Alternative Finanzierungsinstrumente

Crowdfinancing aus Sicht von Kapitalnehmern

Prof. Dr. Jochen Panzer, Lehrgebiet Marketing Management, Internationale Hochschule Bad Honnef

Der Immobiliensektor hat sich laut dem "Crowdinvesting Marktreport 2016" zum mit Abstand größten Kapitalnehmer im Bereich des Crowdfinancing in Deutschland entwickelt. Demnach ist das Immobiliensegment im vergangenen Jahr mit einem eingesammelten Volumen von 40,3 Millionen Euro um satte 92,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Höchste Zeit, die Beweggründe der finanzierungssuchenden Unternehmen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Erkenntnisse hierzu liegen bislang nur äußerst spärlich vor. Eine Forschungslücke, derer sich die Autoren des folgenden Beitrags angenommen haben. Sie präsentieren ihre im Rahmen von Experteninterviews gewonnenen Einsichten, die einigermaßen verblüffend sind: Neben handfesten, betriebswirtschaftlichen Gründen scheinen auch weiche Faktoren eine bedeutende Rolle beim Einsatz von Crowdfinancing zu spielen. Red.

Crowdfinancing bietet Immobilienkäufern - oft in Ergänzung zum Bankdarlehen - die Möglichkeit, über internetbasierte Plattformen in der Regel nachrangiges Fremdkapital von einer Vielzahl an Investoren einzuwerben. Das bislang erreichte Volumen ist überschaubar, und das Interesse an diesem noch neuen Finanzierungsbaustein wird sicherlich auch in nicht unerheblichem Ausmaß von dem allgemeinen Fintech-Hype getragen, der den gesamten Finanzsektor gegenwärtig erfasst hat.

Selbst Betreiber von Crowdfinancing-Plattformen zeigen sich dagegen ernüchtert, wie gering der allgemeine Bekanntheitsgrad dieser Finanzierungsform noch in breiten Teilen der Bevölkerung in Deutschland ist. So zeigt eine aktuelle Studie des Plattformbetreibers iFunded, dass etwa 70 Prozent der über 60-jährigen noch nie etwas davon gehört haben.

Weitere Anbieter treten in Erscheinung

Während der gegenwärtige Immobilienzyklus immer reifer wird, kommen noch neue Anbieter auf den Markt. Zuletzt kündigte das Berliner Fintech Kapilendo an, gemeinsam mit Engel & Völkers Capital Privatanlegern gemeinsame Finanzierungen zusammen mit institutionellen Investoren ermöglichen zu wollen. Damit sollten weit mehr Objekte als bislang die Möglichkeit bekommen, sich durch Crowdfinancing zu finanzieren. Umso mehr stellt sich die Frage nach den Vorund Nachteilen dieses Finanzierungsmodells und seinen Zukunftsaussichten.

In jüngster Zeit haben sich bereits verschiedene Beiträge mit Crowdfinancing in der Immobilienwirtschaft befasst und hier für einen recht guten Kenntnisstand gesorgt. So stellen etwa Petry und Ulutas (2017) die aktuell in Deutschland mit durchgeführten Finanzierungen erfolgreichen fünf Plattformen vor, die zusammen zwar seit ihrer Gründung noch keine 50 Projekte (mit-)finanziert, aber auch schon erste Finanzierungen komplett abgeschlossen haben. Sie zeigen viele institutionelle Designs und verweisen dabei auch auf die durchgehend eingehaltene Obergrenze beim Finanzierungsvolumen von 2,5 Millionen Euro, um nicht der Prospektpflicht zu unterliegen. Oertzen (2017) erläutert als Vorstandsmitglied des Plattformbetreibers Exporo die Erfolgsperspektive aus Sicht des Marktbetreibers und ist aus seiner Position heraus, wenig überraschend, sehr optimistisch gestimmt mit Blick auf das weitere Wachstum von Crowdfinancing.

