NACHHALTIGKEIT

ESG SPIELT BEI DER MEZZANINE-FINANZIERUNG (NOCH) KEINE ROLLE

Hanno Kowalski, Foto: Fotostudio Charlottenburg

Der Markt für nachrangige Immobilienfinanzierungen hat sich in den vergangenen Jahren zu einer eigenen Assetklasse entwickelt. Und die Perspektiven bleiben günstig, dafür sprechen eine sich voraussichtlich weiter verschärfende Bankenregulatorik, steigende Baukosten, anhaltender Anlagenotstand sowie nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie: Diese hat Banken und Sparkassen noch einmal vorsichtiger werden lassen und somit weiteren Spielraum für Nachrangfinanzierer eröffnet. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die derzeit relevanten Trends auf dem Markt für Mezzanine-Kapital, wobei ein Schwerpunkt auf der noch untergeordneten Rolle des Themas Nachhaltigkeit liegt. Red.

Klimawandel, Gleichberechtigung, soziale Verantwortung von Unternehmen - sogenannte ESG-Themen (Environmental, Social, Governance) spielen in der öffentlichen Wahrnehmung eine immer größere Rolle. Und auch in der Immobilienbranche finden Kriterien für Umwelt, Soziales und Governance zunehmend Berücksichtigung. Doch welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit bei der Nachrangfinanzierung? Hat die Anwendung von ESG-Kriterien Auswirkung auf die Vergabe von Nachrangdarlehen und die Rendite dieser Investments?

Relevanz auf Ebene des Anbieters

Diese und viele weitere Fragen wurden Marktteilnehmern im Rahmen des aktuellen FAP Mezzanine Report 2020 gestellt. Das erstaunliche Ergebnis: Weder gesellschaftlicher noch regulatorischer Druck sind bisher wirklich im Bereich Real Estate Debt angekommen. Die Mehrzahl der befragten institutionellen Adressen sieht zwar die Notwendigkeit, sich mit ESG-Themen zu beschäftigen. Auf Unternehmensebene findet das auch statt. Bei der Vergabe eines Nachrangdarlehens spielen ESG-Kriterien aber so gut wie keine Rolle. Noch.

Während auf Produktebene ESG-Überlegungen noch nicht in die Finanzierungsentscheidung einfließen, sind sie bei der Auswahl von Kreditfonds und der Gestaltung von Debt-Mandaten durch institutionelle Anleger durchaus relevant. Fragebogen zur ESG-Strategie eines Fondsanbieters finden Eingang in den Due-Diligence-Prozess, zielen aber auch hier weniger auf die eigentliche Investmentstrategie des Mandats ab als auf die sozial- und umweltverträgliche Verhaltensweise eines Managers in seinem täglichen Arbeitsumfeld. Auf der Investmentebene verwiesen die Umfrageteilnehmer überwiegend auf den Mangel an praktisch anwendbaren Parametern. Diese gilt es erst noch festzulegen und in branchenweit gültige Standards zu überführen.

Aus Kapitalgebersicht besteht keine vernehmbare Bereitschaft, umweltfreundliche Immobilienprojekte mit hohem Nachhaltigkeitsfaktor etwa durch günstigere Darlehen zu fördern. Der Markt für Nachrangfinanzierungen ist fast ausschließlich Return-getrieben. Risiken, die sich aus der schlechteren Verwertbarkeit von nicht ESG-konformen Immobilien ergeben könnten, werden aufgrund der meist kurzen Laufzeit von Mezzanine-Darlehen als zu vernachlässigend eingeschätzt.

Alternative Finanzierungsformen für die Krise

Nur ein Thema beschäftigt die Welt im Augenblick noch mehr als ESG: die Corona-Pandemie. Und diese wirkt sich auch auf Finanzierungen aus. Insbesondere Projektentwickler bekommen die zunehmende Zurückhaltung der Banken bei der Finanzierung von Immobilienprojekten zu spüren. Banken stellen höhere Anforderungen an die Kreditsicherheit, was die Beleihungsausläufe drückt oder einzelne Objekte sogar nicht finanzierbar macht. Die Unsicherheit über die Zukunft der Märkte wächst. Alternative Finanzierungsformen gewinnen in diesen turbulenten Zeiten deutlich an Bedeutung.

Wo die Nachfrage steigt, erhöht sich auch das Angebot: 155 Kapitalgeber sind nach Recherchen der FAP Group zurzeit im Marktsegment der Nachrangfinanzierung in Deutschland tätig - neun mehr als noch im vergangenen Jahr. Die Zeiten, in denen Mezzanine ein exotisches Produkt mit hohen Zinssätzen war, sind damit endgültig vorbei.

Bedingt durch durchschnittlich niedrige Beleihungsausläufe aufseiten der Senior-Finanzierer wird der Spielraum für Nachrangkapital immer größer. Mezzanine arbeitet sich somit langsam in Bereiche vor, die "Stretched Senior"-Qualität haben. Und immer mehr institutionelle Kapitalgeber finden Gefallen an dieser Form des Junior-Kapitals - vor allem asiatische Adressen fühlen sich bei LTV-Ausläufen um 75 Prozent wohl. Angelsächsische Kapitalgeber sind dagegen oft mit deutlich höheren Renditeerwartungen unterwegs.

Abbildung 1: Risiko-Renditeleiter bei Mezzanine-Finanzierungen Quelle: FAP Group

Stabilisierende Wirkung auf den Markt

Die zunehmende Anzahl institutioneller Kapitalgeber wirkt sich stabilisierend auf den deutschen Markt für Bestands- und Projektfinanzierungen aus. Internationale Anbieter und Family Offices ermöglichen häufig die Realisierung von Non-Core-Projekten und halten den Markt in Bewegung.

