Private Wohnungsbaufinanzierung

Bezahlbarer Wohnraum ist möglich und machbar

Beispiel Hamburg, Sinstorfer Höhe

Allerorten steigen die Preise für Wohnraum. Deutsche Finanzinstitute haben im Jahr 2015 insgesamt 1,23 Billionen Euro an Baukrediten vergeben - so viel wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Und der Bedarf an bezahlbaren vier Wänden wächst. Ein wichtiger Grund dafür ist laut den Autoren der Zuwachs an sogenannten Schwellenhaushalten, die nicht in den Genuss des preisgebundenen Wohnungsbaus kommen. Von der Politik verlangen sie mehr Unterstützung. Steuerliche Erleichterungen und die Ausweisung von mehr Baugrundstücken steht ganz weit oben auf der Forderungsliste. Gewisse Zugeständnisse seien angesichts des angespannten Marktumfelds notwendig, wenn Wohnraum im urbanen Umfeld weiterhin bezahlbar bleiben soll. Einheitliche, vorgefertigte Bauteile, offene Küchen oder Zwischenwände könnten hier Verbesserungen bringen. Red.

Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist größer denn je. Insbesondere in den Ballungszentren steigt die Zahl der Haushalte und damit der Bedarf an Wohnungen. Der befürchtete Bevölkerungsschwund, von dem lange Jahre die Rede war, ist bisher nicht eingetreten. Vielmehr wächst die Bevölkerung. Schätzungen zufolge wird Deutschland im Jahr 2020 über 83 Millionen Einwohner zählen.

Auch das Interesse von Investoren am deutschen Immobilienmarkt nimmt zu. Zahlreiche institutionelle Anleger - auch ausländische - wollen ebenso von der Dynamik des deutschen Immobilienmarktes profitieren wie von der Rechtssicherheit, die den Ruf Deutschlands weltweit prägt. An Attraktivität gewinnen die Immobilienmärkte insbesondere auch dadurch, dass angesichts der internationalen Niedrigzinspolitik Anlagealternativen fehlen und zahlreiche, vor allem kleinere Institute den weiter steigenden Investitionsdruck zu spüren bekommen.

Beide Entwicklungen haben konkrete Auswirkungen auf die Wohnungskosten in deutschen Ballungsgebieten. So sind beispielsweise die durchschnittlichen Quadratmeterpreise für eine Neubauwohnung mit einer Größe von 100 Quadratmetern in München zwischen 2011 und 2015 um 40 Prozent auf 5 975 Euro gestiegen, in Berlin gar um 60 Prozent auf derzeit 3 870 Euro. Dabei macht der hochpreisige Wohnungsmarkt nur einen kleinen Prozentteil der deutschen Immobilienwirtschaft aus. Von einer Immobilienblase, wie sie manche Marktbeobachter erkennen wollen, kann also kaum die Rede sein. Weitaus wichtiger nämlich als Luxusimmobilien ist das Segment des bezahlbaren Wohnraums - und das wird auch in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach so bleiben.

Eine Million Wohnungen fehlen bis 2030

In Deutschland herrscht derzeit ein gesundes Vertrauensverhältnis zwischen der Immobilienwirtschaft und den Banken. Deutsche Finanzinstitute haben im Jahr 2015 insgesamt 1,23 Billionen Euro an Baukrediten vergeben - so viel wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Und mit 3,5 Prozent war die Zuwachsrate so groß wie in den drei vorherigen Jahren zusammengenommen. Dennoch ist der deutsche Immobilienmarkt weit von Sättigungserscheinungen entfernt. So wurden im vergangenen Jahr 250 000 Wohnungen in Deutschland gebaut. Das sind mindestens 150 000 weniger als notwendig - pro Jahr. Nach konservativen Schätzungen werden bis zum Jahr 2030 über eine Million Wohnungen fehlen. Wahrscheinlich sind es deutlich mehr. Überdies kommt eine aktuelle Studie der Universität Freiburg zu dem Ergebnis, dass der Wohnflächenbedarf in Deutschland bis zum Jahr 2060 nicht mehr unter das Niveau von 2016 fallen wird.