"Digital Nudging" als wichtiger Einflussfaktor

Unsere Analyse folgt dem explorativen Ansatz von Günther und Riethmüller (2016) und wählt eine andere Perspektive, nämlich die der finanzierungssuchenden Kunden, die eventuell auch mit den über Crowdfinancing eingeworbenen Mitteln ihre Immobilienprojekte entwickeln wollen. Um den allgemeinen Kenntnisstand zum Crowdfinancing um diese Perspektive zu ergänzen und damit die weiteren Entwicklungsperspektiven dieser digitalen Finanzierungsform am deutschen Immobilienmarkt näher zu erfassen, wurde in der zweiten Jahreshälfte 2016 eine Serie von Experteninterviews mit Managern aus Unternehmen, die Crowdfinancing nutzen sowie aus Unternehmen, die (noch) keine Crowdfinancing-Projekte initiiert haben, durchgeführt und anschließend über eine qualitative Inhaltsanalyse ausgewertet, deren Erkenntnisse nachfolgend erläutert werden.

Recht einheitlich wurden - durchaus überraschend - als wichtigste Gründe für die Wahl von Crowdfinancing in der Immobilienfinanzierung Argumente angeführt, die als "Digital Nudging" (vgl. Weimann et al., 2016) im weiteren Sinne aufgefasst werden können. Es geht dabei um die Beeinflussung von ökonomischen Entscheidungen im digitalen Umfeld, wobei es hier aber gar nicht so sehr auf die konkrete Ausgestaltung ankommt, sondern einfach um die Existenz dieser digitalen Option an sich. Denn einige wesentliche Argumente für den Einsatz von Crowdfinancing liegen offensichtlich schlichtweg in der menschlichen Neugier begründet. So führen Nutzer von Crowdfinancing für ihre Entscheidung "Social Proof" (soziale Bewährtheit als Verhalten, das auch viele andere Investoren an den Tag legen), Herdentrieb (Imitation des Verhaltens anderer Investoren) sowie einen Hype-Effekt (Mitläufereffekt, das heißt die Nachahmung von Tätigkeiten, die die breite Masse durchführt in Kombination mit Multiplikator- und Signalwirkung) an - mit einer Nennung von 70 Prozent der Befragten.

Ein wesentlicher sachlich-ökonomischer Vorteil bezieht sich auf die Sicherung des Kapitalzuflusses, mit ebenfalls 70 Prozent Nennung. Im Vergleich zu traditionellen Finanzierungsformen für Immobilienprojekte über bankbasierte Realkredite liegt ein großer Vorteil des Crowdfinancing aus Sicht der kapitalsuchenden Projektentwickler in der ausbleibenden Bonitätsprüfung seitens der Banken. So wird angeführt, dass junge und kleine Projektentwickler oft an den strengen Voraussetzungen der Banken scheitern, auch weil sie die regelmäßig geforderten Sicherheiten nicht aufbringen können.

Crowdfinancing zur Sicherung des Kapitalzuflusses

Aus Kapitalnehmersicht ist das Risiko in der Finanzierungszusammenstellung beim Crowdfinancing aufgrund der Nachrang abrede der Darlehensform im Gegensatz zum Realkredit niedrig. Kritisch erscheint dagegen, dass die angestrebte Kapitalsumme beim Crowdfinancing nicht immer garantiert werden kann, wodurch das Risiko einer Nichtrealisierung oder zumindest doch Verzögerung des Projekts entsteht.

Das Kapital, das in Form von Mezzaninekapital durch Crowdfinancing für Immobilienprojekte eingeworben wird, erhält einen Eigenkapitalcharakter und kann in der Bilanz als solches ausgewiesen werden. Dadurch verbessert sich die Eigenkapitalquote sowie die Finanzbeziehungsweise Bilanzstruktur des Unternehmens. Es wurde aber auch angemerkt, dass bei einem Überfluss an Eigenkapital die Gefahr einer Überliquidität droht, sodass die Rentabilität des Eigenkapitals aufgrund von fehlenden gewinnbringenden Investitionen sinkt. Allgemein beeinflusst die begrenzte Mitsprachemöglichkeit der Investoren die Wahl für das Crowdfinancing, da hier grundsätzlich kein Mitsprache- und Kontrollrecht vergeben wird. Darüber hinaus zeigt sich das geringere finanzielle Risiko, das beim Crowdfinancing aufgrund der Nachrangdarlehen für den Kapitalnehmer entsteht.

