IMMOBILIENWIRTSCHAFT 4.0

DIE DIGITALISIERUNG DER KOMMUNALFINANZIERUNG

Prof. Dr. Dirk Schiereck Quelle: D. Schiereck

Regulatorische Vorgaben haben das kommunale Kreditgeschäft für Banken und Sparkassen in den vergangenen Jahren zunehmend unattraktiv gemacht. Inwieweit Fintechs diese Lücke schließen können, erläutern die Autoren des folgenden Beitrags. Die jungen Startups orientieren sich dabei stark an den im Kreditgeschäft mit Privat- und Firmenkunden bereits etablierten digitalen Plattform-Modellen: Diese virtuellen Marktplätze ermöglichen eine vergleichsweise zeit- und kostenschonende Zusammenführung von interessierten Anlegern und Kämmerern. Eine erste Untersuchung zu diesem jungen Markt zeigt: Das Konzept des digitalen Kommunalkredits findet durchaus Anklang - sowohl aufseiten der Kreditnehmer, als auch der Kreditgeber. Red.

Während ein über Jahrzehnte aufgebauter Investitionsstau viele Kommunen vor große Herausforderungen auf der Ausgabenseite stellt, zeichnen sich gleichzeitig neue Risiken bei der Kreditfinanzierung ab. Wie auch Lepique und Corsten (2017) feststellen, haben die Verschärfungen in der Regulatorik und nicht zuletzt die anhaltende, historische Niedrigzinsphase als Folge der globalen Finanzkrise bei vielen Sparkassen und anderen kommunalen Hausbanken zu einer deutlich spürbaren Zurückhaltung beim Kommunalkredit geführt.

Diese gefühlten Einschränkungen dürften demnächst noch stark zunehmen, wenn die Einhaltung der Leverage Ratio verbindlich wird. Im Gegensatz zu den risikobasierten Eigenkapitalanforderungen werden bei der Leverage Ratio die einzelnen Positionen nicht mit einem individuellen Risikogewicht versehen, sondern ungewichtet berücksichtigt, was das margenarme Kommunalkreditgeschäft unattraktiver erscheinen lassen wird. Vor diesem Hintergrund können innovative Fintechs den Kämmerern mit der Digitalisierung des Kommunalkredits attraktive Alternativen bieten.

Eine veränderte Anlegerstruktur

Trotz der niedrigen Zinsen bietet der kommunale Bereich weiterhin Anreize für Investoren, auch wenn sich die Anlegerprofile verschoben haben. Anleger für Finanzierungen mit Laufzeiten im längerfristigen Bereich oberhalb von zehn bis fünfzehn Jahren sind anstelle der traditionell hier tätigen Banken nun vor allem Pensionskassen, Versicherungen oder Rentenfonds, für die langlaufende Kommunalkredite risikoarme Anlagen mit guter Bonität und positiver Rendite sind.

Für klassische Banken wird der Kommunalkredit vor allem im kurzlaufenden Bereich von wenigen Tagen bis mehreren Monaten attraktiver, da Banken überschüssige Liquidität hier sicher, eigenkapitalneutral und kurzfristig anlegen können, ohne diese Liquidität für derzeit minus 0,4 Prozent als Einlage bei der EZB zu parken. Vor allem kleinere, agilere Institute nehmen derzeit kurzlaufende Kassenkredite in ihr Liquiditätsmanagement auf. Diese neue Anlegerstruktur führen die Fintechs im Wege einer digitalen Vermittlung mit den Kommunen zusammen.

Funktionsweise des digitalen Kommunalkredits

Die Bereitstellung von Krediten über digitale Plattformen hat sich inzwischen in Deutschland etabliert und wächst weiter stark. Im Privatkundenkreditgeschäft schreibt Auxmoney längst schwarze Zahlen und im Bereich der Firmenkundenkredite ist Creditshelf die etablierte Alternative für Betriebsmittelkredite. Diese digitalen Marktplätze haben die Vorlage für den transparenten Kommunalkredit im Internetzeitalter geliefert. Denn wie bei diesen allseits bekannten und akzeptierten Fintechs bieten nun auch hier innovative Startups attraktive Alternativen zum Angebot traditioneller Hausbankbeziehungen an. Die kreditsuchende Kommune erstellt auf der Plattform ein Profil und gibt Eckdaten wie Kontakt, Ansprechpartner sowie finanzielle Haushaltsdaten an, die eine schnelle erste Einschätzung ermöglichen.

