I&F-Aktuell

COVID-19 UND DIE FOLGEN FÜR DIE IMMOBILIENWIRTSCHAFT

Foto: Adobe Stock_Smileus

"Gerade in dieser Zeit ist erkennbar, wie schnell manches möglich ist"

Die Immobilienbewertung ist der Prozess einer marktkonformen Erkennung und Einordnung von Eindrücken, Informationen und Daten, eine Simulation des Marktgeschehens und die schlüssige Dokumentation der Wertfindung in einem Gutachten. Die Besichtigung des Bewertungsobjektes ist zentraler Bestandteil und Ausgangspunkt jeder Immobilienbewertung; erst sie liefert dem Gutachter die wertrelevanten Eindrücke und Wahrnehmungen von Objekt und Standort.

Zur Erfüllung der vertraglichen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben sowie in Übereinstimmung mit den fachlichen Vorgaben von Sachverständigenorganisationen für eine ordnungsgemäße Bewertung wäre eine Ortsbesichtigung eigentlich erforderlich. Diese kann jedoch aufgrund der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Reise- und Zugangsbeschränkungen sowie der gesundheitlichen Risiken für alle Beteiligten einer Besichtigung in der gegenwärtigen Situation nicht vollständig oder gar nicht durchgeführt werden. Und hier liegt die größte Einschränkung in der Tätigkeit der Sachverständigen.

Die BaFin hat in diesen Fällen für Beleihungswertgutachten bereits Abschläge auf den Beleihungswertvorschlag von bis zu 20 Prozent, je nach Objektart und nach Besichtigungsmöglichkeiten, vorgegeben. Für die weiteren regulierten Immobilienprodukte sind die Sachverständigenverbände in engem Kontakt mit der Behörde, um eine einheitliche Vorgehensweise für die Marktwertgutachten in dieser besonderen Situation abzustimmen.

Unser Unternehmen profitiert durch eine breit angelegte Auftragsstruktur. So sind zum Beispiel zwischenjährliche Bewertungen ohne erforderliche Besichtigung durchführbar. Durch fundierte und breite Kenntnisse des Marktes können wir unseren Auftraggebern bei vielen aufkommenden Fragen zur Seite stehen. Unser Engagement in den maßgeblichen Verbänden wie dem Bundesverband der Immobilieninvestmentsachverständigen (BIIS e.V.), dem Zentralen Immobilienausschuss (ZIA) und der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif e.V.) gibt uns die Möglichkeit, Lösungen mitzugestalten und direkt umzusetzen.

Wir engagieren uns stark im Bereich der Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft und haben uns an einem Start-up-Unternehmen beteiligt. Gerade in dieser Zeit ist erkennbar, wie Digitalität in den Arbeitsprozessen erforderlich ist und wie schnell manches möglich ist: digitale Meetings, Besprechungen. Auch Video-Live-Übertragungen aus einem Bewertungsobjekt als möglicher vorübergehender Ersatz einer höchstpersönlichen Besichtigung? Dies ist von unseren Auftraggebern nicht gewünscht und kann nur als Ausnahme angesehen werden.

Wir beobachten den Immobilienmarkt intensiv und analysieren täglich die möglichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, regional wie sektoral und mit dem Blick auf die Gesamtwirtschaft. Wir sind zuversichtlich, dass wir diese besondere Zeit mit viel Fleiß, Konzentration, Kreativität und Engagement gut bewältigen werden und hoffen das auch für alle unsere Geschäftsfreunde und -partner.

DIE AUTORIN BRIGITTE ADAM Geschäftsführende Gesellschafterin, ENA EXPERTS GmbH & Co. KG, Mainz

"Der Immobilienprofi schlägt wieder den Finanzhai"

Der Covid-19-Virus führt zu massiven volkswirtschaftlichen Schäden. Gleiches gilt für den Immobilienmarkt: Der Einzelhandelsmarkt ist temporär zum Erliegen gekommen. Hiervon werden sich zum Beispiel die auf hohe Umschlagquoten angewiesenen Mode- und Beautyindustrien nur schwer erholen. Gleiches gilt für den Hotelmarkt. In beiden Assetklassen ist von Mietausfällen, Pachtreduktionen, sinkenden Transaktionsvolumina und höheren Risikoprämien auszugehen.