Zudem konnte Crowdfinancing als ein Marketinginstrument identifiziert werden, das mehr als 50 Prozent aller Befragten, die bereits mindestens ein Crowdfinancing-Projekt erfolgreich durchgeführt haben, als großen Vorteil anführen. Dieses Argument wurde nur von Unternehmen erwähnt, die Crowdfinancing bereits nutzten. Dabei dienen die Plattformen als Informations- und Kommunikationsmedium, indem potenzielle Investoren sich über Erfahrungen mit dem Unternehmen, der Plattform oder mit anderen potenziellen Investoren austauschen können.

Dadurch entsteht eine besondere Vertrauensbasis, die die Chancen der Unternehmer für eine hohe Beteiligungsquote und somit die Erreichung der Fundingsumme erhöhen. Diese Chancen werden insbesondere erhöht, wenn potenzielle Investoren sich mit dem Projekt identifizieren können, was durch die Bereitstellung von Informationsmaterialien vom Unternehmen in Form von Werbefilmen oder Broschüren zunehmend gestärkt wird. Das Informationsmaterial kann zusätzlich eine Multiplikatorwirkung auslösen, indem es als Werbemedium durch die sozialen Netzwerke eingesetzt wird.

Lange Vorbereitungszeit als Nachteil

Die Durchführung eines Crowdfinancing-Projekts erfordert im Gegensatz zum Realkredit eine lange Vorbereitungsdauer. Die Erstellung von Konzeptionsunterlagen, wie Wertpapierprospekte (bei größeren Finanzierungsvolumina), Werbefilmen und Broschüren sowie die Einbindung von Fachanwälten bringen hohen zeitlichen Aufwand und auch hohe Kosten mit sich, die im Vorfeld nicht immer detailliert kalkuliert werden können. Wird die Projektfinanzierung mit einem Realkredit durchgeführt, sei dieser meist mit der Hausbank abgeschlossen, wobei in diesem Fall bereits eine hohe Vertrauensbasis herrsche. Dies verringert den Aufwand, da grundlegende Dokumente der Bank bereits vorliegen und somit die Kreditprüfung verkürzt wird.

Auch die häufig mangelnde Due-Diligence-Prüfung, unerwünschte Transparenz sowie negative Publicity werden als Schwächen des Crowdfinancing gesehen. Aufgrund einer häufig noch mangelnden Due-Diligence-Prüfung seitens der Plattformen können vermeintlich "schlechte" Unternehmen eine Kapitalbereitstellung durch Crowdfinancing finden, wodurch das noch nicht richtig etablierte Crowdfinancing insgesamt negativ beeinflusst wird. Des Weiteren wird die häufig noch undurchsichtige Kostenstruktur der Plattformen kritisiert. Dabei entsteht die Gefahr eines Kalkulationsrisikos für potenzielle Crowdfunder, sodass ein Kostenplan im Voraus nur unzureichend quantifizierbar ist. Die Faktoren der mangelnden Due-Diligence-Prüfung und der undurchsichtigen Kostenstruktur gelten als Indikatoren eines noch unreifen Marktes.

Gefürchtet: Negative Publicity und unerwünschte Transparenz

In ähnlichem Maße wie eine positive Marketingwirkung entstehen kann, wird das Risiko gesehen, dass im Falle eines Misserfolges eine Multiplikatorwirkung einsetzt. Die hierdurch entstehende negative Publicity kann sich nachteilig auf die Entwicklung aller Crowdfinancing suchenden Projekte insgesamt ausweiten. Eine negative Publicity kann ebenfalls durch Erfahrungen mit schlechten Unternehmen und Projekten entstehen.

Bezüglich des Aspektes der unerwünschten Transparenz lässt sich festhalten: Auch der Immobilienmarkt lebt von Informationen. Mehrere Interviewpartner betonen, dass ein "geheimer Konkurrenzmarkt" entsteht, indem sich Investoren und insbesondere Makler durch die Erlangung von Informationen nicht veröffentlichter Immobilien versuchen auszuspielen, um so die besten Konditionen zu erzielen. In diesem Punkt erweist sich das Crowdfinancing als nachteilig, da über die Plattformen jegliche Informationen zu einem Projekt veröffentlicht werden.

Dadurch entsteht die Gefahr, dass potenzielle Investitionen in ein Objekt aufgrund der Offenlegung und Darstellung von Informationen von einem stärkeren Unternehmen, das bereits über das benötigte Kapital verfügt, abgeworben werden könnten. Sollte das Objekt allerdings von keinem anderen Investor anvisiert werden, könnten bei den Kapitalgebern Zweifel aufkommen, weshalb nicht zuvor in das Objekt investiert wurde.

