PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

COVID-19 UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE IMMOBILIENBRANCHE

Sabine Barthauer, Mitglied des Vorstands, Quelle: Deutsche Hypothekenbank

Transaktionen und Mietabschlüsse werden aufgeschoben oder kommen gar nicht erst zustande, Mietmoratorien stellen Vermieter vor Liquiditätsprobleme und Projektentwickler droht der wichtige Zugang zu Fremdkapital zu versiegen, auch weil die Immobilienfinanzierer vorerst weniger mit Neugeschäft, als vielmehr mit der Analyse des bestehenden Kreditbuchs beschäftigt sind. Keine Frage: Die Corona-Krise stellt selbst die in den vergangenen Jahren so erfolgsverwöhnte Immobilienwirtschaft vor enorme Herausforderungen. Wie eines der traditionsreichsten Institute durch diese bewegten Zeiten navigiert, erörtert die Autorin des vorliegenden Beitrags. Darüber hinaus geht sie auf die aktuellen Entwicklungen am Refinanzierungsmarkt ein. Red.

Die Immobilienwirtschaft hat in den letzten Jahren von sehr guten Rahmenbedingungen profitiert: Die deutsche Wirtschaft entwickelte sich äußerst positiv - im Jahr 2019 verzeichnete sie das zehnte Jahr in Folge Wachstum. Das seit Jahren bestehende Niedrigzinsumfeld in Europa und die damit verbundene hohe Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Immobilienanlagen hat die Transaktionsvolumina insbesondere auch in Deutschland wachsen lassen.

Guter Start bei positiver Ausgangssituation

So stellte das vergangene Jahr mit einem Umsatz von rund 70 Milliarden Euro im Bereich der deutschen Gewerbeimmobilien erneut ein Rekordjahr dar. Die Deutsche Hypo hat sich trotz des weiterhin sehr starken Wettbewerbs unter den Finanzdienstleistern in diesem Umfeld sehr gut behauptet. Mit einem Neugeschäftsvolumen von über drei Milliarden Euro konnten im Vergleich zum Vorjahr erneut eine leichte Steigerung erzielt werden. Der Start in das Jahr 2020 mit einer gut gefüllten Pipeline war ebenfalls vielversprechend.

Mit dem Ausbruch des Corona-Virus und der raschen Ausbreitung rund um den Globus waren harte Einschnitte zur Eindämmung der Infektionsketten unumgänglich. Dies hat nicht nur gesellschaftliche Konsequenzen, sondern auch weltweit wirtschaftliche Folgen, die wir inzwischen deutlich an vielen makroökonomischen Faktoren ablesen können. Zum aktuellen Stand ist das Ausmaß der Auswirkungen noch nicht vollumfänglich abschätzbar - allerdings zeigt sich schon jetzt, dass alle Branchen von den Folgen der Pandemie betroffen sind.

Insbesondere die temporäre Schließung von Hotels und Restaurants sowie im Einzelhandel stellt die Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Ein Großteil der Unternehmen hält nur für wenige Wochen Reserven vor, was dazu führt, dass das Insolvenzrisiko bei vielen Unternehmen deutlich erhöht ist. Mehr als 80 Prozent aller Firmen erwarten laut einer Umfrage der DIHK einen Umsatzrückgang. Um Entlassungen zu verhindern, wurden zahlreiche Anträge auf Kurzarbeit gestellt. Im April wurden 7,5 Millionen Beschäftigte von ihren Arbeitgebern als potenziell von Kurzarbeit Betroffene gemeldet - in den Rekordmonaten der Finanzkrise 2008/09 waren es gerade mal ein Zehntel des Wertes.

Insgesamt ist eine Verschärfung der Stimmungseintrübung bei Unternehmen und Verbrauchern wahrnehmbar. An den Kapitalmärkten waren zeitweise starke Aktienkursrückgänge bei höheren Volatilitäten zu beobachten. Ökonomen in der ganzen Welt gehen mittlerweile davon aus, dass es im laufenden Jahr zu einer Rezession von globalem Ausmaß kommen wird. Die Bundesregierung in Deutschland rechnet mit der schwersten Rezession seit der Nachkriegszeit und mit einem Rückgang des BIP um 6,3 Prozent.

Auch die Arbeitgeber sehen sich durch die neue Situation mit Herausforderungen konfrontiert, die in diesem Ausmaß und dieser Form noch nie aufgetreten sind. Auf der einen Seite muss der Arbeitsschutz gewährleistet werden, um die Mitarbeitenden nicht zu gefährden. Auf der anderen Seite muss zeitgleich die Fortführung des Geschäftsbetriebs sichergestellt werden. Insbesondere die Aufrechterhaltung der kritischen Prozesse ist von hoher Relevanz.