Auch Anmietungsentscheidungen von Büroflächen sind größtenteils zunächst auf Eis gelegt. In diesem Segment wird es ein Umdenken geben: Der Bedarf an Büroflächen wird sich unter anderem aufgrund der höheren Akzeptanz von Homeoffice-Lösungen und digitalen Meetings nachhaltig verändern. Auf dem Investmentmarkt führt dies bereits zu erkennbar verlängerten Investmententscheidungen und Portfolio-Neubewertungen. Aktuell ist auch davon auszugehen, dass sich gewerbliche und wohnwirtschaftliche Neubautätigkeiten in der mittelbaren Zukunft deutlich reduzieren.

Dennoch bietet die Krise auch Chancen: In den letzten Jahren war sehr viel und sehr günstiges Kapital verfügbar. Der Anlagedruck war so hoch, dass aus Anlagespezialisten vermehrt Generalisten wurden. In Büroportfolios wurden zusätzlich Betreiberimmobilien wie Hotels aufgrund der vermeintlichen Sicherheit durch langfristige Mietverträge integriert. Einzelhandelsspezialisten wichen aufgrund von Produktknappheit und Druck auf den stationären Handel auch auf Officeprodukte aus. Überspitzt gesagt: Jedes Produkt wurde durch jeden geprüft, wodurch Prüfprozesse immer oberflächiger und Renditen immer schmaler wurden. Gekauft hat oft derjenige mit der geringsten Renditeerwartung.

Das ändert wird sich nun wieder! Denn wie schon nach der Finanzkrise 2007 bis 2009 werden Banken die Nachhaltigkeit und Qualität einer Investition, aber auch die des dazugehörigen Käufers, wieder genauer prüfen. Es wird verstärkt auf die tatsächliche Immobilienexpertise ankommen. Deshalb schlägt der Immobilienprofi in der Zeit nach Corona wieder den Finanzierungshai. Das war zuletzt oftmals andersrum. Das richtige Produkt in den Händen des Immobilienspezialisten - das kann nur positiv sein. Der Markt wird bereinigt und langfristig nachhaltiger.

Von Bauträgern im Eigentumswohnungssegment ist aktuell zu hören, dass viele Wohnungsreservierungen zurückgezogen werden. Dabei handelt es sich oftmals um Kaufinteressenten, die eine Wohnung hochfinanziert als Kapitalanlage erwerben wollten. Nun besteht die Sorge, die Wohnung nicht mehr zu Spitzenmieten vermieten zu können. Hinzu kommen persönliche Unsicherheiten. Das führt dazu, dass die Eigentumswohnung wieder weniger als Spekulationsobjekt dient. Die Folge ist eine gesunde Kauf- und Mietpreisregulierung am Markt. Nicht unbedingt in Form massiver Kaufpreisreduzierungen, jedoch ist der Wettbewerb für den Endverbraucher wieder fairer. Zudem orientieren sich Bauträger wieder stärker an den Bedürfnissen der Kunden. Und: Der Deutsche lernt sein Zuhause neu schätzen. Mittelfristig könnte sich ein Trend weg von Mikroapartments hin zu mehr Wohnraum entwickeln.

Die genannten Entwicklungen zeigen, dass sich der Immobilienmarkt und die Anforderungen von Nutzern, Investoren, Eigentümern, Projektentwicklern et cetera rasant verändern. Für unser Haus bedeutet das deshalb nicht weniger, sondern mehr Arbeit: Durch die aktuelle Situation werden Transaktionsentscheidungen sorgfältiger getroffen und verstärkt Immobiliendienstleister zur realistischen Objekteinschätzung und -bewertung herangezogen. Im Bürosegment sind zwar zahlreiche Expansionsgesuche zurückgestellt, dafür benötigen Nutzer andere, teilweise kleinere, günstigere Flächen. Und für leerstehende Ladenlokale braucht es neue Konzepte. All diese Aufgaben löst unser Haus interdisziplinär, also teamübergreifend, und in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden professionell und partnerschaftlich. So hat Aengevelt in den vergangenen 110 Jahren bereits zahlreiche Krisen und Marktveränderungen erfolgreich gemeistert.

Dabei gilt auch jetzt: Der Erwerb einer Immobilie mit passendem Nutzer zu einem lageadäquaten Kaufpreis ist immer eine gute Idee, selbst wenn es in der aktuellen Situation zu zeitweisen Mietausfällen kommen kann. Der Sachwert ist hier entscheidend. Und im Vergleich zu anderen Anlageklassen sind Wertstabilität und das Risiko-Gewinn-Verhältnis einer gesunden Immobilienanlage unübertroffen. Deshalb bleibt eine Immobilie als langfristige Kapitalanlage oder zur Eigennutzung eine krisensichere Anlage.