Ein weiterer Grund für den wachsenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist der Zuwachs an sogenannten Schwellenhaushalten, die nicht in den Genuss des preisgebundenen Wohnungsbaus kommen. Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes benötigen diese Zielgruppen kluge und zugleich bezahlbare Wohnungen: sei es zur Miete, sei es zur Eigentumsbildung - ein Bereich, in dem Deutschland noch viel nachzuholen hat.

Die Eigentumsquote ist in Deutschland mit 52 Prozent die zweitniedrigste in Europa. Dabei hat Wohneigentum große gesellschaftspolitische Relevanz. Es festigt das Gemeinwesen und stärkt das Verantwortungsbewusstsein des einzelnen. Wer Eigentum hat, denkt langfristig. In Zeiten einer drohenden Rentenlücke spiegelt es daher die gesellschaftliche Verantwortung der Immobilienwirtschaft, wenn sie als Zielgruppe junge Menschen identifiziert und diese darin bestärkt, in eine eigene Immobilie zu investieren und so zur kapitalgedeckten Altersvorsorge beizutragen.

Mit Blick auf die Zielgruppen bezahlbaren Wohnraums ist Berlin beispielhaft. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen der Berliner ist laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr um gut zwei Prozent auf 3 074 Euro gestiegen. Vollzeitbeschäftigte verdienten im Schnitt sogar 3 848 Euro, ein Plus von über vier Prozent. Auch die Zahl der Beschäftigten wächst. In den vergangenen zwölf Monaten sind in Berlin über 56 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen worden. Mit einem Plus von 4,4 Prozent übertrifft das Berliner Jobwachstum damit alle anderen Bundesländer und ist doppelt so stark wie der Bundesdurchschnitt.

Jedes Jahr wächst Berlin überdies um zirka 40000 Neubürger. Die Zielgruppe der Durchschnittsverdiener fällt in der Regel aus dem preisgebundenen Wohnungsbau heraus, sucht aber weiterhin Wohnungen in den bezahlbaren und mittleren Segmenten - und Wohnraum, der diese Nachfrage bedienen kann, gibt es in Berlin nach wie vor. So sind Quadratmeterpreise von 2350 Euro in Berlin weiterhin möglich und stellen sowohl die Immobilienwirtschaft als auch Kundenwünsche zufrieden.

Berlin als Beispiel für günstiges Wohnen

Um auch weiterhin die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnen befriedigen zu können, benötigt die Immobilienwirtschaft jedoch die Unterstützung der Politik. Die Einführung der sogenannten Mietpreisbremse und deren geplante Verschärfung durch eine im Juni vorgestellte Bundesratsinitiative haben bereits zahlreiche Investoren abgeschreckt. Wer bezahlbaren Wohnraum auch in Zukunft haben möchte, muss Anreize für den Wohnungsneubau schaffen.

Abgesehen von steuerlichen Erleichterungen ist es daher vor allem wichtig, dass mehr Baugrundstücke zur Verfügung gestellt werden. Derzeit aber werden zu wenige Baugrundstücke zugewiesen und die bürokratischen Hürden im Genehmigungs- und Umwidmungsverfahren sind in der Regel sehr hoch. In der Folge hat die Zahl der Grundstückspekulationen in den Ballungsgebieten deutlich zugenommen, was Immobilienentwickler vor große Herausforderungen stellt.

Manche Grundstückskäufer bezwecken gar nicht zu bauen, sondern hoffen auf das schnelle Geld und verkaufen die erworbenen Grundstücke nach einer gewissen Wartezeit gewinnbringend weiter - sehr zum Nachteil des bezahlbaren Wohnraums.