Neue Herausforderungen für Arbeitgeber aller Branchen

Um beide Aspekte zu berücksichtigen, haben wir in der Deutschen Hypo schnell auf die Ausbreitung des Virus in Deutschland reagiert und sind in eine Split-Organisation übergegangen. Im Rahmen dessen wurde die gesamte Organisation in allen Ebenen in zwei Gruppen aufgeteilt, die alle zwei Wochen vom Büro ins Homeoffice und vice versa wechseln. Innerhalb weniger Wochen haben wir als Haus dabei eine enorme Lernkurve bezüglich technischer Ausrüstungen, Anwendungen und Kollaboration in einer virtuellen Welt absolviert. Getragen von einem hohen Einsatz unserer Mitarbeitenden, unterstützt durch eine zielgerichtete Kommunikation und Koordination eines interdisziplinären Lageteams, konnten alle Prozesse ohne Unterbrechung aufrechterhalten werden.

Da sich die Lage in Deutschland inzwischen stabilisiert und erste Lockerungen greifen, bereiten wir uns derzeit auf den Rollback in mehreren Phasen vor. Hierbei werden besonderes Augenmerk auf den Arbeitsschutz und die weitere Entwicklung der Infektionszahlen gelegt. Darüber hinaus wollen wir die hinzugewonnen Erfahrungen in die Gestaltung der künftigen Zusammenarbeit, zum Beispiel mobiles Arbeiten, Nutzung von virtuellen Konferenzsystemen et cetera, einfließen lassen. Ein ähnlicher Ansatz über Branchen hinweg in vielen Unternehmen zu beobachten. Man kann schon jetzt konstatieren, dass die Krise im Hinblick auf die Digitalisierung eine deutliche Katalysator-Wirkung entfaltet hat.

Die Deutsche Hypo zählt mit ihrer fast 150-jährigen Geschichte zu den traditionsreichsten Pfandbriefbanken in Deutschland. Das wesentliche Geschäftsfeld liegt in der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Dieser Bereich muss sich - wie viele andere auch - auf durch die Corona-Pandemie ausgelöste, neue Rahmenbedingungen einstellen. Der konjunkturelle Einbruch hat nicht nur auf der Angebotsseite, sondern auch auf der Nachfrageseite Auswirkungen.

Die Unsicherheit im Hinblick auf mittelbare und unmittelbare Auswirkungen sind bereits spürbar: Mietvertragsabschlüsse werden teilweise verschoben, Transaktionen werden hinsichtlich ihrer Rahmenparameter überprüft oder kommen nicht mehr zum Tragen. Investoren bewerten die projektimmanenten Risiken neu, was zu Preisanpassungen führen kann. Das Ausmaß dieser Adjustierungen wird von der weiteren konjunkturellen Entwicklung, der spezifischen Situation einzelner regionaler Teilmärkte und der Qualität der Immobilie abhängen. Insbesondere im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes und des Einzelhandels, wo bereits vor der Corona-Krise strukturelle Probleme bestanden, geht der Markt von Korrekturen aus.

Logistik profitiert, Bürosektor vor Veränderungen

Ganz anders verhält es sich in der Logistikbranche: Zum einen besteht aufgrund der stark gestiegenen Onlinekäufe hohe Nachfrage nach Lagerbedarf. Zum anderen wird aufgrund der in der Diskussion befindlichen Veränderung der Zulieferketten der Produktionsunternehmen ein Mehrbedarf an Lagerflächen prognostiziert. Bei den Büroimmobilien und im Wohnungsmarkt ist die Situation noch weitestgehend stabil - doch auch hier wird damit gerechnet, dass die Pandemie ihre Spuren hinterlassen wird. Das gilt vor allem für Büroimmobilien, denn durch die Corona-Pandemie wurde das Thema Homeoffice wieder stärker in den Vordergrund gerückt. Teilweise wird aufgrund der positiven Erfahrungen der Unternehmen sogar von einem Strukturwandel ausgegangen. Die Auswirkungen auf Mietpreise und Renditen in diesem Segment können vor diesem Hintergrund sehr unterschiedlich ausfallen.

In Europa sind die Länder sehr unterschiedlich von der Pandemie betroffen und gestalten ihre Regelungen und Maßnahmen individuell. Während beispielsweise in Ländern wie Deutschland und den Niederlanden auf den Baustellen weiter gearbeitet wird, ist in Frankreich und Großbritannien der Baubetrieb vorübergehend ganz eingestellt worden. Die konjunkturellen Entwicklungen der Volkswirtschaften werden je nach Dauer des Lockdowns und der jeweiligen strukturellen Resilienz unterschiedlich verlaufen. Somit ist erstmalig seit vielen Jahren eine in Teilen divergierende Entwicklung auf den europäischen Immobilienmärkten zu erwarten.