DER AUTOR MARK AENGEVELT Geschäftsführender Gesellschafter, Aengevelt Immobilien GmbH & Co. KG, Düsseldorf

"Viele Marktteilnehmer verschieben derzeit ihre Investitionen"

Grundsätzlich erwarten wir im Basisszenario eine U-förmige Entwicklung mit einem starken Produktionsrückgang im März und April 2020 sowie einer Erholung bis Ende des Jahres. Dabei rechnen wir mit einem BIP-Rückgang von minus 1,7 Prozent für 2020. Die im Vergleich zur Finanzkrise 2008 sehr viel schneller erfolgten Maßnahmen werden aus unserer Sicht dazu beitragen, einen längerfristigen Nachfrageschock einzudämmen. Wir sehen auf Basis der gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten mehrere relevante Auswirkungen auf die Immobilienbranche.

Die Bundesregierung hat im Rahmen ihres Hilfspakets einen Kündigungsschutz für Wohn- wie Gewerberaummietverträge ausgesprochen. Dennoch bleibt die Verpflichtung der Mieter zur fristgerechten Zahlung der Miete bestehen. Mit Stilllegung oder Einschränkung der Geschäftstätigkeit beginnen gewerbliche Mieter jedoch nach Minderung oder Stundung der Mietzahlung zu fragen. Deshalb erwarten wir für die Branche, dass trotz der staatlichen Unterstützungsprogramme Mieteinnahmen im Jahr 2020 in einigen Objekten geringer ausfallen werden als erwartet.

Aktuell bemerken wir bereits, dass ein Teil der laufenden Neuinvestitionen zwar abgeschlossen wird, viele Marktteilnehmer hingegen ihre Investitionen verschieben. Der Preisdruck könnte sich dadurch etwas reduzieren. Der Ausblick auf langfristig niedrige Zinsen wirkt hingegen stabilisierend auf die Immobilienwerte. Wir meinen, dass mit Abklingen der Corona-Epidemie und der Rückkehr zum normalen Wirtschaftsleben Investoren wieder verstärkt auf den Markt zurückkehren dürften.

In den einzelnen Immobiliensegmenten wird sich die Corona-Krise teils sehr unterschiedlich auswirken. Das Hotelgewerbe ist sehr stark betroffen, ebenso das Veranstaltungswesen. Beim Einzelhandel zeigt sich nach unserer Meinung ein sehr differenziertes Bild. Lebensmittel- und Drogeriemärkte verzeichnen eine anhaltend gute Nachfrage nach Waren des täglichen Bedarfs. Andere Einzelhändler wie auch die Gastronomie mussten hingegen schließen. Der Onlinehandel wird von Verbrauchern stärker genutzt, wodurch der stationäre Handel nochmals unter Druck geraten dürfte. Der Trend zum Onlinehandel verstärkt sich insofern, was nach unserer Analyse weiter nachgebende Mieten zur Folge haben wird.

Aufgrund erster Marktrückmeldungen kann nach unserer Einschätzung ein Großteil der Büromieter seiner wirtschaftlichen Tätigkeit trotz Lockdown nachgehen, wenn auch vielfach aus dem Homeoffice heraus. Aus diesem Grund bewerten wir die Effekte auf den Büromarkt als aktuell eher limitiert. Anders sehen wir die Situation bei den Neuvermietungen. Sie finden derzeit kaum mehr statt: Unternehmen stellen Entscheidungen zurück oder brechen Verhandlungen ab - eine Analogie zur Finanzkrise 2008. Positiv ist, dass die Leerstandsraten beziehungsweise das freie Flächenangebot erheblich niedriger liegt und damit gesünder ist als zur Lehman-Krise. Allerdings dürfte der Flächenwettbewerb durch anstehende Fertigstellungen steigen, sodass die Mieten in den nächsten Quartalen tendenziell seitwärts laufen.

Im Bereich Logistik und Produktion dürften die negativen Auswirkungen dank meist längerfristiger Mietverträge bei erwartet zügiger Erholung der Konjunktur gering bleiben. Die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt bleiben nach unserer Meinung vergleichsweise gering. Denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis und deshalb überwiegend konjunkturunabhängig. Das Mietwachstum der letzten Jahre dürfte allerdings vorübergehend abklingen. Gesundheitsimmobilien bleiben aufgrund der demografischen Entwicklung weiter stark nachgefragt und immobilienseitige Auswirkungen der Corona-Krise sind für den Gesundheitssektor nach unserer Auswertung derzeit nicht gegeben.