Zu den weiteren Perspektiven befragt, wurde deutlich, dass Crowdfinancing im Immobiliensektor aufgrund seiner dynamischen Entwicklung wohl eine zunehmende Bedeutung als Finanzierungsform auch im Immobilienmarkt erleben wird. Da sich die Zinslage derzeit auf einem niedrigen Niveau befindet, sind Immobilieninvestitionen mit hohen Renditen für Kapitalgeber sehr attraktiv, was den Trend der Investitionen in Crowdfinancing mit Immobilien weiter antreibt. Doch auch im Falle wieder steigender Zinsniveaus könnte sich Crowdfinancing durchsetzen, da dann wiederum auch die Aufnahme von Realkrediten teurer wird.

Auch bei steigenden Zinsen durchsetzungsfähig

Ferner wirkt sich das starke Wachstum des Crowdfinancing im Immobilienmarkt auf die Plattformen aus. Diese werden aufgrund der steigenden Anforderungen ihre Tätigkeiten zunehmend ausweiten und für eine Steigerung der Transparenz sorgen, sodass die Finanzierungsform von einer noch breiteren Masse angenommen wird. Je stärker sich die Akzeptanz dieser Finanzierungsform entwickelt, desto mehr Plattformen werden sich auf dem Markt versuchen zu etablieren.

Inhärentes Qualitätsproblem

Dies kann einerseits zur Folge haben, dass es zu einer zunehmenden Spezialisierung und Fokussierung des Angebots der Plattformen kommen wird. Andererseits besteht die Möglichkeit eines Preiskampfes unter den Crowdfinancing-Plattformen. Zudem würden auch Banken auf die neue Finanzierungsform aufmerksamer werden.

Einen wichtigen Faktor für den Erfolg von Crowdfinancing stellt ein komplikationsloses Zusammenspiel zwischen den Plattformen und Projektinitiatoren dar, um eine umfassende Kommunikation und eine möglichst hohe mediale Präsenz zu gewährleisten. Dadurch steige das Vertrauen der Investoren in Projekte und auch Projektentwickler und in das Crowdfinancing insgesamt.

Es bleibt aber wohl das inhärente Qualitätsproblem. Die Finanzierungsform richtet sich derzeit vorwiegend an Unternehmen, denen es an Liquidität, oft auch nur über einen vorübergehenden Zeitraum, fehlt. Außerdem werden mit Crowdfinancing Unternehmen angesprochen, die unter einem Investitionsstopp leiden oder sich zeitweilig durch eine schlechte Performance oder Bilanzstruktur in einem Tief befinden und das Kapital anstelle eines Kontokorrentkredites zu einer Zwischenfinanzierung verwenden wollen.

Generell werde wohl weiterhin eher versucht, durch Crowdfinancing kleinere Finanzierungsvolumina im Vergleich zu allgemeinen Immobilienfinanzierungen einzusammeln, sodass Crowdfinancing sich als eine Finanzierungsform für kleine oder noch recht junge Unternehmen anbiete.

Literatur

Günther, E. und T. Riethmüller (2016): Crowdfunding im Mittelstand, Der Betriebswirt, Heft 2, S. 32-37.

Oertzen, J. (2017): Das Crowdinvesting-Volumen kann in diesem Jahr die 100-Millionen-Euro-Marke überspringen, Immobilien & Finanzierung, 68. Jg., S. 187-189.

Petry, M. und S. Ulutas (2017): Die Immobilienbranche entdeckt das Crowdinvesting, Immobilien & Finanzierung, 68. Jg., S. 184-186.

Weimann, M., C. Schneider und Jan vom Brocke (2016): Digital Nudging, Business & Information Systems Engineering, 58. Jg., S. 433-436.

Die Autoren Prof. Dr. Dirk Schiereck, Leiter, Fachgebiet Unternehmensfinanzierung, Technische Universität Darmstadt
Prof. Dr. Jochen Panzer, Lehrgebiet Marketing Management, Internationale Hochschule Bad Honnef
Rias Wardak, Studentischer Mitarbeiter, Fachgebiet Unternehmensfinanzierung, Technische Universität Darmstadt
Prof. Dr. Dirk Schiereck , Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinan­zierung , Technische Universität Darmstadt

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