Offene Wohnküchen und Zwischenwände

Um bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können, der auch angenommen wird, muss die Immobilienwirtschaft zeitgemäße Flächenkonzepte entwickeln. Vor allem junge Familien benötigen bezahlbare neue Wohnraumkonzepte bei gleichbleibendem Wohnkomfort. In gefragten urbanen Lagen etwa können die Wohnungsgrößen je nach Zielgruppe so optimiert werden, dass Vierzimmmerwohnungen mit 80 Quadratmetern die gleiche Wohnqualität bieten wie ehemals 120 Quadratmeter. Praktische Wohnungsschnitte mit hinreichend Abstellraum in Zwischenwänden sind eine Möglichkeit, platzsparend zu bauen. Ebenso passt sich die Bauweise den modernen Wohn- und Lebensvorstellungen an, etwa bei der Planung von offenen Wohnküchen.

Systembauweise rückt noch stärker in den Mittelpunkt

Solche Wohnkonzepte tragen überdies den steigenden Energie- und Grundstückskosten Rechnung, worauf immer mehr Menschen auf der Suche nach einer Wohnung Wert legen. Letztlich haben sich zwei neue Zielgruppen etabliert, deren Nachfrage nach kleinem, stadtnahen Wohnraum es zu berücksichtigen gilt. Denn die wachsende Nutzergruppe von Singles und Älteren wünscht sich sowohl urbane Wohnatmosphäre als auch die Möglichkeit, sich ins Private zurückziehen zu können.

Schaut man auf die großen Immobilienentwickler, so machen sich drei Erfolgsfaktoren bemerkbar: Vereinheitlichung der Prozesse, Systembauweisen und Markterfahrung. Auf dem Immobilienmarkt sind deswegen vor allem diejenigen Investoren erfolgreich und zählen zu den aktivsten Projektentwicklern im Wohnsegment in Deutschland, die von der Planung über den Bau bis hin zum Marketing und der Verwaltung das gesamte Spektrum des Wohnungsbaus anbieten.

Bezahlbarer Wohnraum hängt sehr von der Optimierung der Entwicklungsprozesse ab. Ohne effiziente Planung sind qualitativ hochwertige und doch bezahlbare Wohnungen angesichts gestiegener Grundstückspreise und der strengen gesetzlichen Vorgaben nicht möglich.

Von Vorteil ist es daher, wenn Entwickler die gesamte Wertschöpfungskette abdecken können, denn das erlaubt die Durchdringung, Abstimmung und Verbesserung aller Prozesse. Durch standardisierte Systembauweisen zahlen sich beim Einkauf und bei der Bauausführung zudem Wiederholungseffekte aus. Die Philosophie der Systembauweise wird daher in Zukunft noch weiter in den Mittelpunkt des bezahlbaren Wohnraums rücken.

Was in anderen Industriezweigen, etwa der Automobilindustrie, seit Jahrzehnten Alltag ist, wird sich auch in der deutschen Immobilienwirtschaft durchsetzen. Einheitliche, vorgefertigte Baustücke können heute effektiv und effizient vorgefertigt werden, ehe sie verbaut werden, ohne dass die so errichteten Wohnhäuser Einbußen an Individualität und Charakter erleiden müssen.

"Nobody is Perfect"

Schließlich ist der sogenannte "Nobody's Perfect Plot" für Entwickler wie Kunden maßgeblich. Gewisse Zugeständnisse sind angesichts des angespannten Marktumfelds notwendig, sofern Wohnraum im urbanen Umfeld weiterhin bezahlbar bleiben soll. Dabei können Grundstücke mit kleineren Schönheitsfehlern bei attraktiver Bebauung nicht nur Kunden überzeugen, sondern auch den gesamten benachbarten Kiez mit aufwerten, wovon im Ergebnis alle Beteiligten profitieren.

Die Autoren

Nils Olov Boback Vorsitzender der Geschäftsführung Andreas Fohrenkamm Geschäftsführer, beide Bonava Deutschland GmbH, Fürstenwalde

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