Mit Blick auf die Veränderungen am Finanzmarkt und die Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen führen wir in regelmäßigen Abständen Analysen hinsichtlich der Liquiditäts- und Ertragslage der KVG wie auch der von uns verwalteten Fonds durch. Hinzukommen umfangreiche Marktanalysen. Hier helfen uns als einer der größten Immobilieninvestoren Europas unsere langjährige Erfahrung und das starke internationale Researchteam. Aktuell agieren wir eng im Rahmen unserer Researcheinschätzungen und stellen uns bereits intensiv auf die zu erwartenden Marktveränderungen mit einer angepassten Investitionsstrategie und vor allem einer intensiven und flexiblen Mieterbetreuung ein. Unsere langfristigen Anlagestrategien mit dem Fokus auf die Megatrends geben uns dafür eine stabile Grundlage.

DIE AUTORIN DR. CHRISTINE BERNHOFER Geschäftsführerin, Swiss Life Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Heusenstamm

"Immobilienfinanzierung steht vor Wendepunkt - unabhängig von Corona"

Niemand kann mit Gewissheit sagen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie und der praktisch weltweite Shutdown langfristig auf die einzelnen Wirtschaftssegmente haben werden. Die wirkungsvollen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen sprechen aber gegen eine flächendeckende Gefahr. In der gewerblichen Immobilienfinanzierung ist bislang keine Paniksituation eingetreten. Mit anhaltender Dauer der Anti-Corona-Maßnahmen dürften zwar mehr Kreditnehmer in Schwierigkeiten geraten und damit auch die Gefahr von Kreditausfällen steigen - diese Entwicklung müssen die Kreditinstitute jeweils genau beobachten und entsprechend vorsorgen.

Regulatorische Maßnahmen beeinflussen Kreditvergabe und Konditionen stärker

Aber gegenwärtig beschäftigt uns Corona in der gewerblichen Immobilienfinanzierung eher auf operativer Ebene. Die Kreditabteilungen vieler Banken und Sparkassen arbeiten gerade an der personellen Kapazitätsgrenze, um Liquiditätshilfen und KfW-Kredite so zügig wie möglich an die vom Shutdown betroffenen Unternehmen weiterzuleiten. Deshalb kann sich die klassische Kreditvergabe im gewerblichen Immobiliensegment mitunter etwas verzögern. Zudem ist eine physische Begehung der Immobilie oftmals nicht mehr so einfach möglich. Hierbei zeigt sich die Finanzaufsicht allerdings pragmatisch, indem sie Videoaufzeichnungen akzeptiert und dafür einen vorübergehenden Abschlag beim Beleihungswert veranschlagt, der jedoch später wieder aufgeholt werden kann.

Für gewerbliche Finanzierer ist eine wichtige Frage, welche Auswirkungen die Krise in der Projektentwicklung haben wird. Eine kleine, nicht-repräsentative aber doch aussagekräftige Umfrage von Bulwiengesa unter den 23 größten Entwicklern zeigt: Die Mehrheit geht zwar davon aus, dass es infolge von Corona zu Verzögerungen in den Bau- und Genehmigungsprozessen kommen könnte. 83 Prozent rechnen allerdings nicht damit, dass Projektentwicklungen infolge der Krise abgebrochen werden müssen. Interessant in dem Kontext: Laut einer aktuellen Projektentwicklerstudie von Bulwiengesa ist die Entwicklungsfläche in den Top-7-Städten zuletzt um 1,1 Prozent gestiegen. Berlin wies dabei abermals deutlich überproportionales Wachstum auf. Insgesamt fällt das Wachstum niedriger aus als in den vergangenen Jahren, die Flächen gerade in den Top-7 werden zunehmend rar.

Bei manchen Geschäftsmodellen wird jetzt natürlich noch etwas genauer hingesehen, gerade was die besonders von der Krise betroffenen Bereiche Einzelhandel und Gastgewerbe anbelangt. Doch es kommt ganz darauf an: Einzelhandelsprojekte mit starkem Nahversorgungsschwerpunkt oder Hotels, in denen von vornherein ein Plan B - etwa gewerbliches Wohnen für Studenten - mitgedacht ist, können nach wie vor attraktiv sein. Und auch ob die unbeabsichtigte Erprobung von mehr Homeoffice im aktuellen Zusammenhang den Bedarf an Büroflächen verändert, ist noch nicht abschließend zu beurteilen. Insgesamt halten sich die Auswirkungen auf die langfristigen Rahmenbedingungen für gewerbliche Immobilienfinanzierungen in Berlin derzeit jedenfalls in Grenzen - und das gilt wohl auch in vielen anderen deutschen Städten.

