperationen entwickelten, weil die bestehenden Marktinstitutionen ihre Bedürfnisse nicht erfüllten.

Beispiele dafür sind die Entstehung von Genossenschaftsbanken und Credit Unions, oder auch die Bildung von Börsenclubs. Ein oftmals als deutscher Anachronismus abgewertetes Beispiel ist die Bausparkasse. Im Folgenden diskutieren wir, ob sich aus der Perspektive der Sharing Economy ein besseres Verständnis des Bausparens erarbeiten lässt.

Verändertes Konsumverhalten und Digitalisierung als Haupttreiber

"Teilen" ist tief in der menschlichen Psyche und Entwicklung verankert und beschreibt wohl den ersten ökonomischen Austausch zwischen Menschen.3) Das Gegenmodell ist der oft nur unzureichend genutzte ungeteilte Besitz von Gütern und Ressourcen. Mit der Verbesserung der Koordinationsmöglichkeiten durch das Internet und dem Aufkommen der sozialen Medien gewinnt die geteilte und abgestimmte Nutzung gegenüber dem Besitz zunehmend an Bedeutung.4)

Der Grundgedanke der Sharing Economy ist dabei der gemeinschaftliche Konsum, offenes und frei zugängliches Wissen, kollaborative Produktion und ein kollaboratives Finanzwesen. Konsumenten kommen auf Plattformen zusammen, um die Nutzung von ganz oder teilweise ungenutzten Ressourcen zu ermöglichen.5) Die Haupttreiber hinter dieser Entwicklung sind ein verändertes Konsumentenverhalten, hier der Wechsel vom Besitz eines Gutes hin zur seiner zeitlich begrenzten Nutzung, die Existenz sozialer Netzwerke und elektronischer Märkte zur Reduzierung der Such- und Transaktionskosten sowie die Verfügbarkeit mobiler Endgeräte wie Smartphones, die über Apps den einfachen und schnellen Zugang zur Sharing Eco nomy schaffen.6)

Im Finance-Bereich ist die Sharing Economy vor allem durch eine dezentrale Eigentümerstruktur von Anlagen und durch digitale Innovationen geprägt, die verschiedene bisher nicht direkt verbundene Parteien der Kapitalanlage- und -nachfrageseite unmittelbar zusammenbringen. Anwendungsbeispiele sind Versicherungen, Crowdfunding, Sozialzahlungen und Peerto-Peer-Kreditwesen.7) Das Bausparen fällt insoweit aus dem Rahmen, als es sich noch ganz ohne digitale Hilfsmittel entwickelte. Der Startpunkt liegt in den zwanziger Jahren.

Obwohl das Bausparen sich von diesem Ausgangspunkt sehr dynamisch entwickelte und bis heute einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung von Wohneigentum in Deutschland und einigen andern Ländern Europas leistet, hat es als kontinentaleuropäische Besonderheit und vielleicht auch als Produkt der "kleinen Leute" wenig Interesse bei Forschern geweckt.

Abbildung 1: Geografische Verteilung von Bausparern, 1924 bis 1933*

Ein effizienter Finanzierungsvertrag

In den vergangenen Jahren haben wir uns in mehreren wissenschaftlichen Vorhaben dem Thema angenähert.8) So lässt sich der Bausparvertrag unter sinnvollen Annahmen als effizienter Finanzierungsvertrag beschreiben, der es ermöglicht, über den Ansparprozess und die darüber einfließenden Informationen zum Sparverhalten das Risiko der nachfolgenden Kreditphase zu reduzieren.9) Damit korrespondierend beobachten wir bei Bausparkrediten niedrigere Ausfallraten als bei vergleichbaren Krediten.10) Molterer zeigt in einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung, dass Bausparen eine antizyklische Wirkung entfaltet und so zu einer Stabilisierung des Immobilienmarktes beiträgt.11)

Und schließlich konnten wir auf der Grundlage historischer Dokumente die ersten Jahre des Bausparens in Deutschland nachzeichnen.12) Dabei sehen wir, dass das Bausparen sich am stärksten in den indus triell geprägten und eher liberal eingestellten Regionen des Deutschen Reiches ausbreitete (Südwesten, Rheinland, Thüringen und Berlin) und vor allem der gehobenen Unterklasse und der Mittelklasse half, Finanzierungsrestriktionen zu überwinden (siehe Abbildungen 1 und 2). Daneben gibt es klare Indizien für eine Peertopeer-Ausbreitung ganz im Sinne der modernen Sharing Economy. Aber inwieweit weisen das Bausparen und die Bausparkasse tatsächliche typische Merkmale einer Sharing Economy auf? Im Folgenden diskutieren wir dies anhand dreier sowohl eine Sharing Economy als auch das Bausparen charakterisierenden Merkmale.