Einbehaltene Emissionen als notenbankfähige Sicherheiten

Selbstverständlich bleibt auch der Kapitalmarkt nicht von der Corona-Krise verschont. Aktuell lässt sich in Deutschland und anderen Ländern Europas zwar ein hohes Emissionsvolumen an Covered Bonds beobachten, bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass dieses nicht - wie in Normalzeiten üblich - über öffentliche Angebote an den Markt gelangt. Vieles deutet darauf hin, dass Banken ihre Emissionen einbehalten.

Wirft man einen genaueren Blick auf den deutschen Kapitalmarkt, so wird deutlich, dass für März 2020 ein außergewöhnlich hohes Emissionsaufkommen gemessen werden konnte. Wie ein Research Paper der Nord-LB ("Covered Bond & SSA View" 14/2020) aufzeigt, wurden im laufenden Jahr bisher Covered Bonds im Gesamtwert von 11,4 Milliarden Euro am Markt platziert. Demgegenüber stehen 9,25 Milliarden Euro an "retained" - sprich einbehaltenen - Covered Bonds allein für den Monat März.

Diese Entwicklung lässt darauf schließen, dass eine Vielzahl an Banken ihre Pfandbriefe zu Refinanzierungszwecken direkt bei der EZB einreicht: Sie emittieren retained Covered Bonds und hinterlegen sie bei der EZB als Sicherheiten. Dieses Vorgehen erfordert zwar spezielle institutionelle Voraussetzungen, im Euroraum sind jene jedoch spätestens seit der Finanzkrise 2008 weitestgehend gegeben: Seitdem gilt der "ownuse"-Einsatz als solide Grundlage für den Zugang zu Funding über die Notenbanken.

Unschlagbare Konditionen

Aufgrund des gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäftes (TLTRO-III) der EZB ist dieses Vorgehen für die Banken auch ein durchaus lukrativer Schritt: Getrieben von Unsicherheiten auf dem Markt verlangen Investoren für Covered Bonds aktuell verhältnismäßig hohe Spreads. Das direkte Einreichen der Pfandbriefe bei der EZB stellt für die Banken somit eine kostengünstigere Alternative dar, um ihre Liquidität zu wahren.

Außerdem vermeiden Emittenten dadurch ein gewisses Exekutionsrisiko einer öffentlichen Transaktion in schwierigen Zeiten. Zudem bietet die EZB Laufzeiten von drei Jahren für alle TLTRO-III-Geschäfte. Angesichts der besonderen Umstände hat die EZB darüber hinaus zum 30. April die TLTRO-III-Konditionen weiter gesenkt: Der mögliche Zinssatz für den Zeitraum von Juni 2020 bis Juni 2021 wurde um weitere 25 Basispunkte reduziert. Insgesamt wurde der Zinssatz somit auf 50 Basispunkte unter den durchschnittlichen Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems im gleichen Zeitraum gesenkt - eine spürbare Entlastung für den Kapitalmarkt. Hinzu kommt, dass der TLTRO-III im September 2021 durch die Banken kündbar ist. Eine Chance, den Markt zu diesem Zeitpunkt neu zu bewerten und über den ökonomisch günstigsten Weg der Refinanzierung zu entscheiden.

In den kommenden Wochen und Monaten werden wir speziell in der Eurozone den Einfluss von retained Covered Bonds auf das Euro-Benchmark-Emissionsvolumen weiterhin beobachten können - das Potenzial ist jedenfalls groß. So ist es denkbar, dass die Banken verstärkt Rückgriff auf die anstehenden TLTRO-III-Tender nehmen und im Zuge der erforderlichen Sicherheitenstellung auch weiterhin vermehrt "own use"-Covered Bonds hinterlegen werden - besonders, wenn die Konditionen der EZB weiterhin so attraktiv bleiben.

Krise bewirkt Fortschritt und Innovation

Die Corona-Pandemie hat die gesamte Welt unvorbereitet getroffen und bereits in nahezu allen Lebensbereichen Spuren hinterlassen. Um Bürger, Arbeitsplätze und Unternehmen zu unterstützen, hat die Bundesregierung Maßnahmenpakete von historischem Ausmaß beschlossen. Wie stark die Folgen der Pandemie sein werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend bewertet werden. Jetzt kommt es vor allem auf die Wirkung der Hilfsprogramme an. Auch die Dauer und Intensität der Pandemie werden einen Einfluss auf die tatsächlichen ökonomischen Auswirkungen haben.

Der Druck, der auf Wirtschaftsunternehmen in einer Krise lastet, bewirkt aber auch Fortschritt und Innovation. In der Zukunft werden sich folglich die Unternehmen erfolgreich am Markt positionieren können, die ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle den nachhaltig veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Die Welt nach Corona wird eine andere sein - wir werden sie als Immobilienbank aktiv mit gestalten.

DIE AUTORIN SABINE BARTHAUER Mitglied des Vorstands, Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), Hannover
Sabine Barthauer , Mitglied des Vorstands , Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), Hannover und designiertes Mitglied des Vorstands bei der DZ Hyp
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