Es gibt andere Effekte, die die Kreditvergabe und die Konditionen in den kommenden Jahren stärker beeinflussen werden: Da sind zum einen regulatorische Maßnahmen zu nennen, in Berlin beispielsweise der Mietendeckel für Wohnimmobilien. Dieser fließt zwangsläufig über die Ertragswertermittlung in die Ermittlung der offiziellen Beleihungswerte ein, die Banken und Sparkassen zum Maßstab bei der Erhebung der regulatorischen Beleihungsgrenzen nehmen müssen. Eine weiter zunehmende Diskrepanz von Beleihungs- und tatsächlichen Marktwerten wird die logische Folge sein. Entsprechend werden die Institute zukünftig geringere Fremdkapitalanteile bereitstellen, und das womöglich zu höheren Zinsmargen.

Gleichzeitig wird die geplante Verschärfung der Eigenkapitalregeln nach Basel III dafür sorgen, dass gerade für die höheren Beleihungsausläufe mehr regulatorisches Eigenkapital in den Bankbilanzen vorgehalten werden muss. Das Vorhaben ist vorerst um ein Jahr verschoben. Doch unter dem Strich dürfte die Immobilienfinanzierung vor einem Wendepunkt stehen - ganz unabhängig von der Corona-Krise.

DER AUTOR MARCUS BUDER Bereichsleiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung, Berliner Sparkasse

"Der Schutz unserer Auftraggeber, Lieferanten und Mitarbeiter hat Priorität"

Anders als vielen anderen Wirtschaftszweigen, die bereits sehr stark unter der Corona-Krise leiden, wie zum Beispiel die Luftfahrt oder die Hotellerie, geht es einem Großteil der Immobilienbranche noch vergleichsweise gut. Der Geschäftsbetrieb der Unternehmensgruppe Gegenbauer geht weiter, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, und wir sind mehr denn je bemüht, unsere vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen und eine hohe Verfügbarkeit der Anlagen und Liegenschaften unserer Kunden zu gewährleisten. Die oftmals im Rahmen der Corona-Krise angemerkten Personalengpässe der FM-Dienstleister können wir bei der Unternehmensgruppe Gegenbauer demnach nicht bestätigen.

Dauer der Einschränkungen entscheidend

Als integrierter Facility-Services-Dienstleister mit mehr als 40 Standorten bundesweit bedienen wir verschiedene Assetklassen, die entsprechend unterschiedlich von der Corona-Krise betroffen sind. Insbesondere gemischte Gewerbeimmobilien mit einer starken Mieterklientel aus Filialisten, Gastronomen und dem Non-Food-Einzelhandel sowie ganz generell die Shoppingcenter stehen unter erhöhtem Druck. Hier bleibt uns nichts anderes übrig, als in Abstimmung mit unseren Kunden und Nutzern Leistungsanpassungen vorzunehmen. Anders gestaltet sich das im Lebensmitteleinzelhandel. Hier verzeichnen wir derzeit eine erhöhte Nachfrage nach Sicherheitsdienstleistungen, insbesondere für Mitarbeiter zur Kundensteuerung und Einlasskontrolle, etwa in Bau- und Supermärkten. Ebenfalls gestiegen ist die Nachfrage nach desinfizierenden Reinigungen.

Die Situation rund um die klassischen Büroimmobilien ist stark abhängig vom jeweiligen Mietermix in den Objekten. Durch die Vereinzelung von Arbeitsplätzen und die hohe Verbreitung vom mobilen Arbeiten sind viele Liegenschaften weniger stark frequentiert. Dies bietet uns gerade in der Technik die Möglichkeit, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten vorzuziehen. Andererseits werden bei weniger Nutzern in den Offices auch weniger Ressourcen im Zuge von Rahmenvereinbarungen abgerufen. Unabhängig davon ist bei den Liegenschaften die Betriebssicherheit im Rahmen der Betreiberverantwortung zu jedem Zeitpunkt auch während des temporären Shutdowns sicherzustellen.

Die Auswirkungen auf den Betrieb von Veranstaltungsstätten sind vor allem eine Frage der Zeit. Abgesagte Konzerte und Großveranstaltungen werden hoffentlich zeitnah nachgeholt. Bei den technisch geprägten Industrial Services hängt die derzeitige Leistungserbringung stark von der jeweiligen Branche ab. Während in der Chemie- und Pharmaindustrie eine hohe Auslastung zu verzeichnen ist, ist die Produktion in anderen Industrien, zum Beispiel der Automobilindustrie, nahezu zum Erliegen gekommen. Hier werden die Stillstandszeiten unter anderem für Wartung oder Instandsetzungen an den Anlagen genutzt, jedenfalls wenn uns der Zutritt noch, oder bald wieder, gewährt wird.