1. Bildung eines erweiterten Kollektivs: In Gesellschaften ohne entwickelten Rechtsstaat ist das Teilen oder Sharing von Eigentumsrechten auf die Familie und Freunde beschränkt. Außerhalb dieses Kreises dürften die Grenzen zwischen einem wirtschaftlich effizienten Teilen und einem Schenken nicht mehr klar erkennbar sein.13) Denn das Teilen erzeugt Kreditbeziehungen. Es ist daher nur möglich, wenn man über Informationen zur materiellen und personellen Kreditwürdigkeit verfügt. Man muss darauf vertrauen können, dass die Partner mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl in der Lage als auch willens sind, auch in Zukunft ihre Leistungsverpflichtungen aus der Sharing-Beziehung zu erfüllen. Eine Sharing Economy gewinnt aber gerade ihre Effizienz aus der Möglichkeit, einen möglichst großen Kreis an Teilnehmern mit der Art oder dem Zeitpunkt nach unterschiedlichen Bedürfnissen einbinden zu können.

Bausparer schaffen hohes Vertrauen

In diesem Sinne ist der Prozess der klassischen Kreditwürdigkeitsprüfung einer Bank ein recht aufwendiger Weg, um ein solches umfassendes Kollektiv zu ermöglichen. Moderne Sharing-Plattformen bieten ähnliche Funktionen durch Ratingsysteme und die Analyse von Kundendaten. Auch sie erzeugen so das nötige Vertrauen unter Kunden und Dienstleistern, um Sharing-Geschäfte zu ermöglichen14), erweisen sich in diesem Punkt aber als durchaus anfällig. Die Besonderheit des Bausparens ist hier die Verbindung zwischen der Ansparphase und der späteren Kreditphase. In dieser langfristigen Finanzierungsbeziehung qualifizieren sich die Partner durch ihre regelmäßigen Ansparleistung und seine so demonstrierte Befähigung zum Sparen und zum Konsumverzicht gewissermaßen selbst als Mitglieder des Kollektivs.15)

Darüber hinaus erarbeitet der Bausparer sich auf diesem Wege einen Eigenkapitalpuffer, der ebenfalls das Risiko der Finanzierung reduziert. So gelingt es, einen komplexen Finanzierungsvertrag in einem umfänglichen Kollektiv zu relativ niedrigen Transaktions- und Risikokosten zu verwirklichen. Eine alternative Darstellung der Vertragsbeziehung etwa über Kapitalmarktprodukte wäre, wenn überhaupt, nur über Vielzahl einzelner Transaktionen und die Verwendung komplexer, teilweise kaum bewertbarer Optionen möglich.16)

Abbildung 2: Häufigkeit der sozialen Schichten unter den Bausparern, 1924 bis 1933 (in Prozent) Quelle: H.-P. Burghof/M. Gehrung

Große Vielfalt an Gestaltungsvarianten

2. Individualisierung des Angebots: Ein weiteres kennzeichnendes Merkmal der Sharing Economy ist die erhöhte Individualisierbarkeit der Angebote für den Kunden. Es gilt nicht mehr "One Size Fits All". Kunden können ohne langfristige Bindung Güter und Dienstleistungen nach Bedarf abrufen und für exakt die Zeit nutzen, für die sie sie brauchen.17) Eine solche Individualisierung wird im Rahmen des Bausparens in hohem Maße verwirklicht. Bausparverträge bergen unter dem vermeintlich einfachen Grundmodell eine große Vielfalt an Gestaltungsvarianten und aktiv nutzbaren Gestaltungsoptionen.

Diese betreffen etwa die Laufzeit, den Sparbetrag und die finale Entscheidung, wann ein Bausparer das Darlehen überhaupt in Anspruch nehmen möchte. Je nach Tarif stehen ihm aber auch weitere Möglichkeiten offen, den Vertrag seiner ganz individuellen Situation anzupassen. Einzig die sogenannte Bewertungsziffer als Maßzahl für die bisherige Ansparleistung ist nicht gestaltbar. Sie entscheidet über die Reihenfolge bei der Zuteilung von Krediten und steuert insoweit den Kapitalfluss innerhalb des Kollektivs.18) Vor allem aber bildet sie das Sparverhalten des Bausparers ab und trägt insofern zu der besonderen informationsökonomischen Qualität des Bausparvertrages bei.