Dazu kann die Kommune etwa Haushalte, Unterschriftenproben und weitere Unterlagen hochladen. Sobald Finanzierungsbedarf besteht, erstellt die Kommune eine digitale Ausschreibung mit den Rahmendaten des Finanzierungsprojekts (Volumen, Auszahlungsdatum, Laufzeit, präferierte Tilgungsstruktur et cetera). Dies erfolgt durch smarte Eingabemasken mit wenigen Klicks innerhalb weniger Minuten anstelle der vormals oft langen, per Fax versandten Beschreibungen im Fließtext. Dazu setzt die Kommune eine Ausschreibungsfrist, in der die Angebote eingehen sollen.

Gebühren bei Vertragsabschluss

Die registrierten Kreditgeber auf der anderen Seite sehen die eingehenden Ausschreibungen aus ganz Deutschland oder werden über einen Emailfilter benachrichtigt, sobald ein passendes Gesuch für ihr individuelles Portfolio eingeht. Im Falle eines Matches kann der Kreditgeber die Ausschreibungen im Detail einsehen, die Profile, Finanzkennzahlen der Kommune und etwa Anlagen wie Haushalte und Genehmigungen prüfen. Kommune und Kreditgeber können sich zudem über ein Messaging-Tool austauschen, können Dokumente übermitteln und dynamisch die Angebote verhandeln. Der Kreditgeber gibt dann gegebenenfalls innerhalb der Ausschreibungsfrist ein Angebot ab.

Die Kommune erhält die eingehenden Angebote strukturiert aufgestellt, ein Kreditrechner ermittelt automatisch die entscheidungsrelevanten Daten, und die Kommune kann sich das passende Angebot aussuchen. Der Vertragsschluss erfolgt dann wie bisher bilateral zwischen Kreditgeber und Kommune. Die digitalen Kommunalkreditmarktplätze finanzieren sich dabei vor allem über Gebühren, die bei Vertragsabschluss anfallen.

Etablierung digitaler Marktplätze

Obwohl in den privatwirtschaftlichen Bereichen die Plattformbetreiber schon eine sehr breite Sichtbarkeit besitzen, werden die bereits sehr erfolgreichen digitalen Kommunalkreditmarktplätze in der Öffentlichkeit bislang fast noch als Insidertipps gehandelt. Dabei deuten verschiedene Indikatoren auf die Reifung des Marktes hin. In der Schweiz zeigt sich dies an öffentlich bekannten Kreditaufnahmen auch kleinerer Kommunen.

So berichtet Billanitsch (2017) über die Kommunalfinanzierung in Berneck, einer 4 000-Einwohner-Gemeinde im Kanton St. Gallen, wo jüngst eine nicht genau definierte Summe zwischen fünf und zehn Millionen Schweizer Franken über eine digitale Plattform zu Konditionen bereitgestellt wurde, bei denen die Hausbank nicht mithalten konnte. Und in Deutschland hat die BÖAG als innovationsfreudige Betreiberin der Börsen in Hamburg, Hannover und Düsseldorf jüngst eine Partnerschaft mit der CommneX GmbH verkündet und diese Partnerschaft auch gleich mit einer Eigenkapitalbeteiligung unterlegt.

Um die fortschreitende Etablierung des digitalen Kommunalkredits wissenschaftlich zu begleiten und die kommunalen Entscheidungsträger in Deutschland mit aktuellen Markteinschätzungen zu versorgen, hat Commnex als ein führender deutscher Anbieter in diesem Bereich zusammen mit dem Fachgebiet Unternehmensfinanzierung der Technischen Universität Darmstadt die erste empirische Erhebung in diesem Segment unter dem Titel "Kommunal-Barometer 2018" durchgeführt. Die Studie beruht auf einer Anfang des Jahres abgeschlossenen Onlinebefragung unter 137 Kämmerern, Finanzentscheidern kommunaler Unternehmen sowie Kommunalexperten privater, öffentlich-rechtlicher und genossenschaftlicher Finanzinstitute.