Wie stark sich die Corona-Krise letztendlich wirklich auf die einzelnen Assetklassen und somit auf Unternehmensaktivitäten auswirken wird, ist für uns, wie für alle Marktakteure, nur schwer absehbar und letztlich davon abhängig, wie lange die Corona-bedingten Beschränkungen andauern. Neben der Frage, wie wir potenzielle Umsatzeinbußen zukünftig kompensieren können und welche Einsparungen insbesondere bei Sekundärprozessen erzielt werden können, genießen die Gesundheit und der Schutz unserer Auftraggeber, Lieferanten und Mitarbeiter aktuell höchste Priorität. Dank unseres zentralen Arbeitsstabs Pandemie haben wir bereits früh unternehmensweit umfassende Maßnahmen zur Verminderung des Infektionsrisikos umgesetzt.

Neben Homeoffice-Regelungen und einer Ausweitung der Kapazitäten für mobiles Arbeiten haben wir frühzeitig interne und externe Veranstaltungen abgesagt und die Reisetätigkeit unserer Mitarbeiter stark eingeschränkt. Wir informieren unsere Führungskräfte regelmäßig zu organisatorischen, arbeitsrechtlichen und sonstigen fachlichen Themen und halten unsere Mitarbeiter über hygienische Schutzmaßnahmen nach den Vorgaben des Robert-Koch-Institutes stets auf dem Laufenden. Ungeachtet der aktuell noch überschaubaren Einflüsse auf unseren Hauptgeschäftsbetrieb sind wir uns bewusst, dass auch wir bei der Unternehmensgruppe Gegenbauer langfristig nicht von den Auswirkungen der Corona-Krise verschont bleiben. Wir vertrauen hierbei auf die langfristigen, stabilen Kundenbeziehungen sowie unsere qualifizierten, loyalen Mitarbeiter und sind uns sicher, dass wir gemeinsam auch diese Krise meistern werden.

Stabile Kundenbeziehungen und loyale Mitarbeiter helfen

Im Rahmen unserer Betreiberverantwortung sind wir uns dabei schon heute bewusst, dass nach einer potenziellen Stilllegung beziehungsweise Verringerung des Gebäudebetriebs eine ebenso strukturierte Inbetriebnahme präzise und frühzeitig geplant sein will, um die Infrastruktur eines Gebäudes wieder hochzufahren.

DER AUTOR FRITZ-KLAUS LANGE Vorsitzender des Vorstands, Gegenbauer Holding SE & Co. KG, Berlin

"Flucht in die Wohnimmobilie"

Die kurzfristigen Aussichten der deutschen Immobilienwirtschaft sind erkennbar getrübt: Es gibt Marktteilnehmer, die den Schock durch das Coronavirus mit jenem der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren vergleichen. Allerdings gibt es auch Marktteilnehmer, die nur einen verhältnismäßig kurzen Absturz sehen. Es würde demnach zwar steil nach unten in die Rezession gehen, aber auch relativ rasch wieder nach oben, wenn die Konjunkturprogramme und Unterstützungsmaßnahmen greifen.

Zwischen Schock und rascher Erholung

Nach einer frühen Einschätzung von Bulwiengesa ist ein entsprechender konjunktureller Schub etwa ab dem zweiten Halbjahr 2020 möglich. Ob dieser auch sofort die Immobilienwirtschaft erreicht oder zunächst andere Bereiche, ist natürlich schwer zu sagen. Ohnehin ist die Entwicklung so rasant, dass jede Einschätzung innerhalb von Tagen schon wieder veralten kann. Die Prognoseunsicherheiten hat auch Bulwiengesa ausdrücklich betont. Mir scheinen ein harter Absturz und ein schneller Aufstieg aber derzeit möglich.

Dabei sind die Unterschiede je nach Nutzungsart zu bedenken. Die Logistikimmobilie beispielsweise scheint derzeit - durch den krisenbedingten Boom im Versandhandel - eine eigene Konjunktur zu haben. Die Nutzernachfrage dürfte hoch bleiben, und die Assetklasse wird entsprechend auch bei institutionellen Anlegern weiterhin beliebt sein. Die Wohnimmobilie als Kapitalanlage für private Anleger, um ein zweites Segment zu nennen, steht hingegen schlechter da. Denn dort ist die gesamte Kette durch das (derzeit) stark eingeschränkte Sozialleben betroffen: Treffen sich die Menschen noch mit dem Finanzberater oder Makler? Und wie unterschreibe ich einen Darlehensvertrag oder gebe meine Unterschrift beim Notar, wenn wir Kontakte meiden wollen?