3. Verhaltensabhängigkeit im Kollektiv und Herdenverhalten: Der Erfolg einer Sharing Economy ist zunächst ein Erfolg der großen Zahl. Damit die gewünschte Vielfalt an Möglichkeiten der Bedürfniserfüllung erreicht wird, ist eine entsprechend großes Kollektiv zu bilden. Dies gilt insbesondere für auf der modernen Plattformökonomie basierende Konzepte: Attraktiv werden Plattformen, wenn man auf ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit den oft sehr individuellen Bedarf decken kann. Entsprechend benötigen sie eine sehr hohe Zahl an Anbietern und Nachfragern und einen ständigen Zustrom neuer Kunden, die auf die Plattform strömen.19) Dieses Herdenverhalten hat den unerwünschten Nebeneffekt, dass sich Oligopole oder sogar Monopolstrukturen herausbilden, da es aus Transaktionskostengründen individuell rational ist, mit Angebot oder Nachfrage zunächst immer auf der größten Plattform aktiv zu werden. Die vermeintliche Demokratisierung des Markts durch die Sharing Economy mündet an dieser Stelle in eine für die Marktwirtschaft gefährliche Ballung von Marktmacht. Auch das Bausparen beruht auf einer großen Zahl von Kunden und einem ständigen Transaktionsfluss. Dies gilt zunächst ganz allgemein, da eine Bausparkasse ein Kreditinstitut ist und deren ökonomische Funktion beruht wesentlich auf der Möglichkeit der Risikoreduktion durch die Diversifikation ihrer Anlagen.20) Eine zusätzliche Dimension erhält dieser Aspekt dadurch, dass die Bausparer ein Finanzierungskollektiv bilden. Damit besteht ein kontinuierlicher Bedarf an neuen Verträgen, deren Ansparleistung die Refinanzierung der zugeteilten Bausparkredite gewährleistet.

Öffnung für Drittanbieter und neue Produkte

Die Refinanzierung erfolgt also im Unterschied zu anderen Kreditinstituten nicht pauschal über den Kapitalmarkt und über Kundeneinlagen: Bausparkassen benötigen den Zustrom von Bausparern. Dieser Aspekt des Bausparens wird oft sehr kritisch gesehen: Handelt es sich nicht etwa um ein gefährliches Zwecksparen oder gar ein Schneeballsystem? Zumindest in Deutschland ist das Bausparen aber kulturell fest verankert und der weitere Zustrom insoweit gesichert, und das Problem lässt sich auch durch eine kontrollierte Öffnung des Finanzierungskreislaufes zum Kapitalmarkt recht gut steuern.

In vielen Bereichen der Sharing Economy öffnen die Anbieter zunehmend ihre Plattformen für Drittanbieter und für Produkte, die sich in nichts von den auf anderen Märkten aktiven Anbietern und angebotenen Produkten unterscheiden. Dadurch können die Plattformen flexibler den Bedarfen der Kunden entsprechen. Allerdings wird dadurch das Konzept der Sharing Economy infrage gestellt oder sogar zu einer bloßen Fiktion, zu einem Marketingtrick einer reinen Vertriebsplattform. Ähnlichen Problemen müssen sich auch die Bausparkassen stellen. Eine wichtige Nutzenkomponente des Bausparvertrags ist die Sicherung eines günstigen Kreditzinses schon bei Vertragsabschluss. Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank nehmen aber nur noch wenige Kunden den Bausparkredit in Anspruch, da am Markt dauerhaft noch günstigere Konditionen erhältlich sind.21) Entsprechend vergeben Bausparkassen heute überwiegend sogenannte außerkollektive Kredite. Natürlich stellt sich hier die Frage, ob damit das besondere Sharing-Modell der Bausparkassen zur Disposition steht. Der Signalwert der Ansparleistung bleibt allerdings bestehen, und die Nachfrage nach Bausparverträgen, auf die dann eingezahlt wird, ist unverändert hoch.22)

Die weitere Entwicklung des Bausparens von seinen Anfängen aus können wir heute mit dem gebührenden Abstand betrachten, während viele Auswirkungen der Koordination von Kleinanlegern über Internetplattform noch im Dunkeln liegen. Der Fall Gamestop gibt aber erste Hinweise, in welche Richtung die Reise geht.

Nach einer ersten Blüte in den zwanziger Jahren sowie den Verzerrungen und Zerstörung durch Diktatur und Krieg nahm das Bausparen bald nach der Etablierung der sozialen Marktwirtschaft einen dynamischen, teilweise vom Staat im Rahmen seiner Wohnungsbaupolitik unterstützten Aufschwung. Eine Reihe von Wettbewerbern ganz unterschiedlicher Größe konnten sich etablieren und ihre Nische finden. Aber der Wettbewerb untereinander und mit alternativen Modellen der Finanzierung von Wohneigentum gewährleistete einen ausreichenden Schutz vor Marktmacht oder Monopolstrukturen.