Kommunal-Barometer 2018

Die Erkenntnisse des Kommunal-Barometers unterstreichen das wachsende Marktinteresse und erste Konvergenztendenzen zu den Kreditplattformen für private Kreditnehmer. Es wird aber auch eine Divergenz in den Reifegraden der unterschiedlichen Plattformen deutlich. Mehr als die Hälfte der Kommunen in Deutschland prüft derzeit, Finanzierungsvorhaben künftig über digitale Marktplätze auszuschreiben. Damit folgen sie den 21 Prozent der Kämmereien, die diese transparente Form der kommunalen Kreditfinanzierung schon nutzen. Allerdings weiß auf der anderen Seite auch fast ein Viertel der Kommunen bisher noch nichts über diese neue Finanzierungsoption.

Vergleichbarkeit und Transparenz reizt Kommunen

Vor allem die Vergleichbarkeit und Transparenz von Kreditangeboten reizt viele Kommunen an der Nutzung digitaler Marktplätze, 77 Prozent der Befragten legen Wert auf die Sicherheit, einen umfassenden Überblick zu den aktuellen Marktgegebenheiten zu bekommen. Diese Daten deuten auf einen Paradigmenwechsel hin, denn bislang verließen sich öffentliche Einrichtungen vor allem auf vertraute Finanzinstitute und ihre Hausbanken direkt vor Ort, und die bundesweite Suche nach Fremdkapitalgebern war eher unüblich.

Die neuen digitalen Möglichkeiten erleichtern den unkomplizierten Kontakt zu potenziellen Kreditgebern auch außerhalb der eigenen Region, denen damit die Diversifikation ihres Kommunalkreditbestandes erleichtert wird. Die Transparenz der Kreditkonditionen verhilft Kämmereien dann in der Regel zu günstigeren Darlehen, darauf legt über die Hälfte der Befragten Wert. Die bislang vorherrschende Praxis verlangte von den Kämmereien einen Vergleich verschiedener Angebote diverser Banken mit jeweils unterschiedlichen Laufzeiten, Tilgungsstrukturen, Zinsbindungsfristen und sonstigen Sonderbedingungen, die einen wirklich transparenten Vergleich kaum erlaubt haben.

Kreditgeber noch verhalten

Auch auf Kreditgeberseite wecken die digitalen Marktplätze zunehmend Interesse. Zwar haben bisher erst 8 Prozent der befragten Häuser Kreditangebote auf den digitalen Plattformen abgegeben, doch sind weitere 60 Prozent daran in Zukunft interessiert. Für 62 Prozent der Befragten ist dabei der direkte Zugang zu öffentlichen Kreditnehmern attraktiv. Ebenso viele versprechen sich kürzere Bearbeitungszeiten und einen geringeren Personaleinsatz im niedrig verzinslichen Kommunalgeschäft. Das Einsparpotenzial hinsichtlich Personalaufwand und Zeit ist für beide Seiten ein sehr relevanter Faktor. Zwei Drittel der Kommunen gaben an, für die Bearbeitung einer Kreditausschreibung von zwei bis weit über fünf Stunden anzusetzen, einen Prozess, der auf digitalen Wege in wenigen Minuten transparent und standardisiert durchgeführt werden kann.

Die Digitalisierung der Kreditaufnahme setzt sich nach der erfolgreichen Etablierung im Geschäft mit Privat- und Firmenkunden inzwischen auch in der Kommunalkreditfinanzierung fort, wo elektronische Marktplätze für Transparenz und eine schnelle, unbürokratische Abwicklung und damit für Kosten- und Zeitvorteile sorgen.

Literatur

Billanitsch, K. (2017): Digitalisierung in den Kommunen - Mit wenigen Klicks zum Kommunalkredit, Demo - Vorwärts-Kommunal, 18. Oktober 2017, online.

Lepique, E., Corsten, R. (2017): Investitionsstau und Regulatorik zwingen Kommunen zum Umdenken, Immobilien & Finanzierung, 68. Jg., Seite 590-591.

DER AUTOR PROF. DR. DIRK SCHIERECK, Leiter Fachgebiet Unternehmensfinanzierung, Technische Universität Darmstadt
 
DER AUTOR FRIEDRICH VON JAGOW, Gründer und Geschäftsführer, CommneX GmbH, München
Prof. Dr. Dirk Schiereck , Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinan­zierung , Technische Universität Darmstadt

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