Wenn man vielleicht aus beruflichen Gründen doch eine Wohnung besichtigen muss, aber alle Flüge gestrichen sind, bleibt nur der Zug oder das Auto. Dadurch ist der Radius schon sehr eingeschränkt. Vieles kann man natürlich digital auffangen, zum Beispiel Beratungsgespräche. Aber gerade Selbstnutzer haben jetzt wahrscheinlich einfach ganz andere Themen, die sie bewegen, als den möglichen Kauf einer Eigentumswohnung. Die Verkäufer werden also ihre Zielgruppen anpassen und dabei auf reine Kapitalanleger oder institutionelle Investoren umschwenken. Aber viele Verkäufer, die jetzt warten können, werden wahrscheinlich einfach erstmal warten. Wir alle haben derzeit keine klare Sicht.

Beachtliches Preisniveau

Nun gibt es aber auch viele Marktteilnehmer, die nicht sehr lange warten können. Ich denke an Bauträger, die verschiedene Projekte gleichzeitig realisieren und dadurch ihre Eigenkapitaldecke vielleicht etwas zu sehr gestreckt haben. Sie sind darauf angewiesen, rasch in den Vertrieb zu gehen. Wir werden dort hoffentlich nicht allzu viele zusätzliche Insolvenzen sehen.

Wer die Krise allerdings übersteht, der kann nach der Erholung zumindest auf ein Preisniveau hoffen, das beachtlich sein wird: Die Preise könnten langfristig noch einmal spürbar ansteigen - gerade bei der Wohnimmobilie. Denn die allgemeine Unsicherheit wird viele Privatanleger und auch institutionelle Investoren aus Anlageformen wie Aktien herausdrängen und wir könnten eine Flucht in die Wohnimmobilie sehen, wie es sie schon häufiger gegeben hat. Zumal es absehbar auch weiterhin so gut wie keine Zinsen geben wird, parallel aber die Inflationssorgen wachsen.

Und man führe sich dabei unter anderem vor Augen, dass bis 2025 allein deutsche Staatsanleihen mit einem Volumen von 800 Milliarden Euro auslaufen werden - ein großer Teil hiervon wird sicherlich nicht erneut festverzinslich angelegt. Zum Vergleich: Das Transaktionsvolumen für Wohnhäuser und -portfolios lag 2019 in Deutschland gemäß JLL bei 22 Milliarden Euro. Ich denke: Wer vor der Krise langfristig mit einer Seitwärtsbewegung oder gar Korrektur der Wohnungspreise gerechnet hat, dürfte gegenwärtig neue Szenarien durchspielen.

DER AUTOR JENS R. RAUTENBERG Geschäftsführer, Conversio | Wahre Werte GmbH & Co. KG, Köln

"Auch in der Krise gibt es neue Fondsauflagen und Kapitalzusagen"

"Wir fahren auf Sicht", ist eine der aktuell am häufigsten verwendeten Äußerungen zur Corona-Krise. Klar ist: Wir stehen noch relativ am Anfang dieser Krise und die genauen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Immobilienfondsbranche sind noch kaum abzusehen. Dennoch wollen wir - auf Basis der vorhandenen Informationen - eine erste Bestandsaufnahme und einen Ausblick auf Fonds und Investoren wagen.

Zunächst zu den offenen Immobilien-Publikumsfonds: Hier sind die größten Auswirkungen im Vertrieb sichtbar. Die Mittelzuflüsse haben deutlich abgenommen; bei einigen Anbietern kam es zu einer Halbierung. Auch Neuauflagen von Fonds wurden zunächst verschoben. Aber - und das ist wichtig zu betonen - es gibt bislang keine umfangreichen Rückgaben von Anteilscheinen so wie nach der Finanzkrise 2008. Zudem sorgen auch die mittlerweile eingeführten Kündigungs- und Mindesthaltefristen dafür, dass sich ein Szenario wie 2008 mit hohen Mittelabflüssen in kurzer Zeit nicht wiederholen kann. Dennoch überwacht die BaFin die Fonds strenger als in normalen Zeiten. Insbesondere über die Rückgaben möchte sie nun wöchentlich anstatt monatlich informiert werden. Dass es trotz des eingeschränkten klassischen Vertriebs über den persönlichen Berater überhaupt zu positiven Vertriebszahlen kommt, zeigt wie anhaltend attraktiv "Betongold" für Privatanleger ist.