Ökonomischer Gehalt scheint intakt

Daneben steht die Professionalisierung des Geschäfts und die Einbindung in Finanzkonzerne undverbünde. Den Garagencharme der modernen Sharing-Industrie strahlt das Bausparen damit sicher nicht aus, aber am Ende kommt es auf den ökonomischen Gehalt an. Der scheint gegenwärtig noch intakt zu sein, auch wenn er durch die Niedrigzinspolitik sowie die Kosten intensiver Regulierung unter Druck geraten ist. Aber dieses Schicksal teilen die Bausparkassen mit den anderen traditionellen Kreditinstituten, die unter denen gegebenen Rahmenbedingungen ihre Rolle als effizientes Instrument der Kapitalallokation immer weniger ausfüllen können.

Die Hintergründe wie auch der bisherige Verlauf der Gamestop-Affäre zeichnen eine gänzliche andere Entwicklung dieser Form der Sharing Economy vor. Die Handelsplattform Robinhood ist keineswegs kostenlos, sondern lebt davon, die Handelsdaten der Kleinanleger an professionelle Investoren zu verkaufen. Sie profitierte sicher gerne von dem durch die Attacke der Kleinaktionäre und das sich daraus ergebende erhöhte Interesse und Handelsvolumen gestiegenen Wertes dieser Informationen.

Demokratisierung des Kapitalmarktes?

Als dann aber ein Short Squeeze und damit der Ruin einiger professioneller Leerverkäufer drohte, wechselte Robinhood rasch auf die Seite des Sherriffs und nahm nur noch Verkaufsaufträge an. Aus der Perspektive der Vermeidung eines Marktversagens ist dieser von der Internet-Community mit großer Empörung wahrgenommene Schritt sogar zu begrüßen. Auch so entsteht schon der Eindruck eines illegalen "Pump and Dump Schemes", dass das Vertrauen der Anleger in die Märkte dauerhaft schädigen kann. 23)

Die Gewinne aus dem ganzen Vorgang sind höchst ungleich verteilt. Einige Hedgefonds und Großinvestoren sprangen rechtzeitig auf die Welle der steigenden Preise auf. Vielen davon gelang es, ihre Gamestop-Anteile rechtzeitig vor dem folgenden Kurseinbruch zu verkaufen. Darunter waren wohl auch die drei ganz zu Anfang genannten Milliardäre,24) die für einen satten Gewinn gerne auf die Demokratisierung des Kapitalmarktes verzichteten. Ob viele Kleinanleger rechtzeitig aussteigen konnten sei dahingestellt, aber manche dürften erhebliche Verluste erlitten haben.25)

Damit ist der Gamestop-Fall eher ein Beispiel für das Versagen des Rechtsstaates gegenüber digitalen Geschäftsmodellen denn für eine die Wohlfahrt fördernde Version einer Sharing Economy: Wer über die Daten und/oder Einfluss in den sozialen Medien verfügt, kann die Märkte in seinem Sinne ausbeuten oder gar manipulieren. Das Ergebnis sind eine wachsende soziale Ungleichheit und eine Aushöhlung von Wettbewerbswirtschaft und Demokratie. Es wird Zeit, den Kampf für den Erhalt dieser wertvollen Institutionen aufzunehmen.

Fußnoten

1) Vgl. Financial Times (7. Februar 2021).

2) Vgl. Financial Times (7. Februar 2021).

3) Vgl. Belk (2010).

4) Weitere Voraussetzung für eine wirtschaftlich erfolgreiche Umsetzung von Sharing-Konzepten sind, ganz unabhängig von der Digitalisierung, klar definierte Eigentumsrechte und ein hoher Grad an Durchsetzbarkeit vertraglicher Vereinbarungen.

5) Vgl. Botsman/Rogers (2010).

6) Vgl. Puschmann/Alt (2016).

7) Vgl. Qiao/Chen/Xia (2018).

8) Bei diesen Vorhaben können wir auch auf Unterstützung durch die deutschen Bausparunternehmen und ihrer Verbände bauen, wofür wir sehr dankbar sind.

9) Vgl. Kirsch/ Burghof (2018).

10) Vgl. Burghof/ Schairer (2017).

11) Vgl. Molterer (2019) und Molterer/Amon/Tyrell (2017).

12) Vgl. Braun/Burghof/Gehrung/Schmidt (2021). Das vollständige Working Paper finden Sie unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3742623.