So hat die FAP Group zum Beispiel im Frühjahr dieses Jahres eine Finanzierung mit drei Parteien arrangiert: einer deutschen Versicherung als Senior, einem koreanischen Konzern als Junior sowie Preferred Equity bereitgestellt durch ein Family Office in der Schweiz. Bei einem Finanzierungsvolumen im höheren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich verteilte sich der Bridge Loan auf ein leer stehendes und ein voll vermietetes Büroobjekt in Berlin. Das dabei bereit gestellte Finanzierungsvolumen war mehr als doppelt so hoch wie das der Banken.

Die Übergänge zwischen den einzelnen Finanzierungsformen sind zusehend fließend: Senior, Stretched Senior, Whole Loan, Mezzanine und Preferred Equity lassen sich immer schwerer klar voneinander abgrenzen. Auffällig ist, dass in diesem Jahr deutlich mehr Whole-Loan-Lösungen im Markt auftauchen: Da sich die Abstimmung der Sicherheitenstruktur zwischen Senior und Junior im Rahmen der Gläubigervereinbarung oft schwierig gestaltet und meist viel Zeit kostet, erfreuen sie sich zunehmender Beliebtheit. Hier werden erstrangige Darlehen vergeben, die bei höherem Beleihungsauslauf bereits eine Junior-Tranche inkludieren. Vergleicht man die Zinssätze mit der Blended Rate klassischer Senior-Junior-Kombinationen, dann unterscheiden sich die Kapitalkosten der beiden Finanzierungsvarianten kaum.

Kapital für alle Lagen

Nach wie vor liegen Top-7-Städte und Metropolregionen ganz oben in der Gunst der Kapitalgeber. Vor allem institutionelle Investoren beschränken ihr Engagement oft auf deutsche Großstädte mit positiver Bevölkerungsentwicklung. Investitionen außerhalb der deutschen Metropolregionen werden fast ausschließlich von ortsansässigen Anbietern mit besonderer Kenntnis des Standorts begleitet. Doch selbst C-Lagen sind kein Tabu.

Bei den institutionellen Investoren hat in den vergangenen zwölf Monaten die Anzahl abgeschlossener Nachrangfinanzierungen abgenommen, während das durchschnittliche Finanzierungsvolumen pro Deal deutlich gestiegen ist. Alle im Mezzanine Report befragten institutionellen Investoren begleiten Projektentwicklungen bis zu einem LTC von mindestens 80 Prozent. Knapp die Hälfte lässt auch Finanzierungen mit einem Beleihungssatz von bis zu 95 Prozent zu, aber nur ein Viertel ist bereit, unter bestimmten Voraussetzungen ganz auf den Einsatz von Eigenkapital zu verzichten. Projektentwicklungsfinanzierungen ohne Eigenmittel waren im vergangenen Jahr noch vereinzelt zu beobachten - heute tendiert diese Bereitschaft gegen null.

Die Euphorie der vergangenen Jahre scheint vorbei: Während im vergangenen Jahr noch 64 Prozent der Befragten von einer positiven Entwicklung des Marktes ausgingen, erwarten aktuell 58 Prozent eine leicht rückläufige Entwicklung. Mit einer steigenden Nachfrage rechnet Corona-bedingt gerade keiner. Zu unsicher sind die Wirtschaftsaussichten. Schaut man dagegen auf die Gruppe der internationalen Investoren, ist die Stimmung nicht ganz so getrübt. Sie gehen von einer gleichbleibenden bis positiven Marktentwicklung aus. Insbesondere angelsächsische Adressen setzen auf die Zurückhaltung der deutschen Kapitalgeber und hoffen, ihren Marktanteil bei uns erhöhen zu können.

Abbildung 2: Erwartete Marktentwicklung für die nächsten 12 bis 18 Monate aus Sicht der Kapitalgeber (in Prozent) Quelle: FAP Group

Als Fazit lässt sich festhalten: Auch wenn die Banken sich mit der Kreditvergabe weiterhin zurückhalten - es gibt ausreichend Kapital im Markt. Getrieben durch einen unverminderten Investitionsdruck rücken die bekannten Vorteile von Real Estate Debt wieder in den Vordergrund: Markteinstieg mit Risikopuffer gegenüber dem direkten Immobilienerwerb, kurze Laufzeiten, mit denen flexibel auf sich ändernde Trends reagiert werden kann und Renditen, die aktuell über denen von Real Estate Equity liegen.

Die Komplexität steigt

Gleichzeitig wird der Finanzierungsmarkt zunehmend komplexer. Erfolgreiches Dealsourcing, das Matching von Kapitalgebern und Kapitalnehmern in einem immer heterogener werdenden Finanzierungsmarkt, das richtige Timing, Verfügbarkeit von Liegenschaften und Objekten, qualifiziertes Personal zur Prüfung, Strukturierung und Umsetzung von Projekten mit veränderten Finanzierungs- und Marktanforderungen werden zukünftig mehr denn je über Erfolg oder Misserfolg eines Investitionsvorhabens entscheiden.

Und eine weitere Herausforderung zeichnet sich wie oben erwähnt ab: Der gesellschaftliche Druck wächst, nachhaltiges Wirtschaften in allen Bereichen der Wirtschaft zu berücksichtigen. Sind also zukünftig nur noch ESG-konforme Projekte finanzierbar? Und auf welche Standards einigt sich die Branche? Die Zukunft bleibt spannend. Doch gerade wegen der unsicheren Zeiten sind alternative Finanzierungslösungen bei der Immobilienfinanzierung nicht mehr wegzudenken.

DER AUTOR HANNO KOWALSKI Managing Partner, FAP Invest GmbH, Berlin
Hanno Kowalski , Managing Partner , FAP Invest GmbH, Berlin

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