Kaum veränderte Megatrends

Bei den Fonds für institutionelle Anleger, den offenen Immobilienspezial-AIF, ist die Lage differenzierter: Einzelne Investoren kündigen den Aufschub von allen neuen Immobilien-Investitionsentscheidungen an - wie etwa die BVK. Andere Investoren müssen ihre Strategie anpassen, da sich aufgrund der Talfahrt am Aktienmarkt die Portfolioallokation verschoben hat. Betroffen sind davon Investorengruppen mit Quotenregelungen. Sie sind plötzlich in Immobilien "überallokiert". Dennoch gibt es auch gute Nachrichten. Auch aktuell in der Krise gibt es neue Fondsauflagen und Kapitalzusagen. So hat die Intreal mit institutionellen Investoren und Asset Managern in den letzten Wochen Verträge für neue Fonds abgeschlossen. Viele sehen in der jetzigen Situation sogar Chancen, zumindest exklusiver an die gesuchten Immobilien zu kommen. Ob die Objekte auch zu günstigeren Preisen zu haben sind, wird sich zeigen.

In den Preisen der Fondsanteile spiegelt sich die Krise aktuell allerdings nicht wider. Dies liegt daran, dass sich die Preise nicht wie an der Börse aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergeben, sondern dass sie ganz wesentlich von den Immobilienbewertungen beeinflusst werden. Die Immobilien in Publikumsfonds müssen quartalsweise, die in Spezialfonds mindestens jährlich bewertet werden. Die Wertermittlungsverordnung regelt allerdings, dass ein "ordentlicher Geschäftsverlauf" unterstellt werden muss. Das bedeutet, dass nachhaltige Immobilienwerte keine außerordentlichen und befristeten Sondereffekte wie die Corona-Pandemie berücksichtigen. Ob die Corona-Krise nachhaltige Nachfrageänderungen auf der Mieterseite und somit auf die zukünftigen Mietwerte und in der Folge auch auf die Immobilienwerte hat, bleibt abzuwarten.

Wie sehen die Auswirkungen der Krise auf den Transaktionsmarkt aus? Transaktionen, die noch vor Ausbruch der Pandemie angeschoben wurden, werden in der Regel konsequent zu Ende geführt. Allerdings hält sich ein Teil der Fondsanbieter bei neuen Akquisitionen zurück, insbesondere bei derzeit von der Krise stark betroffenen Nutzungsarten wie Einzelhandel, Hotel und Gastronomie. Bei den Fondspartnern der Intreal ist aktuell allerdings nur ein Verkauf zurückgestellt worden. Der Hauptmieter wollte - bedingt durch die Corona-Folgen - eine Zahlungsaussetzung realisieren.

Unterm Strich gibt es verschiedene Auswirkungen der Krise auf die Immobilienfondsbranche: Während bei den gesetzlich schon stark risikodiversifiziert gestalteten Publikumsfonds am deutlichsten der Vertrieb betroffen ist, ist bei Fonds für institutionelle Investoren die Spanne größer. Doch hierbei handelt es sich um kurzfristige Folgen. Mittel- und langfristig dürften Immobilienfonds auch für institutionelle Investoren von der Krise eher profitieren. Denn: Ein Zinsanstieg war schon vor der Krise nicht in Sicht. Jetzt ist er aufgrund der Maßnahmen der Notenbanken in noch weitere Ferne gerückt. Zusätzliche Liquidität fließt den meisten institutionellen Investoren unverändert durch die auslaufenden Rentenanlagen zu. Dies führt zu einem starken Anreiz, in Immobilien zu investieren. Die Alternativen ebenso wie die relevanten Megatrends haben sich gegenüber der Zeit vor der Corona-Krise nicht wesentlich verändert.

DER AUTOR MICHAEL SCHNEIDER Geschäftsführer, IntReal International Real Estate Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Hamburg

Brigitte Adam , Geschäftsführende Gesellschafterin, ENA EXPERTS GmbH & Co. KG, Mainz
Mark Aengevelt , Geschäftsführender Gesellschafter, Aengevelt Immobilien GmbH & Co. KG, Düsseldorf
Dr. Christine Bernhofer , Geschäftsführerin, Swiss Life Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Heusenstamm
Marcus Buder , Bereichsleiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung, Berliner Sparkasse, Berlin
Michael Schneider , Geschäftsführer , IntReal International Real Estate Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Hamburg
Fritz-Klaus Lange , Vorsitzender des Vorstandes, Gegenbauer Holding SE & Co. KG, Berlin
Jens R. Rautenberg , Geschäftsführer, Conversio | Wahre Werte GmbH & Co. KG, Köln

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