13) Dabei gibt es allerdings wohl auch Gesellschaften, in denen das Schenken eine zentrale Rolle bei der Herstellung eines gesellschaftlichen Ausgleichs und dem Aufbau von Reputation darstellt. Man denke hier nur an die Potlatch-Feste der Bewohner der nordamerikanischen Pazifikküste.

14) Vgl. Frenken/Schor (2017).

15) Vgl. Kirsch/ Burghof (2018) und Burghof/ Schairer (2017).

16) Vgl. Cieleback (2002).

17) Vgl. Puschmann/Alt (2016).

18) Der Zeitpunkt einer möglichen Zuteilung des Kredits, früher einmal ein wichtiger Unsicherheitsfaktor für den Kunden, wurde durch die Bildung entsprechender Puffer bei den Bausparkassen kalkulierbar.

19) Vgl. Qiao/Chen/Xia (2018).

20) Vgl. Diamond (1984).

21) Daran anknüpfend kann sich ein Problem einer adversen Selektion ergeben: Wer den Bausparkredit in Anspruch nimmt, signalisiert damit möglicherweise, dass er am Markt aus Bonitätsgründen keinen Kredit erhalten würde. Die Bausparkasse hat dagegen mit Blick auf ihr Geschäftsmodell ein besonderes Interesse daran, Bausparkredite zu vergeben, und könnte daher über Bonitätsmängel eher hinwegsehen.

22) Beispielsweise die LBS West verzeichnet 2020 6 Mrd. Euro Bausparneugeschäft: https://www.lbs.de/presse/p/presseinformationen/details_15967553.jsp.

23) Vgl. Financial Times (8. Februar 2021).

24) Vgl. Financial Times (5. Februar 2021).

25) Vgl. Financial Times (8. Februar 2021).

Literaturverzeichnis

Belk, R. (2010). Sharing. Journal of Consumer Research, 36(5), 715-734.

Botsman, R., & Rogers, R. (2010). What's mine is yours. The rise of collaborative consumption.

Braun, J., Burghof, H. P., Gehrung, M., & Schmidt, D. (2020). Contractual Saving for Housing as Early Financial Development and its Clients in Weimar Germany. SSRN Working Paper.

Burghof, H.-P., & Schairer, M. (2017). Loan Performance of Contractual Savings for Housing. SSRN Working Paper.

Cieleback, M. (2002). Optionsaspekte der Zinssicherung durch Bauspardarlehen und ihre Implikationen für die Wohneigentumsfinanzierung, Schriften zur Immobilienökonomie: Köln.

Diamond, D. W. (1984). Financial Intermediation and delegated monitoring. The Review of Economic Studies, 51 (3), 393-414.

Financial Times (5. Februar 2021). "Moment of weakness": Amateur investors left counting GameStop losses, https://www.ft.com/content/04e6c524-389b-47fc-afaa-eb52c1e76048.

Financial Times (7. Februar 2021). The biggest lesson of GameStop, https://www.ft.com/content/ca94c275-43aa-4d12-a0ff-868f2760c8b5.

Financial Times (8. Februar 2021). Is a new era of retail trading emerging after GameStop saga?, https://www.ft.com/content/af74599a-2344-4a51-ac32-c299930-bcdda.

Frenken, K., & Schor, J. (2019). Putting the sharing economy into perspective, in A research agenda for sustainable consumption governance, Edward Elgar Publishing.

Kirsch, S., & Burghof, H. P. (2018). The efficiency of savingslinked relationship lending for housing finance. Journal of Housing Economics, 42, 55-68. Molterer, M. (2019). Tougher than the rest? The resilience of specialized financial intermediation to macroeconomic shocks. The Quarterly Review of Economics and Finance.

Molterer, M., Amon, J. & Tyrell, M. (2017), Specialized Financial Intermediaries and the Impact of Savings and Loan Contracts on Real Estate Finance. SSRN Working Paper.

Puschmann, T., & Alt, R. (2016). Sharing economy. Business & Information Systems Engineering, 58(1), 93-99.

Qiao, H., Chen, M., & Xia, Y. (2018). The effects of the sharing economy: How does internet finance influence commercial bank risk preferences?. Emerging Markets Finance and Trade, 54(13), 3013-3029.

DER AUTOR PROF. DR. HANS-PETER BURGHOF, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Universität Hohenheim, Stuttgart
DER AUTOR MARCEL GEHRUNG, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Universität Hohenheim, Stuttgart
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof , Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen , Universität Hohenheim, Stuttgart
Marcel Gehrung , Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen , Universität Hohenheim, Stuttgart

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